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Rechtskolumne Rechtskolumne

Vom Fehler, Gesicht zu zeigen

Eine Grundschülerin weigert sich als einzige in ihrer Klasse, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Als die Lehrerin die Eltern zur Rede stellt, verweisen die auf die allgemeinen Persönlichkeitsrechte ihres Kindes. Nach der geltenden Rechtslage haben sie gute Aussichten, damit durchzukommen.

Der Fall*

Mia** ist Schülerin einer 3. Grundschulklasse. In einem Elternbrief wurden die Erziehungsberechtigten über den für die Schule entwickelten Hygieneplan informiert. Der beinhaltet unter anderem die geltenden Abstandsregelungen sowie die Aufforderung, im Schulhaus eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Im Unterricht dürfen Kinder auf ihrem fest zugewiesenen Platz die Maske abnehmen. Alle Schülerinnen und Schüler der Klasse halten sich an die Aufforderung und tragen im Schulhaus eine Maske. Nur Mia kommt am zweiten Schultag nach den Pfingstferien ohne Mund-Nasen-Bedeckung in die Schule. Als die Lehrkraft Mia auffordert, ihre Maske aufzusetzen, entgegnet das Mädchen, dass ihre Eltern der Meinung seien, die Masken würden ohnehin nichts nützen, sie hätten ihr das Tragen untersagt.

Die Reaktion

Die Lehrerin wendet sich empört an die Schulleiterin. Diese kontaktiert die Eltern und verweist auf den Hygieneplan. Die Eltern bestehen darauf, ihre Tochter weiterhin ohne Maske in die Schule zu schicken und berufen sich auf die individuelle Freiheit und die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen.

Rechtliche Grundlagen

KMS vom 23. April 2020 (Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) – COVID-19: „Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Schulen ist grundsätzlich nicht erforderlich. In Situationen, in denen es nicht möglich ist, den Abstand von mindestens 1,5 Meter einzuhalten, kann (etwa im Bereich bestimmter sonderpädagogischer Förderschwerpunkte) das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen zur Infektionsprävention wirksam sein.“

Diese Formulierungen decken sich mit der gesetzlichen Grundlage der Maskenpflicht, der Fünften Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (5. BayIfSMV) vom 29. Mai 2020. Hierin ist in § 1 Abs. 2 Folgendes geregelt: „Soweit in dieser Verordnung die Verpflichtung vorgesehen ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, …” Diese Formulierung bedeutet, dass eine gesetzliche Maskenpflicht nur in den Fällen besteht, die in der Verordnung geregelt sind.

Aus der Tatsache, dass die Schulen in dieser Verordnung nicht erwähnt sind, folgt, dass die Maskenpflicht in Schulen nicht gilt. Der Grund: Die Anordnung einer Maskenpflicht würde einen Eingriff in Grundrechte darstellen. Ein solcher Eingriff ist nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage, wie etwa der Verordnung, möglich. Das Fehlen einer solchen Verordnung hat jedenfalls zur Konsequenz, dass die Verpflichtung, in der Schule eine Maske zu tragen, einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde.

Die konkrete Umsetzung

Aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlage einer Maskenpflicht besteht wenig Handlungsspielraum, wenn ein Kind sich weigert, eine Maske zu tragen. Bei einem Verstoß gegen dieses Gebot besteht nach Auffassung des KM lediglich die Möglichkeit, von Erziehungsmaßnahmen gem. Art. 86 Abs. 1 Satz 1 BayEUG Gebrauch zu machen.

Der Schülerin oder dem Schüler soll erklärt beziehungsweise bewusst gemacht werden, dass eine Mund-Nase-Bedeckung nicht primär zum Eigenschutz gedacht ist, sondern zum Schutz anderer, und dass es deswegen gerade darauf ankommt, dass alle, die sich in einer Räumlichkeit oder im Schulhof bewegen, einen solchen Schutz tragen. Ein Nichtbeachten des Maskengebots könne Mitschüler, Lehrkräfte und den jeweiligen familiären Umkreises gefährden und unter Umständen dazu führen, dass erneut verschärfte Infektionsschutzmaßnahmen gegenüber der Schulgemeinschaft und Angehörigen angeordnet werden.

Ordnungsmaßnahmen gegen die Schülerin oder ihre Eltern zu verhängen, ist laut KM nach Art. 86 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BayEUG nicht möglich, da auf diesem Wege faktisch eine Maskenpflicht an Schulen eingeführt werden würde. Eine solche Maskenpflicht müsste – auch aufgrund der Auswirkungen auf die Grundrechte der Schülerinnen und Schüler – durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erfolgen, wie dies unter anderem bereits durch § 8 4. BayIfSMV für den Bereich des ÖPNV und für die Schülerbeförderung im freigestellten Schülerverkehr erfolgte. // Bernd Wahl, Leiter der Rechtsabteilung des BLLV

*Die Fallschilderung ist angelehnt an eine wahre Begebenheit **Name geändert; die abgebildete Schülerin ist nicht die Person aus diesem Fall

Die Rechtskolumne erschien in der bayerischen schule #5/2020.