Es ist November und ein eher ungewöhnliches Bild in einem Kindergarten bietet sich: eine Gruppe von Vätern sitzt auf kleinen Kinderstühlen. Schere und Kleber in der Hand, Formen anreißen, zuschneiden. Laternen sollen es werden für den alljährlichen Laternenumzug. Nicht jeder ist anfangs glücklich über diesen ungewöhnlichen Kindergartenevent.
Zuvor gab es interessante Gespräche daheim: Wieso verlangt der Kindergarten, dass die Väter Laternen basteln? Dafür eher aus der Firma kommen und überhaupt, ist das nicht eigentlich Sache der Mütter?
Ein Beispiel aus einem Change Management Prozess in einer Kindertagesstätte, das klar zeigt: Selbstverständlich ist noch wenig.
Muss uns das interessieren?
Wie sieht das in unseren Schulen aus? Ist bei uns alles schon bestens? Muss uns das interessieren? Gleichberechtigung, Frauentag: Begriffe, denen oft Polarisierungen statt konstruktiver Diskussionen folgen.
Und doch kennen wir auch diese Situationen: Männliche Kollegen, die Frauen empfehlen, besser keine Stunden zu erhöhen, sie mögen sich doch mehr um die eigenen Kinder kümmern, dies wäre doch ihre wichtigere Aufgabe. Frauen, die anderen Frauen mitteilen, dass man sich ganz sicher entscheiden müsse, entweder Karriere oder Kinder. Junglehrerinnen, die Angst haben Mutter und Lehrerin gleichermaßen zu sein - da nicht einmal ein Platz in der Kindertagesstätte gesichert ist, muss man sich wohl doch entscheiden?
Ein Beispiel ist das Thema Teilzeit
Gerade während der Corona Zeit haben wir viele Fakten durch das vielzitierte Brennglas gesehen. Legen wir dieses doch mal über die Situation der Frauen in unserem Beruf. Was wir dann erkennen, wurde oft beschrieben: Tradierte Rollenmuster bestimmen nach wie vor unser Leben, auch die Politik.
Ein Beispiel ist das Thema Teilzeit. Wird die Masse der Teilzeitanträge von Männern oder Frauen gestellt? Was glauben Sie? Ja, die Annahme ist richtig: Es sind Frauen, die Teilzeitanträge stellen. Sicherlich ist es schon ein Fortschritt, (oder auch schon Verzweiflung ob des Lehrermangels), dass der (männliche) Regierungsbeamte nachfragt: Warum stellen denn Sie den Teilzeitantrag? Hat ihr Mann keine Möglichkeit, in die Kinderbetreuung einzusteigen? Und ja, es ist schon ein Fortschritt, dass gerade bei Lehrkräften immer mehr Männer ebenso Elternzeitanträge stellen, seltener jedoch mehr als drei Monate.
Die Realität spiegelt klar wider, dass Frauen in der Regel die Arbeitszeit kürzen, um die Verantwortung für die Familie zu übernehmen. Strukturelle Defizite, wie fehlende Kinderbetreuungsplätze hemmen ebenso wie die fehlende gesellschaftliche Anerkennung für die Familienarbeit, die noch immer auch in der freien Wirtschaft nicht in dem Maße anerkannt wird, dass auch Väter, die beruflich in höheren Positionen tätig sind, familienbedingte Teilzeit nehmen (können).
Noch immer herrscht ein Ungleichgewicht
Gleiche Chancen müssten heißen, gerechte Möglichkeiten für alle Geschlechter zu schaffen. Klingt gut. Doch noch immer herrscht ein Ungleichgewicht. Chancengerechtigkeit sieht anders aus, auch wenn wir schon viel erreicht haben im Bildungsbereich, vielleicht mehr als in anderen Berufszweigen. Doch es ist trotzdem enorm wichtig zu zeigen, dass sich nach wie vor mehr Frauen um die Kinder und später um die Pflege von Angehörigen kümmern. Sorgearbeit wird noch immer überwiegend von Frauen geleistet. Gleichzeitig müssen sie darauf achten, im Berufsleben nicht zu kurz zu kommen und auch ihre eigene Altersvorsorge im Blick zu behalten. Auch letzteres ist vielen Frauen oft nicht bewusst: Es geht hier auch um Abhängigkeiten, die bereits früh manifestiert werden.
Damit hängt beispielsweise auch die Frage nach ehrenamtlichem Engagement von Frauen zusammen. Für den Elternbeirat reicht die Zeit grad noch, für den Vereinsvorsitz aber nicht mehr. Für die Kinderbetreuung zahlen, um im Ehrenamt tätig zu sein, ist dann eine der Entscheidungen, die sicherlich alle als unfair empfinden und eine der Antworten, warum so wenige Frauen im Ehrenamt in Führungspositionen sind. So ist es doch nur folgerichtig, dass in Kindergärten plötzlich Väter zum Kuchenbacken oder zum Laternenbasteln sozusagen verdonnert werden. Blickrichtung wechseln, Rollenbilder aufbrechen. Das gibt spannende Diskussionen - nötige Diskussionen. Ein wunderbares Beispiel für den Prozess des Change Managements. Ein guter Anfang, um vor Ort Muster zu durchbrechen.
Und wir im BLLV?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheint bei uns ganz gut gegeben zu sein. Viele Rahmenbedingungen haben wir erkämpft und verteidigen wir jeden Tag aufs Neue wieder, dank unserer starken Gemeinschaft von über 67.000 Kolleginnen und Kollegen im BLLV.
Enorme Belastung
Also doch alles in Butter in unseren Schulen? Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen in Führungspositionen: 65% Lehrerinnen, davon 49,8% in Führungspositionen – selbstverständlich noch mit Luft nach oben. Beschäftigte mit Familienpflichten in Fortbildungsveranstaltungen- das geht seit der Coronakrise nun wunderbar digital, kann die fortschreitende Digitalisierung wirklich gerade für Frauen eine echte Chance bedeuten, um Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren.
Zum einen liegt es an der enormen Belastung in unserem Beruf, an der Überlastung der seit Jahren zunehmenden Aufgaben. Das trifft Männer wie Frauen gleichermaßen. Mehr und mehr lösen das Kolleginnen, aber auch Kollegen, indem sie auf Geld verzichten und Teilzeitanträge stellen, damit sie mit weniger Unterrichtsverpflichtung überhaupt das Pensum schaffen. Gleichzeitig arbeiten sie jedoch Vollzeit, um der Arbeit als Lehrkraft, die eben deutlich mehr bedeutet, als „nur“ Unterricht zu halten, für die Schülerinnen und Schüler gerecht werden zu können. Diese Arbeit, die nicht formal im Stundenmaß integriert ist. Diese Arbeit, die so essentiell für unsere Schulen ist und sich in keiner Note für die Schülerinnen und Schüler, wohl aber in der Persönlichkeitsentwicklung niederschlägt. Wenn wir den Bildungsbegriff des BLLV, Herz. Kopf. Hand, zugrunde legen, ist doch offenbar, wie wertvoll gerade dieser Bereich ist.
Andererseits gilt es, die Familie unter diesen Hut bekommen zu können - das eigene Leben.
Diese kräftezehrende, belastende Kombination ist weder tragbar, noch haltbar, noch zielführend. Auf Dauer wird man so niemandem gerecht, auch nicht sich selbst. Deshalb machen wir uns im BLLV weiterhin mit aller Kraft dafür stark, verbesserte Arbeitsbedingungen zu erreichen: Selbstverständlich für alle Kolleginnen und Kollegen, aber eben auch immer besonders mit dem Fokus auf die besonderen Rahmenbedingungen für die Lehrerinnen!
Kein Frauenthema
Und nun? Ein Frauentag ohne Männer? Nein: Wer Frauenpolitik ohne Einbeziehung der Männer will, wird zwangsläufig scheitern. Um Gleichberechtigung tatsächlich zu erreichen, müssen Männer in großer Zahl begreifen, dass es eben kein Frauenthema ist, sondern ihre ganz eigenen Interessen betrifft und sich Wirtschaft und Bildung verändern müssen. Jeder muss begreifen, dass dies keine Modeerscheinung ist, sondern gesellschaftliches Ziel und Aufgabe zugleich sein muss.
Frauen können und müssen die Antreiber sein und Themen in Richtung Veränderung lenken, von welcher die gesamte Gesellschaft profitieren wird. Nun gibt es selbstverständlich eine Menge Frauen, warum verläuft das Change Management dennoch oft so langsam?
Ein bisschen Selbstkritik am Frauentag sei erlaubt.
Interessanterweise scheinen wir Frauen selbst einen Teil des Grunds darzustellen. Überprüfen wir doch mal unsere Reaktion beim Lesen der Überschrift „Internationaler Frauentag“ - was schwingt da mit, wenn ich das lese? Ist es Mut? Ist es genervt sein, erzeugt es ein innerliches Abwinken, sprich Resignation oder generiert es Stärke allein beim Lesen? Ist es ein weiteres Thema das anstrengt, in einer langen Liste des heutigen Tages? Sind es unsere eigenen Rollenbilder, denen wir irgendwo doch noch verhaftet sind? Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, Ungleichheiten abzuschaffen und dem Thema Gleichberechtigung offen und vielleicht auch mal anders zu begegnen. Männer und Frauen müssen sich hier im ureigensten Interesse Seite an Seite für Veränderungen einsetzen. Ja, es ist nicht angenehm Komfortzonen zu verlassen, alltägliche Aufgaben neu aufzuteilen und zu hinterfragen, ob die Arbeit des einen oder des anderen mehr wert ist. Aber nur wenn wir uns damit auseinandersetzen, sind wir auch in der Lage, der nächsten Generation etwas anderes vorzuleben. Erst dann wird es selbstverständlich sein, Ungleichheiten abzuschaffen und Gleichberechtigung zu leben. Eine Menge mutiger Vorreiterinnen und auch Vorreiter hat uns den Weg bis hierher in vielerlei Hinsicht gehbarer gemacht. Die Geschichte auch unserer BLLV-Kolleginnen, die das zweite L in den bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband brachten, kann uns stolz machen und sollte uns auch stolz machen. Die Geschichte des Internationalen Frauentags sollte Anlass sein, innezuhalten, kritisch zu reflektieren und stolz zu sein. Vielleicht sich auch mal bewusst zu machen, dass jede und jeder von uns hier etwas verändern kann.
Wir als BLLV haben sehr viele Rahmenbedingungen, die für Lehrerinnen im Bildungsbereich möglich sind, erkämpft und verteidigen diese auch täglich, gerade im Hinblick auf den eklatanten Lehrermangel im Grund-, Mittel- und Förderschulbereich. Der Schutz der Familie und die Gleichstellung sind ein hohes Gut, welches es zu verteidigen gilt. Dafür machen wir uns stark, dafür setzen wir uns als BLLV ein und unterstützen mit unserer Politik die Kolleginnen und Kollegen. Der BLLV und seine Personalräte stehen dafür stark an Ihrer Seite.
// Sandra Schäfer, BLLV-Frauenbeauftragte und NLLV-Vorsitzende