Kommentar zum Blog-Beitrag „Der schwedische Sonderweg. Ein Leadership-Modell der Zukunft?“
Immer wieder wird in Deutschland auf den Sonderweg Schwedens im Umgang mit der Coronakrise hingewiesen. Anders als vielleicht von manchen Verschwörungstheoretikern verbreitet, nimmt Schweden die Bedrohung durch das Virus sehr wohl äußerst ernst. Das öffentliche und wirtschaftliche Leben in der skandinavischen Monarchie lag ebenso wie in Deutschland in den vergangenen beiden Monaten nahe zu still.
Doch anders als bei uns mussten dazu nicht zahlreiche Einschränkungen und Verbote durch die Regierung erfolgen. Vielmehr hielt sich die überwältigende Mehrheit der schwedischen Bürger aus Einsicht und Solidarität an Abstandsgebot und Social Distancing. Der große Unterschied besteht also weniger in der Wahrnehmung der Epidemie als in der Frage, wie weit eine aufgeklärte Gesellschaft aus Einsicht und Vernunft statt aufgrund von Verbot und Strafandrohung weitreichende und tiefgreifende Verhaltensänderungen hinzunehmen bereit ist.
Vertrauen und Respekt bilden
Daneben wurde auch von Kritikern des Unterrichts zu Hause, wie er in der Bundesrepublik praktiziert wurde, immer wieder auf das leuchtende Vorbild der skandinavischen Länder verwiesen. Ganz offensichtlich ist dort die Digitalisierung der Gesellschaft und damit auch die Digitalisierung von Schule und Unterricht wesentlich weiter fortgeschritten, so dass viele der bei uns aufgetretenen Probleme wie etwa fehlende Endgeräte bei den Schülerinnen und Schülern, unzureichende digitale Plattformen der Schulen und geringere Routine mit dem Einsatz digitaler Medien für den Unterricht dort deutlich weniger ins Gewicht fallen.
Damit eine Strategie, wie sie in Schweden praktiziert wurde, aufgehen kann, muss eine Gesellschaft anders ticken als unsere. Eine Gesellschaft, die stärker auf den Staat vertraut, und in der dieser Staat dieses Vertrauen auch durch Transparenz rechtfertigt; eine Gesellschaft, die stärker von Vertrauen als von Angst geprägt ist und die sich offen zeigt für Änderungen; eine Gesellschaft, in der das Gemeinwohl als ein hohes Gut gilt, von dem alle profitieren. Doch eine solche Mentalität kommt nicht über Nacht. Sie entwickelt sich über viele Jahrzehnte. Sie basiert nicht zuletzt auf der Art, wie man Schule macht und was man unter Bildung versteht. Dazu braucht es ein Bildungssystem, das auf Vertrauen in sich und andere abzielt und darauf aufbaut, auf Eigenverantwortung und Respekt statt auf Konkurrenz, Auslese und individuellen Vorteil.
Der Beitrag „Der schwedische Sonderweg“ gibt einen interessanten Einblick in eine uns fremde Mentalität und ihre Grundlagen.
<< Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV