Denkfallen entlarven, neue Lebensfreude finden
Jeder Mensch trägt sie in sich: Unbewusste Denk- und Verhaltensmuster, die uns helfen, den Alltag zu bewältigen, ohne dass wir über jede Situation lange nachdenken müssen. Doch diese Automatismen können auch ein Fluch sein.
„Unsere Gedanken wirken auf unseren Körper. Wenn wir denken ‚Oh Gott, gleich wird die Situation aber wirklich gefährlich‘, habe ich bereits einen Schweißausbruch bekommen, mein Herz klopft, der Atem wird flacher“, erklärt Barbara Welzien-Schiemann*, Psychotherapeutin und Seminarleiterin bei der BLLV-Akademie. Ob die Situation wirklich so kritisch ist, können wir in diesem Moment nicht beurteilen, weil unsere unbewussten Reflexe längst entschieden haben, wie der Körper darauf zu reagieren hat. Jeder von uns besitzt ein solches tief im Gehirn verankertes Bewertungssystem mit den damit verbundenen biografisch erworbenen Denk- und Verhaltensmustern.
Aus dem persönlichen Gedankengefängnis ausbrechen
In den vergangenen Jahren konnten Wissenschaftler belegen, dass Gedanken unseren Organismus in einen Stresszustand versetzen können. Umgekehrt kann auch die Körperhaltung aber auch der achtsame Umgang mit dem Körpers die Stimmung beeinflussen.
„In den Gedanken stecken Bewertungen, die auf unseren Körper und das was wir spüren, wirken. Durch Achtsamkeitstraining kann ich diese Bewertungen wahrnehmen und erkennen, dass sich bei ihnen nicht um unumstößliche Wahrheiten handelt, die in der Folge negative Gefühle oder körperliche Stressreaktionen auslösen. Mit geübter Achtsamkeit kommt man der Selbstbeteiligung an diesen als Realität akzeptierten Bewertungen auf die Schliche. Und die ist veränderbar“, erläutert die frühere Realschullehrerin. So können wir lernen, auf unsere Gedanken und Gefühle Einfluss zu nehmen und destruktive Gedankenketten zu durchbrechen.
Mit Achtsamkeit zur mehr Lebensfreude
Das Konzept der Achtsamkeit zielt also darauf ab, in Distanz zu sich selbst zu treten und ohne zu bewerten zu beobachten, was man wahrnimmt, wie man darüber denkt, was man fühlt und was mit dem Körper dabei passiert. Das hilft nicht nur, sich neue Strategien bei der Stressbewältigung anzueignen. Wer regelmäßig übt sich selbst wahrzunehmen und sich von alten Bewertungen befreit, schafft Raum in sich und gewinnt an Lebensqualität. „Ich fühle anders, rieche anders. Die Sinne werden wacher und ich sehe was schön ist, ein positiver Kreislauf beginnt“, sagt Welzien-Schiemann. Das erfordert aber regelmäßiges Achtsamkeitstraining. „Ohne zu üben, kann ich keine neuen Bahnen im Gehirn schaffen und damit andere Muster verankern.“
*Barbara Welzien-Schiemann ist Realschullehrerin und hat sich später zur Psychotherapeutin weitergebildet. Sie unterhält eine eigene Praxis in München.