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So vermeidet man Disziplinstörungen Service

Störungsarmer Unterricht: Die ersten Minuten entscheiden

Lehrkräfte können einiges für gelungenen Unterricht tun. Die Rhythmisierung der Stunde ist wichtig, ebenso auf Störungen angemessen zu reagieren. Iris Christina Steinmeier*, Dozentin bei der BLLV-Akademie, erklärt, worauf es ankommt.

Disziplinstörungen sind völlig normal. Dennoch bereitet der Umgang mit ihnen Lehrkräften Probleme. Woran liegt das?

Iris Christina Steinmeier: Wenn eine Lehrkraft durch eine Störung unterbrochen wird, muss sie unmittelbar aus dem Moment heraus sehr flexibel und individuell reagieren. Dafür gibt es keine Vorbereitung. Man kann sich jedoch im Lauf der Jahre ein Handlungsrepertoire zulegen, das einen dann souverän auftreten lässt.

Schon die allererste Stunde im neuen Schuljahr ist wichtig. Wie kann sie zu einem störungsarmen Unterricht beitragen?

Iris Christina Steinmeier: Indem man von Anfang an sehr klar auftritt. Die Art und Weise, wie ein Lehrer erscheint, macht sehr viel aus, und wie man die ersten fünf Minuten gestaltet. Man sollte gleich zu Beginn die wichtigsten Verhaltensregeln offen legen, dann mit dem Unterricht und den damit verbundenen Schüleraktivitäten beginnen. So kann das Einhalten der Regeln gleich ausprobiert und reflektiert werden. Hilfreich sind offene Lernformen und eigenständiges Arbeiten. Sie fordern Schüler deutlich stärker und binden sie stärker in den Unterricht ein. Das vermeidet Langeweile und viele Disziplinstörungen.

Regeln sind wichtig. Wie kommuniziere ich sie?


Iris Christina Steinmeier: Indem ich diese kurz und konkret anspreche. Bei einem Lehrerwechsel kann ich die Schüler beispielsweise nach ihren Vorerfahrungen fragen, dann ankündigen, was ich künftig anders machen möchte, und das sogleich ausprobieren. Im Rahmen eines demokratischen Führungsstils ist das gemeinsame Erarbeiten der Regeln wichtig. So thematisiert man die Werte, die Schülern und Lehrkraft im Umgang miteinander wichtig sind. Auf langatmigen Belehrungen würde ich verzichten, um die Schüler nicht zu verprellen. Meine Devise ist deshalb „Nicht mehr als drei!“ und lieber später weitere Regeln einführen.

So tritt erst gar keine Langeweile auf und Schüler haben keine Gelegenheit, sich abzulenken.

Iris Christina Steinmeier: Genau. Ich rhythmisiere den Unterricht kurzatmig mit Anspannungs- und Entspannungsphasen und viel Abwechslung. Die Schüler mache ich zum passenden Zeitpunkt mit notwendigen Regeln vertraut, etwa wenn wir in ein Thema vertieft einsteigen und die Schüler sich Lerninhalte im Rahmen einer eine Partner- oder Gruppenarbeiten aneignen sollen. Dann kann ich die entsprechenden Regeln erklären.

Wie gehe ich mit inakzeptablem Verhalten um? Sanktioniere ich dieses sofort oder reagiere ich besser stufenweise?

Iris Christina Steinmeier: Oft meinen Lehrkräfte, mit einer schnellen Sanktion sei die Sache von Tisch. Das kann im Einzelfall sinnvoll sein, passt aber nicht auf jede Situation. Entscheidend ist, ob ich die Ursache für das Verhalten des Schülers erfasst habe. Der personenzentrierte Ansatz aus der Psychotherapie geht davon aus, dass das Problem erst dann vom Tisch ist, wenn ich das Bedürfnis meines Gegenübers erforscht habe. Solange ich nicht verstanden habe, worum es dem Schüler wirklich geht, wird er immer wieder stören.

Zum anderen zeigt der personenzentrierte Ansatz Wege der Kommunikation auf, die jeder erlernen kann. Ich muss die störende Situation mit den Folgen, die für mich als Lehrkraft oder auch für die anderen Schüler entstehen, klar ansprechen, um dann gemeinsam Lösungen zu finden. Das bedeutet meine Bedürfnisse offenzulegen und mich selbst als Mensch erkennbar zu machen. Hierin liegt die größte Herausforderung. Schüler wünschen sich aber in meinen Augen, einem echten Menschen gegenüber zu stehen, sowie Klarheit und Orientierung.


*Iris Christina Steinmeier ist Fachlehrerein für Grund- und Hauptschule, Dozentin an der Akademie für Lehrerbildung in Dillingen, Kommunikationstrainerin und psychologische Beraterin.