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Die Klage des BLLV zum Arbeitszeitkonto für Lehrkräfte Startseite Topmeldung
Arbeitszeitkonto Arbeitsbelastung

Das Verwaltungsgericht stellt sich hinter die Lehrerinnen und Lehrer

München – Im Frühjahr 2020 gab der damalige Bayerische Kultusminister Michael Piazolo die Einführung eines Arbeitszeitkontos als Notmaßnahme gegen den Lehrkräftemangel bekannt – gegen die handfesten Bedenken und den großen Widerstand des BLLV. Die entsprechende Verordnung dazu wurde zum Schuljahresbeginn 2020 erlassen. Grundschullehrkräfte bis zum Alter von 56 Jahren wurden verpflichtet, für die Dauer von fünf Jahren eine Unterrichtsstunde mehr pro Woche zu leisten – zuzüglich der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Erst nach einer anschließenden Wartezeit von drei Jahren beginnt eine fünfjährige Ausgleichsphase, in der eine Unterrichtsstunde weniger zu halten ist. Eine Grundschullehrerin klagte mit der Unterstützung des BLLV gegen das Arbeitszeitkonto – erfolgreich, wie sich heute mehr als vier Jahre später zeigte.

Mit der Einführung des Arbeitszeitkontos 2020 hatten sich viele Lehrerinnen und Lehrer an den BLLV gewandt und um Unterstützung gegen die Verordnung gebeten. Petra Falter, seit über 30 Jahren Lehrerin und seit 2017 Rektorin an zwei Grundschulen, wehrte sich mit einer Klage gegen den Freistaat Bayern. Stellvertretend für alle Betroffenen unterstützte der BLLV Petra Falter bei ihrer Klage, die jetzt nach langer Wartezeit vor dem Verwaltungsgericht weitestgehend in ihrem Sinne und im Sinne des BLLV entschieden wurde.

Lehrkräftebedarf falsch berechnet

Die Kritik der Lehrkräfte in Bayern und des unterstützenden BLLV an der entsprechenden Verordnung war umfassend. Dass das Gericht viele der Bedenken des BLLV teilte, zeigte sich schon am 10. Juli 2024, als das Gericht die weitere Verhandlung vertagte und dem Freistaat einige Hausaufgaben mitgab für den heutigen Termin, bei dem jetzt auch das Urteil gefällt wurde.

Zum einen war nach Ansicht des BLLV die zugrundeliegende Datenbasis falsch, da das Kultusministerium den Lehrkräftebedarf in den Jahren vor 2020 systematisch um 25-35 Prozent zu hoch angesetzt hatte. Eine derartige Maßnahme war damit aus Sicht der Kläger nicht gerechtfertigt, insbesondere zu dem spezifischen Zeitpunkt, an dem die Verordnung in Kraft trat. Außerdem waren die Lehrkräfte an den bayerischen Schulen damals wegen der Corona-Pandemie ohnehin schon deutlich überlastet. Auch die extrem lange Laufzeit des Modells war ein Kritikpunkt, dem das Gericht zumindest teilweise folgte, da die Notwendigkeit unklar war und die Belastung für die Lehrkräfte dadurch enorm ist.

Gericht kritisiert die Verschiebetaktik an die Mittelschulen

Die Lehrerbedarfsprognose des Kultusministeriums zeigte schon damals deutlich, dass es andere Schularten gibt, die ganz besonders stark und lang anhaltend unter dem Lehrkräftemangel leiden werden, nämlich die Mittel- und Förderschulen. Die entsprechende Lehrerbedarfsprognose prognostizierte für die Jahre 2021 bis 2025 das Fehlen von rund 1.400 Vollzeitkapazitäten an diesen Schularten. Das Kultusministerium sprach dabei die Möglichkeit, fehlende Lehrkräfte von Grundschulen an Mittelschulen abzuordnen, sogar selbst in seiner Lehrerbedarfsprognose an.

Grund-, Mittel- und Förderschullehrkräfte sind aber in der Lehrkräftebildung, der Klassenbildung und auch im Haushalt getrennt erfasst. Eine Vermischung dieser Lehrämter ist seit den 80er Jahren nicht mehr vorgesehen. Das sah auch das Gericht so. „Die Grundschullehrkräfte können doch nicht mehr arbeiten, um den Mangel an Mittel- und Förderschulen auszugleichen. Wir sind sehr froh, dass das Gericht klar gegen diese ‘Verschiebetaktik‘ entschieden hat. Dieser Fehleinsatz wird den Kindern mit ihren speziellen Bedürfnissen nicht gerecht und senkt die Attraktivität des Lehrberufs noch zusätzlich zu vielen anderen Herausforderungen“, so der 1. Vizepräsident des BLLV, Gerd Nitschke. Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV: „Das Ziel muss sein, die grundlegenden Probleme in der Lehrkräftebildung und in der Attraktivität des Berufs anzugehen. Das wird sicher nichts, wenn ich Grundschullehramt studiere und dann an einer anderen Schule unterrichten muss, wo ich mich den Herausforderungen vielleicht gar nicht gewachsen fühle. Deshalb ist das heutige Urteil in jeder Hinsicht zu begrüßen.“

BLLV kämpft für Lehrerinnen und Lehrer

Wie es jetzt weitergeht und wie eine Rückabwicklung des Arbeitszeitkontos funktionieren kann, muss jetzt am Verhandlungstisch entschieden werden. Simone Fleischmann: „Das Ergebnis ist ein starkes Signal für die Lehrkräfte und die gesamte Öffentlichkeit. Wir sind im Recht und entsprechend werden wir jetzt auch verhandeln. Natürlich geben jetzt nicht morgen alle Lehrerinnen und Lehrer ihre Stunden zurück und lassen den Stift fallen. Wir kennen unsere Verantwortung und werden diese erfüllen. Wir werden lösungsorientiert aber auch hart für eine faire Umsetzung kämpfen und stehen natürlich für Verhandlungen bereit.“

„Die Belastung von Grundschullehrkräften ist über viele Jahre kontinuierlich gestiegen. Das Arbeitszeitkonto war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Vor allem müssen wir dabei auch die Laufzeit dieser Maßnahme berücksichtigen, die für die Betroffenen sehr weit in die Zukunft reicht – und das, aufgrund einer unklaren Datenlage“, sagt Petra Falter und ergänzt: „Diese lange Wartezeit, bis das Thema jetzt vor Gericht verhandelt wurde war auch deshalb eine große Belastung und es wurde jetzt wirklich Zeit das Thema zu beschließen.“

Die Argumente gegen das verpflichtende Arbeitszeitkonto für Lehrkräfte an bayerischen Grundschulen können Sie >>HIER nachlesen (pdf).

Zur Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zum Urteil vom 12.11.2024 gelangen Sie >>HIER
 

In den Medien


BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit dem Deutschlandfunk:

"Vom Gericht wurde als nichtig erklärt, dass die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen alle ab dem Zeitpunkt eine Stunde mehr unterrichten mussten – übrigens mit Vor und Nachbereitung. Denn es ist eben viel mehr als nur die eine Stunde vor der Klasse. Und die Kolleginnen an der Grundschule unterrichten ohnehin schon mehr als an allen anderen Schularten. Das bedeutet, dass der Freistaat Bayern Maßnahmen gesetzt hat, die nicht rechtens waren. Es kann doch wohl nicht wahr sein, wie der Freistaat hier mit den Grundschullehrerinnen umgegangen ist!"

"Wir werden jetzt natürlich nicht ab heute – denn das könnten alle Kolleginnen und Kollegen theoretisch – sofort eine Stunde weniger arbeiten, weil dieses Urteil sofort umzusetzen ist. Das würde aber bedeuten, dass dann allen Kindern Unterrichtsstunden fehlen. Dann würden ja auf einen Schlag gleich wieder etwa 1.000 Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer fehlen. Das macht natürlich niemand."

"Im ersten Schritt geht es darum, den Kolleginnen und Kollegen, die unverhältnismäßig in die Pflicht genommen wurden, entgegenzukommen und das zurückzugeben. Individuell finanziell oder über Stunden. Dazu muss der Freistaat Bayern jetzt Modelle auflegen. Der Freistaat Bayern hat einen Fehler gemacht, und muss jetzt den Kolleginnen und Kollegen entgegenkommen."

"Übrigens werden wir auch alle weiteren zweifelhaften dienstrechtlichen Maßnahmen aus diesem Piazolo-Paket diskutieren. Denn dabei geht es um die Attraktivität dieses Berufs. Es ist in der jetzigen Zeit sehr wichtig, dass Kolleginnen und Kollegen in allen Schularten beste Arbeitsbedingungen bekommen. In der Haushaltsdebatte, die aktuell im Freistaat Bayern läuft, geht es ja auch darum: Welche Stellen werden gehoben, wie werden unterschiedliche Kolleginnen und Kollegen befördert? Was muss gemacht werden, damit diese gleiche Besoldung mit A13 für alle jetzt fortgesetzt wird? Der Freitstaat befindet sich dabei in einer harten finanziellen Lage. Trotzdem muss man sehen, dass es um die Bildung der Kinder geht und dass alle Lehrerinnen und Lehrer im Schulsystem einen attraktiven Arbeitsplatz haben, damit in der Zukunft gerade im Bereich der Förderschulen und Mittelschulen junge Menschen sagen: 'Das ist ein attraktiver Beruf, ich will den lernen, ich will das studieren!' Denn darum geht es doch: Es geht um die Bildung der Kinder. Da muss der Freistaat Bayern klare Prioritäten setzen. Wir brauchen genug professionelles Personal. Wenn der Freistaat Bayern stattdessen etwas Unfaires macht, durch das die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden, dann geht das nicht. Wir brauchen eine Steigerung der Attraktivität! Ich kämpfe dafür, dass wir Bildung bestens aufsetzen mit besten Lehrern!"
 


Zahlreiche Medien zitieren das BLLV-Präsidium:

Simone Fleischmann:
"Wir werden lösungsorientiert aber auch hart für eine faire Umsetzung kämpfen.Natürlich geben jetzt nicht morgen alle Lehrerinnen und Lehrer ihre Stunden zurück und lassen den Stift fallen. Wir kennen unsere Verantwortung und werden diese erfüllen."

Gerd Nitschke: "Die Grundschullehrkräfte können doch nicht mehr arbeiten, um den Mangel an Mittel- und Förderschulen auszugleichen. Wir sind sehr froh, dass das Gericht klar gegen diese ‘Verschiebetaktik‘ entschieden hat."
 





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