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Rechtskolumne Service

Wenn es allen stinkt

In diesem Fall von Vandalismus wusste sich die Schulleitung einer Grundschule nicht mehr anders zu helfen: Da die Wände in den Schülertoiletten immer wieder mit Fäkalien beschmiert wurden, ordnete sie unorthodoxe Maßnahmen an. In Absprache mit dem Elternrat, aber zum Ärger eines Vaters. Der schaltete das Schulamt ein – und bekam Recht. Zu Recht?

Der Fall

An einer bayerischen Grundschule beschmieren seit län­gerer Zeit Kinder aus den zweiten und dritten Klassen die Toiletten mit Kot. Die Situation ist so schlimm geworden, dass man sich in den Fluren die Nase zuhalten muss.

Die Maßnahme

Die Schulleitung ordnet in einem Elternbrief unter ande­rem an, dass von nun an die Schülerinnen und Schüler nur noch zu zweit auf die Toilette gehen dürfen, damit gegen­seitige Kontrolle gewährleistet sei. Sollte ein Kind er­wischt werden, wie es die Toiletten beschmutzt, würde es an einem Nachmittag mit dem Reinigungspersonal der Schule die Toiletten putzen müssen.

Die Reaktionen

Ein Schülervater ist außer sich. Er will nicht, dass sein siebenjähriger Sohn, der die zweite Klasse besucht, von seinen Klassenkameraden kontrolliert wird, wenn er in der Schule aufs Klo geht. Zu Hause werde immer darauf Wert gelegt, dass der Junge selbständig zur Toilette geht und diese auch sauber hinterlässt. Sein Sohn werde keine Toi­letten in der Schule putzen. Der Schülervater beschwert sich sofort beim Schulamt.

Die Schulleitung kann die Reaktion des Vaters nicht nachvollziehen. Nachdem der Elternbrief abgeschickt wurde, habe sich die Hygienesituation in der Grundschule bemerkenswert verbessert. Die angedrohten Maßnahmen hätten einen positiven Effekt gezeigt. Sie seien in Rück­sprache mit dem Elternbeirat getroffen worden. Das Schulamt wies daraufhin die Schulleitung an, den Eltern­brief „klarzustellen“.

Die Rechtslage

Zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder zum Schutz von Personen und Sachen können Ordnungs- und auch Erziehungsmaßnahmen gegenüber Schülerin­nen und Schülern getroffen werden. Dies ergibt sich aus Art. 86 des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsge­setzes (BayEUG). Soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen, können Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden. Unzulässig sind kollektive Ordnungsmaßnahmen und die körperliche Züchtigung. Einer ganzen Klasse ge­genüber darf also keine Ordnungsmaßnahme verhängt werden.

Conclusio

Wenn eine Schülerin oder ein Schüler die beschmutzten Schultoiletten putzen muss, ist das eine unzulässige Ord­nungsmaßnahme. Diese Anordnung kann dem abschlie­ßenden Katalog aus Art. 86 Abs. 2 BayEUG nicht entnommen werden. Ordnungsmaßnahmen sind keine Strafen; sie sind Erziehungsmaßnahmen und kommen erst dann zum Zuge, wenn andere pädagogische Maßnahmen nicht ausgereicht haben. Ziel der Erziehungsmaßnahmen ist es, eine Verhaltensänderung bei den Schülerinnen und Schülern zu erreichen, um den Bildungs- und Erziehungs­auftrag zu sichern. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler die Toilette putzen muss, als Konsequenz dafür, dass sie oder er diese böswillig beschmutzt hat, dann gleicht dies einer Bestrafung.

Die Anordnung zum Putzen der Toiletten ist auch keine sinnvolle pädagogische Maßnahme gemäß Art. 86 Abs.1 BayEUG. Pädagogische Maßnahmen sind zum Beispiel die Ermahnung, die schriftliche Missbilligung eines Fehlver­haltens sowie die Nacharbeit unter Aufsicht nach vorheri­ger Benachrichtigung der Erziehungsberechtigten. Den Lehrkräften steht aufgrund ihrer pädagogischen Eigen ­verantwortung ein Ermessensspielraum zu. Sie dürfen daher diejenige erzieherische Maßnahme ergreifen, die der Schwere des Fehlverhaltens entspricht.

Lehrkräfte müssen bei der Anordnung erzieherischer Maßnahmen jedoch das Verhältnismäßigkeitsgebot im Blick haben. Es ist verboten, eine Grundschülerin oder einen Grundschüler dazu anzuweisen, die Schultoiletten zu putzen. Sie sind zwischen sechs und zehn Jahre alt. In einem solchen Alter ist es eine große Zumutung und damit unverhältnismäßig, Kinder zu zwingen, sich länger in einer stark beschmutzen Schultoilette aufzuhalten. Zudem müsste eine Lehrkraft anwesend sein; die Schüle­rinnen und Schüler dürften sich aufgrund der Aufsichts­pflicht nicht allein mit dem Reinigungspersonal in der Schule aufhalten.

Ebenfalls aufgrund der Aufsichtspflicht wäre es ein Problem, wenn sich Kinder bei Toilettengängen gegensei­tig kontrollieren müssten. Sie dürfen keine Aufsichts­verpflichtungen der Lehrkräfte übernehmen. Es ist Sache der Schule, dafür zu sorgen, dass die Kinder die Toiletten normal benutzen können. Lehrkräfte könnten zum Beispiel die Schulflure in der Nähe der Schultoiletten verstärkt beaufsichtigen, insbesondere während der Schulpausen.

Addendum

Die Situation in der Schule hat sich mittlerweile erheblich verbessert. Die Schulleitung wird nicht mehr anordnen, dass sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig kon­trollieren. Die Strafe zum Kloputzen ist überdies nicht mehr notwendig, was die Schulleitung durch einen Brief an die Eltern bekannt gemacht hat.

Die Rechtskolumne erschien in der bayerischen schule #5/2022.