Ein Drittel aller bayerischen Familien kennt kein Vorlesen von Gute-Nacht-Geschichten mehr. Das stellt der bayerische Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes anlässlich des Weltgeschichtentags am 20. März fest. Hauptgründe: Eltern haben immer weniger Zeit und oft übernehmen Videoplattformen wie Youtube auf Handy, Tablet oder Internet die Aufgabe.
Damit entgeht den Kindern aber etwas ganz Entscheidendes, erläutert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann auf BR24: „Es geht um uneingeschränkte, menschliche Aufmerksamkeit, es geht um Wertschätzung, dass ich mir jetzt als Mama oder Papa nur für dich alleine Zeit nehme. Da läuft nicht der Fernseher nebenbei, da läuft nicht das iPad. Die Mama oder der Papa ist als ganzer Mensch voller Aufmerksamkeit und Wertschätzung für mich da. Das ist durch nichts zu ersetzen.“
Ruhe, Nachdenken, Kreativität
Das Vorbild des Vorlesens und Erzählens durch die Eltern begünstigt die soziale, emotionale und intellektuelle Entwicklung schon im frühkindlichen Alter. Das Ritual der Gute-Nacht-Geschichte ist damit eine wunderbare Möglichkeit, ganzheitliche Bildung, die Herz, Kopf und Hand anspricht, gemeinsam zu erleben.
Fürs Kind heißt das laut Fleischmann: „Ich lerne nicht nur, dass ich selber lesen kann, sondern was Lesen bedeutet: Ruhe, Nachdenken, Stille, Kreativität. Man kann sich fokussieren und das wirkt sich zu hundert Prozent einerseits auf die Lesefähigkeit der Kinder aus, andererseits auf die Konzentrationsfähigkeit.“
Zeit füreinander bildet und beglückt
Wegen solch positiver Wirkungen hat der BLLV seine kommende Landesdelegiertenversammlung Ende Mai auch unter ein Motto gestellt, das auf Johann Heinrich Pestalozzi als Schöpfer des ganzheitlichen Bildungsbegriffs zurückgeht: „Herz. Kopf. Hand. Bildung ist Zeit für Menschen“. Denn die Dominanz digitaler Medien und virtueller Erfahrungen geht nicht nur beim Verlust des Rituals der Gute-Nacht-Geschichte oft zulasten dessen, was jungen Menschen nährt, bildet und fördert wie nichts anderes: eine wahrhaftige und bedeutsame Bindung zu Bezugspersonen, die sich Zeit für sie nehmen, sie als ganze Menschen in ihrer Individualität wahrnehmen und annehmen.
Das ist nicht nur die beste Voraussetzung für Bildung, betont Simone Fleischmann, denn Vorlesen „wirkt sich auch noch aufs Glück der Kinder aus. Es ist einfach ein glücklicherer Mensch, der merkt, mein Papa, meine Mama lassen keinen Moment für mich aus, immer bin ich wichtig, jeden Tag."
Es ist also keineswegs Zufall, dass der 20. März nicht nur Weltgeschichtentag ist, sondern auch Weltglückstag: Wer Zeit findet Kindern vorzulesen, macht jeden Tag zum Glückstag.
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