Als im Jahr 2014 unser damaliger Präsident Klaus Wenzel öffentlich feststellte, dass 20.000 zusätzliche Lehrerplanstellen nötig seien, um den Aufgaben gerecht zu werden, die Politik, Wirtschaft, Öffentlichkeit und Eltern an Schule stellen, bin ich erschrocken. 20.000? Das entspricht 1,7 Milliarden Euro. Das erschien selbst mir übertrieben. Und: Wie sollte man eine solche Zahl den politischen Entscheidungsträgern in Land und Bund vermitteln?
Vier Jahre später denke ich anders. Die Diskussion über Bildung hat sich deutlich verändert. Immer mehr Menschen erkennen, dass Bildung die Grundlage ist für wirtschaftliche Prosperität, demokratische Stabilität unserer Gesellschaft, aber auch für die Grundlegung einer dringend notwendigen Werteorientierung der jungen Menschen. Und deutlicher wird, dass dies unter den jetzigen Bedingungen kaum möglich ist.
Politiker aller Parteien sind sich einig, was wir in der Bildungspolitik brauchen: Ausbau der Ganztagsangebote, Umsetzung der Inklusion, Bereitstellung einer digitalen Grundversorgung aller Schulen, Verstärkung der Medienerziehung, mehr individuelle Förderung, intensive Maßnahmen zur Integration junger Menschen aus anderen Kulturen und Religionen. Als Präsidentin des größten Bildungsverbandes in Bayern habe ich vor diesem Hintergrund veranlasst, dass der Einsatz von finanziellen Ressourcen in unseren Schulen analysiert wird - sachlich und nicht interessengeleitet.
Und ich habe kalkulieren lassen, was es kosten würde, die Anforderungen und Erwartungen umzusetzen. Das Ergebnis: Wir haben einen zusätzlichen jährlichen Finanzbedarf in den Schulen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, wenn wir tatsächlich die Rahmenbedingungen schaffen wollen, innerhalb derer diese Forderungen umgesetzt werden können.
Das ist viel Geld. Gleichzeitig aber sind die Steuermehreinnahmen enorm. Für den Zeitraum von 2016 bis 2021 rechnet der Arbeitskreis Steuerschätzung des Bundesfinanzministeriums in Bund, Ländern, Gemeinden und der EU mit zusätzlichen Einnahmen von 146 Milliarden Euro. Nur dürfen wir uns auch nichts vormachen.
Geld ist nicht alles, ein eben - so wichtiger Faktor ist es, die Lehrerinnen und Lehrer ernst zu nehmen. Gerade große Investitionen in Bildung müssen zum Ziel haben, dass Lehrerinnen und Lehrer als die Träger der Bildung motiviert werden und nach Jahren der Überbelastung und der Mängelverwaltung wieder Freude an ihrer Arbeit finden. Es wäre an der Zeit, dass sie endlich Entlastung bekommen.
Andererseits brauchen sie ebenso dringend Freiräume für intensive Abstimmungsprozesse, für die Absprachen innerhalb multiprofessioneller Teams, für Fortbildung und für Elternarbeit. Solche Freiräume sind kein Luxus, sie sind Voraussetzung für erfolgreiche Bildung.
Heute wird viel über den Verlust von Vertrauen in die Politik gesprochen. Vertrauensverlust entsteht dann, wenn Erwartungen und Ziele definiert werden, die man nicht umsetzt. Das ist wie in der Erziehung. Spürt das Kind, dass der Erwachsene nicht tut, was er sagt, verliert es zurecht das Vertrauen und lernt, dass man sein Wort nicht halten muss.
Ich will zuversichtlich sein: Ich gehe davon aus, dass die Politiker zu ihrem Wort stehen, dass sie sich nach den Wahlen an die Zusagen von heute erinnern. 20.000 neue Lehrerstellen, wie Klaus Wenzel es forderte, müssen es vielleicht nicht sein, aber um 1,5 Milliarden Euro Mehrausgaben werden wir nicht herumkommen, wenn wir die drängenden Probleme bewältigen wollen. Es steht mehr als nur die Bildung unserer Kinder auf dem Spiel, es geht auch um das Vertrauen in unsere Politiker.