Mit der Einführung des Arbeitszeitkontos 2020 hatten sich viele Lehrerinnen und Lehrer an den BLLV gewandt und um Unterstützung gegen die Verordnung gebeten. Petra Falter, seit über 30 Jahren Lehrerin und seit 2017 Rektorin an zwei Grundschulen, wehrte sich mit einer Klage gegen den Freistaat Bayern. Stellvertretend für alle Betroffenen unterstützte der BLLV Petra Falter bei ihrer Klage, die jetzt nach langer Wartezeit vor dem Verwaltungsgericht weitestgehend in ihrem Sinne und im Sinne des BLLV entschieden wurde.
Lehrkräftebedarf falsch berechnet
Die Kritik der Lehrkräfte in Bayern und des unterstützenden BLLV an der entsprechenden Verordnung war umfassend. Dass das Gericht viele der Bedenken des BLLV teilte, zeigte sich schon am 10. Juli 2024, als das Gericht die weitere Verhandlung vertagte und dem Freistaat einige Hausaufgaben mitgab für den heutigen Termin, bei dem jetzt auch das Urteil gefällt wurde.
Zum einen war nach Ansicht des BLLV die zugrundeliegende Datenbasis falsch, da das Kultusministerium den Lehrkräftebedarf in den Jahren vor 2020 systematisch um 25-35 Prozent zu hoch angesetzt hatte. Eine derartige Maßnahme war damit aus Sicht der Kläger nicht gerechtfertigt, insbesondere zu dem spezifischen Zeitpunkt, an dem die Verordnung in Kraft trat. Außerdem waren die Lehrkräfte an den bayerischen Schulen damals wegen der Corona-Pandemie ohnehin schon deutlich überlastet. Auch die extrem lange Laufzeit des Modells war ein Kritikpunkt, dem das Gericht zumindest teilweise folgte, da die Notwendigkeit unklar war und die Belastung für die Lehrkräfte dadurch enorm ist.
Gericht kritisiert die Verschiebetaktik an die Mittelschulen
Die Lehrerbedarfsprognose des Kultusministeriums zeigte schon damals deutlich, dass es andere Schularten gibt, die ganz besonders stark und lang anhaltend unter dem Lehrkräftemangel leiden werden, nämlich die Mittel- und Förderschulen. Die entsprechende Lehrerbedarfsprognose prognostizierte für die Jahre 2021 bis 2025 das Fehlen von rund 1.400 Vollzeitkapazitäten an diesen Schularten. Das Kultusministerium sprach dabei die Möglichkeit, fehlende Lehrkräfte von Grundschulen an Mittelschulen abzuordnen, sogar selbst in seiner Lehrerbedarfsprognose an.
Grund-, Mittel- und Förderschullehrkräfte sind aber in der Lehrkräftebildung, der Klassenbildung und auch im Haushalt getrennt erfasst. Eine Vermischung dieser Lehrämter ist seit den 80er Jahren nicht mehr vorgesehen. Das sah auch das Gericht so. „Die Grundschullehrkräfte können doch nicht mehr arbeiten, um den Mangel an Mittel- und Förderschulen auszugleichen. Wir sind sehr froh, dass das Gericht klar gegen diese ‘Verschiebetaktik‘ entschieden hat. Dieser Fehleinsatz wird den Kindern mit ihren speziellen Bedürfnissen nicht gerecht und senkt die Attraktivität des Lehrberufs noch zusätzlich zu vielen anderen Herausforderungen“, so der 1. Vizepräsident des BLLV, Gerd Nitschke. Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV: „Das Ziel muss sein, die grundlegenden Probleme in der Lehrkräftebildung und in der Attraktivität des Berufs anzugehen. Das wird sicher nichts, wenn ich Grundschullehramt studiere und dann an einer anderen Schule unterrichten muss, wo ich mich den Herausforderungen vielleicht gar nicht gewachsen fühle. Deshalb ist das heutige Urteil in jeder Hinsicht zu begrüßen.“
BLLV kämpft für Lehrerinnen und Lehrer
Wie es jetzt weitergeht und wie eine Rückabwicklung des Arbeitszeitkontos funktionieren kann, muss jetzt am Verhandlungstisch entschieden werden. Simone Fleischmann: „Das Ergebnis ist ein starkes Signal für die Lehrkräfte und die gesamte Öffentlichkeit. Wir sind im Recht und entsprechend werden wir jetzt auch verhandeln. Natürlich geben jetzt nicht morgen alle Lehrerinnen und Lehrer ihre Stunden zurück und lassen den Stift fallen. Wir kennen unsere Verantwortung und werden diese erfüllen. Wir werden lösungsorientiert aber auch hart für eine faire Umsetzung kämpfen und stehen natürlich für Verhandlungen bereit.“
„Die Belastung von Grundschullehrkräften ist über viele Jahre kontinuierlich gestiegen. Das Arbeitszeitkonto war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Vor allem müssen wir dabei auch die Laufzeit dieser Maßnahme berücksichtigen, die für die Betroffenen sehr weit in die Zukunft reicht – und das, aufgrund einer unklaren Datenlage“, sagt Petra Falter und ergänzt: „Diese lange Wartezeit, bis das Thema jetzt vor Gericht verhandelt wurde war auch deshalb eine große Belastung und es wurde jetzt wirklich Zeit das Thema zu beschließen.“
Die Argumente gegen das verpflichtende Arbeitszeitkonto für Lehrkräfte an bayerischen Grundschulen können Sie >>HIER nachlesen (pdf).
Zur Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zum Urteil vom 12.11.2024 gelangen Sie >>HIER