BLLV fordert Verbesserungen für Fachlehrkräfte noch in diesem Schuljahr
München – Eine BLLV-Umfrage, an der sich 2.461 Fachlehrerinnen und Fachlehrer in Bayern beteiligten, zeigt deutlich, wie schwierig die Arbeitsbedingungen und wie hoch die Belastungen dieser Berufsgruppe sind. Für BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann ist das alarmierend: „Der Fachunterricht stärkt ganzheitliche Bildung und vermittelt grundlegende Kompetenzen. Davon profitiert nicht nur der Einzelne, sondern die gesamte Gesellschaft. Deshalb muss alles dafür getan werden, diejenigen zu stärken, die das leisten sollen“, so Fleischmann.
Bereits in der BLLV-Umfrage von 2016 hatte ein Großteil der befragten Fachlehrkräfte angegeben, trotz einer grundsätzlichen Zufriedenheit mit ihrem Beruf hohe Belastungen zu verspüren. Auch in der aktuellen Umfrage von 2020 sprechen mehr als drei Viertel (76%) von einer starken Belastung. 78 Prozent geben an, dass sie sich am Ende der Arbeitswoche kraft- und antriebslos fühlen. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: „Das kann und darf nicht sein. Wenn die Bedeutung der Fachlehrerinnen und Fachlehrer stets betont wird, brauchen wir jetzt spürbare Verbesserungen anstelle von Lippenbekenntnissen. Es ist dringend notwendig, dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nachkommt und auf die extreme Belastungssituation reagiert. Deshalb wird der BLLV ein ‘weiter so‘ nicht mehr tolerieren.“ Fächer wie Musik, Sport, Kunst, Technik, Informatik, Ernährung & Soziales, Wirtschaft & Kommunikation oder Werken & Gestalten seien im Sinne einer ganzheitlichen Bildung ebenso wichtig wie Mathe, Deutsch und Fremdsprachen. In diesen Fächern liefen alle Inhalte der Kernfächer zusammen, hier würde das Einzelwissen aus allen Fächern anhand der praktischen Umsetzung durch Projekte verknüpft.
Belastende Arbeitssituation
Die Ergebnisse der BLLV-Befragung 2020 zeigen, dass viele Kolleginnen und Kollegen unter ihren Arbeitsbedingungen leiden: Fast jede zweite Fachlehrkraft (45%) gibt an, durch häufige Vertretungen, Klassenmitführungen oder Gruppenzusammenlegungen belastet zu sein. Als problematisch wird der hohe zeitliche Aufwand durch die Beschaffung von Unterrichtsmaterial oder Lebensmittel (70%), den steigenden Umfang des amtlichen Schriftwesens (72%) und durch Planungs-, Koordinierungs- und Verwaltungsaufgaben (58%) bewertet. Außerdem werden 27 Prozent der befragten Fachlehrkräfte im aktuellen Schuljahr fachfremd eingesetzt. Und nur jede zehnte derjenigen, die an mehreren Schulhäusern tätig sind, erhält Anrechnungsstunden für den erhöhten Aufwand. „Das muss aufhören“, fordert Simone Fleischmann. „Hier werden Löcher gestopft und unsere Kolleginnen und Kollegen über Gebühr belastet und ausgenutzt.“
Fehlende Räume oder ihre mangelhafte Ausstattung stellen ebenfalls ein großes Problem dar. 73 Prozent der Fachlehrkräfte geben an, dass sie mehr Schüler haben als ihnen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und 46 Prozent beklagen fehlende bzw. zweckentfremdete Fachräume. Auch das ist ein unhaltbarer Zustand, weil damit die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Lehrerinnen und Lehrer nicht immer gewährleistet werden kann. Darüber hinaus beklagen 44 Prozent der Befragten eine fehlende IT-Ausstattung, was der Forderung des Lehrplans Plus in Grund- und Mittelschulen nach digitaler Erziehung diametral entgegensteht. Denn die Entwicklung der entsprechenden Alltagskompetenzen ist nur mit einer ausreichenden technischen Ausstattung der Fachräume möglich. Und schließlich empfinden fast drei Viertel (72%) die Größe der Lerngruppen als belastend, ganze 90 Prozent leiden unter der Lärmbelastung. „Das ist eine untragbare und frustrierende Situation für alle Fachlehrkräfte, die die tägliche Berufsausübung massiv einschränkt“, kritisieren BLLV-Landesfachgruppenleiter für Fachlehrer Ernährung/Gestaltung und Fachlehrer musisch/technisch Brigitte Eisenhut und Dimitri Telent.
Schlechte berufliche Rahmenbedingungen
Als weitere belastende Faktoren nennen die Befragten die begrenzten Beförderungsmöglichkeiten (76%), die ungleiche Bezahlung gegenüber anderen Lehrkräften (92%) und die ungleiche Unterrichtspflichtzeit gegenüber anderen Lehrerinnen und Lehrern an derselben Schulart (82%). „Es ist nicht hinnehmbar, dass eine gesamte Berufsgruppe Jahrzehnte lang systematisch benachteiligt wird“, so BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Der Arbeitsumfang und die Arbeitsbelastung sei bei Fachlehrkräften die gleiche wie bei anderen Lehrergruppen. Daher sei es unverständlich und ungerecht, dass sie für das gleiche Unterrichtsfach weniger Besoldung bekämen. „Und genau so muss auch die Unterrichtspflichtzeit an den Einsatzort, also an die Schulart angeglichen werden, an der die Fachlehrkräfte unterrichten“, so Fleischmann.
Impulse und Lösungsvorschläge des BLLV
So fordert der BLLV neben besseren Arbeits- und Rahmenbedingungen auch eine konsequente Verbesserung der Ausbildungskapazitäten und Beförderungsmöglichkeiten. Bereits im Juli 2020 hatte der Verband in einer Landtags-Petition und einem offenen Brief an Kultusminister Michael Piazolo die Arbeitsbedingungen der Fachlehrkräfte als unzureichend bemängelt, klare Lösungsvorschläge benannt und Entscheidungen der politisch Verantwortlichen zu konkreten Verbesserungen gefordert. In einigen Bereichen wurde daraufhin nachgebessert – so wurden die Ausbildungskapazitäten leicht erhöht und Planstellen für ein weiteres Lehrinstitut im Süden Bayerns in den Haushalt aufgenommen (die Umsetzung lässt noch auf sich warten), etwas mehr Anrechnungsstunden für mehrere Dienstorte festgeschrieben und der Rahmenhygieneplan nochmals angepasst.
„Das ist der richtige Weg, reicht aber bei Weitem noch nicht aus“, so BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Jetzt sei ein deutliches Zeichen des Dienstherrn dringend notwendig. Es müssten größere Schritte gemacht werden, um der extrem hohen Belastung der Fachlehrerinnen und Fachlehrer entgegenzuwirken. „Der BLLV ist auch weiterhin bereit für eine Politik des Dialogs, denn wir wissen, dass nur so Lösungen im Sinne einer bestmöglichen Bildungspolitik gefunden werden können, in der die Bildungsqualität im Mittelpunkt steht. Und gute Bildungsqualität setzt gute Rahmenbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer voraus – dafür kämpfen wir“, so die BLLV-Präsidentin.
V.i.S.d.P.: Simone Fleischmann, Kontakt: BLLV-Pressereferat. Tel. (089) 72 100 128, presse(at)bllv.de
Kommentar Landesfachgruppenleiter Dimitri Telent
BLLV fordert Verbesserungen für Fachlehrkräfte noch in diesem Schuljahr!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
viele Umfragen bestätigen, dass die meisten jungen Menschen sich für einen Lehrberuf entscheiden, v. a. weil sie gerne mit Kindern arbeiten wollen. Beim Wunsch Fachlehrerin oder Fachlehrer zu werden, kommt ganz bestimmt noch die Intention dazu, ganzheitlich und besonders praxisnah unterrichten zu können. Eines ist aber von vorne herein klar – Fachlehrkräfte werden in Bayern schlechter bezahlt und müssen zugleich mehr arbeiten als alle anderen Lehrerkolleg*innen.
Dabei sind die Fachlehrkräfte in der Ausübung ihres Wunschberufes aber besonders gefordert. Bereits vor der Pandemie beklagten viele Fachlehrkräfte die untragbaren Missstände vor Ort, die eine fachlich fundierte ganzheitliche Bildung, die auf eine Selbsttätigkeit der Kinder abzielt, im täglichen Unterrichtsgeschehen nahezu verhindert.
Diese Zustände sind in der aktuell andauernden Krise noch weiter verstärkt worden:
- Zu große Fachgruppen,
- zu kleine bzw. fehlende Fachräume,
- mangelhafte Ausstattung,
- regelmäßiger Einkauf der Unterrichtsmaterialien,
- erhöhter Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand uvm.
Obendrauf haben die Fachlehrkräfte mit 29 Unterrichtsstunden das größte Stundenmaß aller Lehrkräfte in Bayern zu absolvieren und arbeiten meist auch noch an mehreren Schulhäusern – und dies bei für Lehrer an Grund- und Mittelschulen sonst völlig unüblicher Besoldungsstufe A10. Von der Besoldung an den Realschulen und Gymnasien ganz zu schweigen. Diese Zustände sind nicht länger tragbar!
Der BLLV kämpft seit vielen Jahren für die Verbesserung all dieser Punkte und hat hier einige Aufwertungen bewirken können:
- Es gibt deutlich mehr Beförderungsstellen in A11,
- es wurden A12-Funktionsstellen für die Fachlehrkräfte geschaffen,
- ein weiteres Staatsinstitut ist in Planung,
- die kommunalen Träger bemühen sich um eine bessere Ausstattung der Fachräume uvm.
Unsere Petition zur Verbesserung der Situation der Fachlehrkräfte wurde im September 2019 vom Ausschuss für Unterricht und Kultus als „Material“ beschlossen. In der gleichen Sitzung stellte die stellv. Ausschussvorsitzende Eva Gottstein (Freie Wähler) klar, dass sie vom Kultusministerium noch im Schuljahr 2019/20 einen ausführlichen Bericht über die Situation der Fachlehrkräfte erwarte.
Im Bildungsausschuss am 02.07.2020 hat Kultusminister Piazolo versprochen, die Fachlehrer zu unterstützen; hier reagierte unsere Präsidentin Simone Fleischmann sofort mit einem offenen Brief an den Minister und forderte konkrete Verbesserungen: "Jetzt müssen Entscheidungen her!".
Doch das Kultusministerium unter der Führung des Kultusministers von den Freien Wählern und die übrigen Politiker lassen sich mit diesen Entscheidungen Zeit. Um die Faktenlage klar darzulegen, haben das BLLV-Präsidium und die beiden Fachlehrer-Landesfachgruppen eine FL-Umfrage durchgeführt, die mit ca. 2500 Rückmeldungen einen immensen Anklang fand.
Die Ergebnisse sind mehr als alarmierend und zeugen von unzumutbaren Zuständen für alle Fachlehrkräfte, die die tägliche Berufsausübung massiv einschränken. Von einer Gleichstellung mit anderen Lehrämtern, gerade in Zeiten der Pandemie, sind die Fachlehrer mehr als weit entfernt.
Unsere Präsidentin Simone Fleischmann findet hier klare Worte:
„Es ist nicht hinnehmbar, dass eine gesamte Berufsgruppe Jahrzehnte lang systematisch benachteiligt wird“ und „Lippenbekenntnisse bringen nichts! Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für die Fachlehrer ist gefragt... ein Weiterso geht nicht!“
Dimitri Telent | Leiter der Landesfachgruppe Fachlehrer musisch-technisch im BLLV