Radikale Politiker haben zurzeit Konjunktur, in Deutschland, den USA, der Türkei und vielen anderen Ländern der Erde. Sie polarisieren, hetzen gegen Minderheiten und versprechen vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme. Für die Demokratie sind sie eine Bedrohung. Prof. Dr. Ursula Münch hält diese Entwicklung für besorgniserregend. In ihrem Vortrag beim BLLV in der Reihe „Kamingespräch“ erläuterte sie in der vollbesetzten Aula die Gründe für diese Entwicklung und wie sie sich eindämmen lässt.
Menschen verlieren Vertrauen in InstitutionenVier Ursachen hat Münch für das Erstarken radikaler Strömungen ausgemacht:
- Politiker stellten die von ihnen vorgeschlagenen Lösungen entgegen besseres Wissen als alternativlos dar. Große Koalitionen führten immer dazu, dass kleine Parteien oder die außerparlamentarische Opposition profitierten.
- Vermittelnde Institutionen wie Parteien, Verbände und Kirchen erlebten einen Bedeutungsverlust. Das anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos zum 17. Mal erhobene Vertrauensbarometer zeige, dass das Vertrauen in Eliten, staatliche Institutionen, Wirtschaft, Medien aber auch Nichtregierungsorganisationen weltweit so niedrig sei wie nie zuvor.
- Die Ablehnung der pluralistischen Demokratie und der Wunsch nach kultureller Homogenität seien weit verbreitet – und nur teilweise bedingt durch eine Angst vor Wettbewerb und Benachteiligung. In Zeiten der Veränderung schafften es Politiker wie der neue US-Präsident Donald Trump, antipluralistische Haltungen als etwas Revolutionäres, gegen die Eliten und die bestehende Ordnung Gerichtetes darzustellen. Sie stützten sich dabei auf klassisches Freund-Feind-Denken.
- Die Sozialen Medien böten Manipulationsmöglichkeiten sowie einen Ersatz für den Vertrauensverlust in Eliten: An deren Stelle träten peergroups, Gruppen von Gleichgesinnten, an denen sich Menschen orientierten und ungeprüft deren Behauptungen übernähmen.
Demokratievermittlung ist nicht nur Sache von Spezialisten
Münch hat aber Hoffnung, dass sich diese Entwicklung stoppen lässt. Die entscheidende Frage sei, wie man junge Leute frühzeitig dauerhaft erreiche, sodass sie die Grundregeln des Zusammenlebens in einer Demokratie lernen. Dazu gehöre, Minderheiten vor der Willkür der Mehrheit zu schützen, sowie die Erkenntnis, dass das vermeintliche Ideal einer homogenen Gesellschaft zwangsläufig in einen autokratischen Staat münde.
Dieses Wissen jungen Leuten nahezubringen, sei Aufgabe von Sozialkundeunterricht, Schule und Gesellschaft, erklärte Münch. Politisch relevantes Fachwissen müssten speziell ausgebildete Lehrkräfte vermitteln, die ausreichend Zeit für Fortbildungen bräuchten.
Klassensprecherwahlen nicht eben schnell abhaken
Demokratieerziehung beschränkt sich aber nicht nur auf den Fachunterricht, sondern beginnt von klein auf mit dem Zusammenleben. Schule könne dies durch so vermeintlich banale Dinge wie die Klassensprecherwahl unterstützen, sagte Münch. Schließlich sei es wichtig zu verstehen, wie Entscheidungen in einer Demokratie zustande kämen. Welche unterschiedlichen Wahlen gibt es für Klassensprecher/innen oder im Schulsport? Und warum gibt es unterschiedliche Verfahren?
Mit diesen Fragen sei man schon mitten in gelebter Demokratiepädagogik angelangt, betonte Münch und gab den Zuhörern eine Mahnung mit auf den Weg: Lehrerinnen und Lehrer müssten sich ihres Vorbildcharakters bewusst sein – und deswegen dürfe auch keine Klassensprecherwahl kurz vor dem Pausenklingeln noch eben schnell abgehakt werden.