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Was die Stimme über uns verrät

Wie jemand spricht, sagt viel über den Sprecher als Person und seine Wirkung auf Andere aus. Wer sich damit auseinandersetzt, steigert seine Präsenz im Klassenzimmer und kommt stressfreier durch Konfliktgespräche, ist Stimmexpertin Annette Hallström überzeugt.

Menschen, die sich beruflich mit dem Themenkomplex "Stimme und Sprechen" auseinandersetzen, wissen: Hier sind sie ganz nah am Menschen dran. Und genau deshalb ist es wahnsinnig spannend! Nicht selten bekommt Coachin Annette Hallström tiefe Einblicke in die Psyche bei ihren Seminaren. 

Zur Person: Annette Hallström

Annette Hallström: Persönlichkeitscoaching mit (Impro-) Theatertechniken
Nach einer klassischen Schauspiel-Ausbildung ist Annette Hallström in viele Facetten dieses Berufes eingetaucht – zunächst als klassische Schauspielerin, Improspielerin, Sprecherin, Regisseurin, Workshopleiterin, nun vor allem als Coach für Persönlichkeitsentwicklung.

BLLV-Akademie: Normalerweise nehmen Menschen eine Person, die sie neu kennenlernen, zunächst optisch wahr. Wie ist das bei Ihnen, Frau Hallström? Sie beschäftigen sich ja seit vielen Jahren mit der Wirkung von Stimme. Mit welchem Ihrer Sinne nehmen Sie Menschen, die sie neu kennenlernen, als erstes wahr: mit Ihren Ohren oder mit Ihren Augen?

Annette Hallström: Es ist bei mir immer erst der Gesamteindruck. Doch ich habe mittlerweile eine gute Intuition für Menschen entwickelt und merke schnell, was sich über die Stimme überträgt: Ist jemand selbstsicher, unsicher oder etwas "zu" sicher? Eher devote oder herrische Persönlichkeiten kann man z.B. sofort an der Stimme erkennen.
Im Grunde geht es darum: Wirkt jemand auf mich authentisch? Oder empfinde ich irgendeine Irritation? Oftmals zeigen sich bei Erwachsenen Mechanismen, die sie sich als Kinder zugelegt haben. Dafür gab es einen guten Grund – damals! Im Erwachsenenalter machen sie aber meist keinen Sinn mehr und da tut es gut, das zu überprüfen, etwa bei einer Fortbildung.

Was verrät die Stimme noch über uns?

Die Stimme ist Ausdruck unserer Gefühlslage und unserer psychischen Verfassung. Mit ihr zeigen wir immer, wie es uns jetzt gerade geht: Ob wir gut gelaunt sind, gestresst, Angst haben und so weiter. Manches versuchen wir zwar zu verbergen, aber besonders den Menschen, die uns nahestehen, können wir nichts vormachen.

Deshalb ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll, beim Coaching nur auf den physiologischen Aspekt von Sprechen und Stimme einzugehen. Es lohnt sich, dahinter zu schauen. Warum zittert die Stimme jetzt gerade? Wichtig ist für mich dabei als Referentin natürlich, ein Gespür zu haben, wie tief jemand einsteigen will. Um das herauszufinden, muss ich mich vorsichtig annähern. Manche möchten nur für eine konkrete Situation eine schnelle Lösung haben und das respektiere ich natürlich. Wenn Menschen dafür bereit sind und in den Prozess einsteigen möchten, sind ganz tolle Entwicklungen möglich – da bin ich immer wieder fasziniert!

Haben Sie da ein konkretes Beispiel vor Augen?

Ich denke da gerade zum Beispiel an eine Frau, die beruflich in einem rauen Business zurechtkommen musste, selbst aber eine eher scheue, zurückhaltende Person war. Sie merkte, dass sie mit ihrer Art übersehen wird.
In der Arbeit mit ihr fiel auf, dass sie sehr zart und leise gesprochen hat und noch dazu sehr wenig. Wir sind dem nachgegangen und konnten das an Glaubenssätzen aus der Kindheit festmachen. Sie hat damals vermittelt bekommen: Deine Stimme zählt nicht und ist überhaupt nicht gefragt. Ein Kind reagiert darauf in der Regel mit Rückzug und „verstummt“.
Wir haben dieses Verhalten aufgebrochen und ein Effekt war unter anderem, dass sie gelernt hat, ihrer inneren Stimme zu vertrauen und für sich einzustehen.

Seminarempfehlung: "Bewusst Sprechen: Unsere Stimme - unsere Stimmung - unsere Wirkung"

Stimmen Tonfall, Lautstärke, Mimik, Körpersprache mit den gesprochenen Worten nicht überein, büßt der Sprechende an Wirkung massiv ein. Um präsenter und authentischer im Klassenzimmer agieren zu können, ist es deshalb besonders sinnvoll, sich damit bewusst auseinander zu setzen. ...
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In den Seminaren, die Sie für die BLLV-Akademie geben, dreht sich viel um Wirkung und Präsenz von Lehrkräften, wobei auch immer Stimme und Sprechen eine zentrale Rolle spielt. Welche Problemfelder tauchen da häufig auf?

Ein Problem, das mir sehr häufig unterkommt bei Lehrer*innen, ist eine Scheu, die Stimme „bestimmt“ einzusetzen. Sie sagen lieber zwanzig Mal zum selben Kind „Könntest Du Dich bitte hinsetzen“, also Konjunktiv und „bitte“, anstatt einmal unverblümt zu sagen „Setz Dich hin“.  Bei Lehrkräften, häufig sind es weibliche, ist der Glaubenssatz „Du musst nett sein“ sehr stark verankert. „Setz Dich hin“ kommt ihnen zu rigoros vor, dabei ist es nur klar, nicht unfreundlich. Dabei kommt auch zum Tragen: Viele Worte schwächen, wenige Worte stärken die Sprechenden. Durch viele Worte und Erklärungen kommt man ins Schwimmen – das ist fatal.
Ein weiteres Problem ist der langweilige Vortrag. Also zum Beispiel ein Geschichtslehrer, der eintönig spricht: langsames Sprechtempo, keine Modulation, leiernder Ton. Ganz schwierig für die Schüler*innen, hier die Inhalte aufzunehmen, wenn man fast einschläft beim Zuhören.

Niemand nimmt sich ja absichtlich vor, langweilig zu sprechen! Was kann man denn da tun?

Daran kann man Gott sei Dank sehr gut arbeiten. Man muss den Mut finden, mehr Energie in seine Stimme zu stecken. Das bedeutet auch, dass ich mich als Person mehr zeige – und das ist für viele gar nicht so einfach. Aber es gibt immer irgendeine Möglichkeit, seine Ausstrahlung, auch stimmlich, zu verbessern. Es muss auf jeden Fall authentisch sein, etwas, das zu der jeweiligen Person wirklich passt.

Wir haben, wenn wir an das Thema Lehrkraft und Stimme/Sprechen denken, wahrscheinlich automatisch die Situation im Kopf, wie die Lehrkraft unterrichtend vor der Klasse steht. Gibt es denn noch andere Situationen im Leben als Lehrkraft, wo es stark darauf ankommt, wie ich spreche?

Beim Elterngespräch zum Beispiel. Besonders, wenn man da so ein Exemplar „arroganter Anwaltspapa“ vor sich hat. Solche Situationen übe ich in meinen Fortbildungen und Coachings u.a. in Form von Rollenspielen. Es fängt es schon damit an, wie Du auf dem Stuhl sitzt. Lehn Dich an, das wirkt souveräner - es ist ja Dein Raum hier! Wenn ein unangemessener Satz vom Gegenüber kommt, ist es ganz wichtig, sich eine Pause zu nehmen: Sammel Dich. Bleib im Blickkontakt. Sprich ruhig und langsam. Und reagiere vielleicht mit einem Satz, den Du vorher für Dich für solche Situationen eingeübt hast und der zu Dir als Person passt. Zum Beispiel: „So dürfen Sie mit mir nicht reden.“

Wir alle haben nicht viel Ahnung, wie wir eigentlich wirken und bräuchten ab und an ein gutes Feedback. Aber wo bekommen wir das schon? Ehrlich und wertschätzend? Und, sehr wichtig: ein sehr konkretes Feedback, mit klaren Angaben, was wie wirkt und was eine andere, bessere Möglichkeit sein könnte. Eine entsprechende Fortbildung oder auch ein Einzelcoaching sind da sehr nützlich und können den Arbeitsalltag erheblich erleichtern.



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