Was würden Sie sich denn jetzt seitens der Politik wünschen?
Jetzt gerade im Moment will ich von der Staatsregierung einfach nur das Eingeständnis, dass kein Regelbetrieb herrscht. Das würde uns als Lehrerinnen und Lehrern den Druck gegenüber den Eltern nehmen, die denken, dass sie Anspruch auf normalen Unterricht haben. Eltern gehen von einem Regelbetrieb aus, aber in der Realität der Schulen herrscht Notbetrieb. Ich habe keine Lehrkraft mehr in Reserve - das geht mindestens 70 bis 80 Prozent der Schulen in Bayern so. Gleichzeitig kommen jetzt Herbst und Winter - die normale Grippe- und Erkältungssaison beginnt. Natürlich werden Lehrkräfte krank werden und ausfallen. Vor Corona konnten wir die Klassen dann einfach auf andere Klassen verteilen - geht jetzt wegen Corona-Vorgaben nicht mehr. Was dann? Ganz zu schweigen von Corona-Fällen an der Schule und dem Quarantäne-Prozedere, die auf uns zukommen werden.
Die Regelungen des Kultusministeriums sehen jetzt vor, dass, sollte Distanzunterricht wieder nötig sein, dieser verpflichtend sein soll - im Gegensatz zu den Zeiten des Lockdowns, wo das noch nicht so geregelt war. Wie schätzen Sie das ein?
In der Theorie ist das gut, in der Praxis sehe ich das nur schlecht umsetzbar. Viele unserer Kinder haben zum Beispiel keine Endgeräte.
Haben Sie denn keine bekommen?
Doch, 16 Stück – wir haben fast 400 Schülerinnen und Schüler. Die Laptops reichen natürlich nicht bei Weitem. Mit der derzeitigen Ausstattung an Endgeräten dürfen an meiner Schule maximal zwei Klassen in Quarantäne gehen, mehr nicht. Traurigerweise darf ich die noch gar nicht rausgeben, weil ich auf die Leihverträge der Kommune warte. Ohne die werde ich die Laptops nicht verleihen.
Endgeräte sind die eine Sache. Aber man muss ja auch mit den Endgeräten umgehen können, entsprechende Software installieren und bedienen können. Wie bereiten Sie Ihre Schule darauf vor?
Meine Lehrkräfte haben sich in den Sommerferien in Microsoft Teams und die Schulcloud eingearbeitet. Seit dem Start ins neue Schuljahr üben wir mit den Kindern ein, wie sie diese Tools bedienen sollen im Falle von Distanzunterricht. Sie sollen alle Kommunikationswege beherrschen, mit denen wir mit ihnen in Kontakt treten wollen.
Ich möchte mit Ihnen einen Blick zurückwerfen auf die Zeit des Lockdowns. Wie gut hat denn der Unterricht auf Distanz funktioniert?
Es hing davon ab, wie selbstständig die Kinder schon vor dem Lockdown gelernt haben und welche Unterstützung und Ausstattung mit digitalen Endgeräten auch von zuhause gegeben war. Wir haben ja auch Schüler, die aus prekären Verhältnissen kommen, die sind total zurückgefallen. Manche Schüler hat man ja auch gar nicht erreicht. Bei einem Schüler ist jede Kontaktaufnahme fehlgeschlagen seitens der Lehrer. Da haben wir dann einen Jugendsozialarbeiter vorbei geschickt. Aber auch der stand vor verschlossenen Türen. Dieses Kind haben wir erst wieder nach dem Lockdown gesehen. Kein gutes Gefühl für uns Lehrer.