BLLV fordert von der Politik ein Sofortprogramm zur Stärkung der Kernmannschaft
Kurz vor dem Start des Schuljahres zeichnet sich erneut ab, dass es wieder ein Jahr der großen Herausforderungen an Bayerns Schulen wird. Auf der Pressekonferenz zum Schuljahresstart stellte der BLLV am 5. September klare Forderungen für die neue Legislatur!
Kurz vor dem Start des Schuljahres zeichnet sich erneut ab, dass es wieder ein Jahr der großen Herausforderungen an Bayerns Schulen wird. Lehrermangel, zusätzliches Personal, „Werkzeugkasten“ für mögliche Streichungen, Stundentafel erfüllen, Aufstellung der Mobilen Reserve und vieles mehr.
Auf seiner Pressekonferenz zum Schuljahresstart stellte der BLLV am 5. September klare Forderungen für die neue Legislatur: Die politisch Verantwortlichen müssen ihre Versprechen umsetzen! Ein klares Bekenntnis zur Bildung! Eine Stärkung der „Kernmannschaft“ von grundständig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern in der neuen Legislatur! Weil die Lehrerinnen und Lehrer sonst nicht mehr länger durchhalten und das gravierende Auswirkungen auf die Bildungsqualität hat!
Sofortprogramm zur Stärkung der Kernmannschaft
Insgesamt 36 Forderungen erhält der Katalog des BLLV, der als klare Erwartung an die aktuell politisch Verantwortlichen ebenso herangetragen wird, wie an die neuen politischen Vertreterinnen und Vertreter nach der Landtagswahl in Bayern. Dabei geht es um die Arbeitsbedingungen, aber auch um strukturelle und finanzielle Bedingungen für die Lehrkräfte in Bayern. Die Klassen und Gruppen dürfen nicht größer werden. Den Lehrerinnen und Lehrern dürften nicht mehr Unterrichtsstunden auferlegt werden - und für Zusatzaufgaben brauche es auch Zusatzpersonal und zusätzliche Ressourcen!
Gleich zum Start sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: „Wir sagen schon immer, dass uns kein Kind in der Schule verloren gehen darf. Jetzt sagen wir aber auch ganz klar, dass uns keine Lehrerin und kein Lehrer in der Schule verloren gehen darf. Die Kernmannschaft muss gestärkt werden und das ist unser Fokus für das Schuljahr 2023/2024. Wir schauen auf die Stärke der Kolleginnen und Kollegen und auf ihre Gesundheit! Und deswegen geht es heute darum ein Programm aufzulegen, wie die Kernmannschaft in den nächsten Jahren gestärkt werden kann – schließlich soll der Lehrermangel laut KMK noch 20 Jahre andauern!“ Dabei stellte sie auch gleich klar, warum es gerade jetzt nicht um Bildungsqualität und beste Bildungsangebote gehen kann: „Natürlich müssten wir diese Frage stellen. Die Erwartungshaltung von uns Lehrkräften, von den Eltern und den Kindern ist immens hoch. Natürlich haben wir die Fragen der Digitalisierung, Bildung für Nachhaltigkeit, Ganztagspädagogik, Integration, Inklusion und vieles mehr. Nur sind wir leider nicht mehr so ausgestattet, dass wir hier die Erwartungen halten können! Deswegen geht es eben nicht mehr um Bildungsqualität, sondern es geht darum, irgendwie durchzukommen. Wir erwarten von der jetzigen, aber auch von der neuen Regierung, dass ganz konkrete Programme umgesetzt werden, die die Kernmannschaft stärken.“
Einiges erreicht - sehr Vieles noch vor uns
Gerd Nitschke, der 1. Vizepräsident des BLLV benannte dann auch ganz konkret die Punkte, die schon erreicht wurden, aber auch die, die es noch umzusetzen gilt. „Wir haben seit Jahren Ehrlichkeit von der Politik und vom Ministerium zum Thema Lehrkräftemangel gefordert und ich glaube, dass wir hier einen wichtigen Schritt weitergekommen sind. Unser Minister bestätigt, dass wir zu wenige voll ausgebildete Lehrkräfte haben. Der Unterricht kann durch diese Kernmannschaft nicht mehr voll abgedeckt werden. Aber auch wir sind ehrlich und sagen, ja, mit dem gesamten Personal, mit allen Quereinsteigern und weiterem zusätzlichen Personal, kann der Unterricht im Schuljahr 2023/2024 sichergestellt werden. Unsere Gespräche mit den BLLV-Kreisverbänden zeigen aber auch ein sehr unterschiedliches Bild der Lehrerversorgung. Je nach erfolgreicher Personalakquise stehen manche Schulamtsbezirke besser und manche schlechter da.“
Dass sich die Situation etwas gebessert hat, liegt laut Gerd Nitschke aber auch an den Erfolgen der Arbeit des BLLV. Der Kultusminister habe einige Vorschläge angenommen und dann auch umgesetzt, beispielsweise, dass Neu- und Anschlussverträge für das neue Schuljahr schon sehr früh vergeben werden konnten, was zu einer größeren Planungssicherheit geführt hat. Aber auch der Bürokratieabbau sei vorangekommen, mit einer Entlastung der Lehrkräfte im Grund- und Mittelschulbereich durch eine weitestgehende Abschaffung des amtlichen Schriftwesens. Auch die Entlastung der Schulleitungen durch 400 zusätzliche Verwaltungsangestellte sei ein solcher positiver Schritt. Aber er machte auch klar: „Qualitativ hochwertige Schule und Unterricht stellen wir uns an manchen Stellen ganz anders vor.“ Ein Thema, das in der Folge Frau Antje Radetzky, Leiterin der Abteilung Berufswissenschaft und Frau Sabine Bösl, Leiterin der Abteilung Schul- und Bildungspolitik, dann noch genauer ausgeführt haben.
Individuelle Förderung nutzt dem ganzen System
Antje Radetzky fokussierte dabei auf das Thema Lehrkräftegesundheit und schilderte eindrucksvoll, welchen Förderbedarf und welche Herausforderungen viele Kinder haben und welche Lerndefizite und sozialen Defizite es bei vielen Kindern gibt – nicht zuletzt immer noch durch Corona. Und sie stellte klar, welche Herausforderungen und Belastungen dadurch für Lehrkräfte erwachsen, die durch Zusatzaufgaben, Vertretungsstunden und vieles mehr ohnehin schon überlastet sind. Sabine Bösl ging auf die sehr eingeschränkten Fördermöglichkeiten an den Schulen ein, die der Lehrkräftemangel mit sich bringt. Viele Angebote für Schülerinnen und Schüler seien inzwischen gestrichen worden - besonders an den Grund und Mittelschulen. Das Wegfallen von Angeboten wie Förderkursen oder Differenzierungsstunden und Stunden für Integration und Inklusion habe direkte Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen und belaste das ganze System ebenso wie die Kernmannschaft selbst. Das Sofortprogramm, das der BLLV fordert, geht deshalb auch ganz gezielt ein auf die wichtige Rolle von Fach- und Förderlehrkräften, die in Zukunft wieder ihre genuinen wichtigen Rollen an den Schulen erfüllen sollen, anstatt andere Lehrkräfte zu vertreten, wie es heute oft der Fall ist.
Youtube-Video der Pressekonferenz
Maßnahmen gegen den Mangel
Auch der 2. Vizepräsident des BLLV Tomi Neckov brachte anschauliche Beispiele der Situation aus den Schulen vor Ort ein, um die Lage zu verdeutlichen: „Die Unterrichtsversorgung sei voll im Plan, sagt der Minister. Das trifft auf viele Schulen zu, aber nicht für alle! Auch wenn es laut Kultusministerium nicht zu Kürzungen der Stundentafel kommen soll: Es wird an einzelnen Schulen doch dazu kommen! So gibt es im Regierungsbezirk Unterfranken zwei große Schulamtsbezirke bei denen aufgrund des Lehrermangels und des Mangels an Aushilfskräften der so genannte ‚Werkzeugkasten‘ des Kultusministeriums angewandt wurde und Unterricht ab dem ersten Schultag gestrichen wurde. Dieser Werkzeugkasten ermöglicht es den Schulämtern und den Schulen nach Rücksprache mit der Regierung im äußersten Notfall Unterricht von Anfang an zu streichen.“ Als konkrete Beispiele nannte er mehrere Schulen, an denen Unterricht in Werken und Gestalten in verschiedenen Klassen gestrichen wurde – einfach weil kein Personal zu finden war. Ähnliche Diskussionen habe es auch in weiteren Schulamtsbezirken gegeben, die die Situation in diesem Jahr gerade noch retten konnten. Zwar sei es positiv zu bewerten, dass die Schulen mit dem ‚Werkzeugkasten‘ individuelle Maßnahmen an der Hand hätten, aber es stelle sich die Frage, was dies für den Bildungsanspruch des Staates bedeute, wenn Angebote nicht mehr bereitgestellt werden können.
Um den teils gravierenden Lehrkräftemangel perspektivisch in den Griff zu bekommen spielen natürlich auch immer wieder die Themen Besoldungsgerechtigkeit und Wertschätzung eine Rolle, die Hans Rottbauer, Leiter der Abteilung Dienstrecht und Besoldung, in den Blick nahm. Zwar sei die Einführung der Besoldungsstufe A13 für Berufseinstegerinnen und -einsteiger an Grund- und Mittelschulen ein wichtiger Schritt, für den die Lehrkräfte dankbar sind, aber es gebe dabei noch viele offene Themen. So müssten beispielsweise Fach- und Förderlehrkräfte angemessen berücksichtigt werden oder Lehrkräfte in Beförderungsämtern um die Besoldungsgerechtigkeit wirklich umzusetzen und die Kernmannschaft zu stärken, die durch große Klassen oder durch dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel stark belastet sind. Dabei ging Rottbauer auch noch einmal auf die verschiedensten Berufsgruppen ein, die inzwischen an den Schulen beschäftigt sind. Aktuelle Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung von Quereinsteigern seien dabei zu begrüßen. Viel der benötigten Betreuung und Unterstützung von Quereinsteigern müsse aber durch die Kernmannschaft geleistet werden, was diese zusätzlich belaste.
Wertschätzung muss vor allem in schwierigen Zeiten gelten
Zum Abschluss der Pressekonferenz ging BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann detailliert auf den Forderungskatalog aus dem Sofortprogramm zur Stärkung der Kernmannschaft ein und beleuchtete im Detail die wichtigsten der 36 Forderungen, die „wir auch in der politischen Umsetzung sehen wollen. Nichts davon ist Firlefanz und nichts davon ist ‚nice to have‘. Das sind die Grundlagen, die wir jetzt fordern für die Menschen, die die Fahne hochhalten und die mit Kraft und Kompetenz die Bildungsqualität hier in Bayern stärken!“ Und sie betonte: „Die Wertschätzung der Arbeit der Kernmannschaft muss vor allem in den schwierigen Zeiten gelten. Und zwar nicht nur auf dem Papier, oder im Wahlkampf, nicht nur auf Plakaten und in Sonntagsreden, sondern jetzt!“
Ergänzende Informationen
- Liste der Aushilfskräfte an bayerischen Grund- und Mittelschulen
- Sofortprogramm zur Stärkung der Kernmannschaft
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