Schulferien verlängert, Wechselunterricht in Hotspots: „Nichts ist mehr normal“
Kultusminister Piazolo kündigt früheren Beginn der Weihnachtsferien und Hybridunterricht für höhere Klassen in Hotspots an. BLLV-Präsidentin Fleischmann fordert, fehlende Normalität ehrlich zu benennen und Gesundheitsschutz als höchste Priorität.
Im Vorfeld der Beschlüsse, die Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch zum Umgang mit der Corona-Pandemie fasst, hat die bayerische Staatsregierung bereits Maßnahmen für die Schulen verkündet: Wie in Nordrhein-Westfalen werden die Weihnachtsferien früher beginnen, der letzte Schultag ist statt am 22. nun am 18. Dezember. Außerdem sei in „Hotspots“ ein Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht für höhere Jahrgänge mit der Ausnahme von Abschlussklassen geplant. Wie dabei ein Hotspot definiert sei und ob der Wechsel, wie von Kultusminister Piazolo bevorzugt, eher täglich als wöchentlich stattfinde, müssten Kanzlerin und Ministerpräsidenten dabei noch klären.
Von der Verlängerung der Ferien verspricht man sich dabei erhöhte Sicherheit für Weihnachtsfeiern im Kreis der Familie, dafür hielt Piazolo Schülerinnen und Schüler in einer Pressekonferenz dazu an, sich in den dazu gewonnenen Ferientagen Kontaktbeschränkungen aufzuerlegen. Um berufstätige Eltern zu unterstützen werde es an Schulen und Kitas Notbetreuung geben. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Lehrkräfte an diesen Tagen im Dienst seien.
Nichts ist mehr normal
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kommentierte den früheren Ferienbeginn im Gespräch mit dem Radiosender Antenne Bayern: „Der BLLV erwartet, dass dies auf einer profunden, professionellen virologischen Grundlage passiert.“ Lehrerinnen und Lehrer würden dies daher entsprechend umsetzen. Sie sieht die Entscheidung aber als weiteres Indiz für einen Notbetrieb an Schulen, den der BLLV seit Langem einzugestehen fordert: „Wir haben ohnehin schon reduzierte Lernzeiten, wir haben ein völlig anderes Schuljahr und können auf keinen Fall davon sprechen, dass jetzt irgendwas noch irgendwie normal ist“, stellt Fleischmann klar.
Aus Sicht des BLLV muss sich das auch auf den Umgang mit Leistung auswirken, der sich in der Pandemie zunehmend als so problematisch erweist, wie das der BLLV grundsätzlich kritisiert: Wenn Leistung nach zeitgemäßen pädagogischen Erkenntnissen als individueller Prozess verstanden wird, der die Lernumstände jedes einzelnen Schülers ganzheitlich in den Blick nimmt, dann gehört dazu unbedingt auch die außerordentliche Situation, die sich an allen Lernorten durch Corona-Maßnahmen ergibt.
Ehrliche Politik für realistische Erwartungen
Das gilt besonders dann, wenn Schülerinnen und Schüler gemäß Beschlussvorlage der Bundesländer an Corona-Hotspots im Wechsel von Distanz und Präsenz unterrichtet werden. Grund- und Förderschulen sollen davon ebenso ausgenommen werden wie Abschlussklassen, voraussichtlich auch die Jahrgänge 5 bis 6. Kultusminister Piazolo betonte, dass Präsenzunterricht „Ziel Nummer eins“ bleibe und verwies dabei auf Bildungsgerechtigkeit, weil schlechter ausgestattete Schüler nicht abgehängt werden sollten, und Schule als „sozialen Interaktionsraum“.
„Abstand ist natürlich das Mittel der Wahl“, kommentiert Simone Fleischmann die Ankündigung des Wechselunterrichts. Da geteilte Klassen unabhängig von der konkreten Umsetzung im Einzelnen aber für Lehrkräfte immer Mehraufwand bedeuten, stellt sie mit Blick auf den akuten Lehrermangel, der Klassenteilungen problematisch macht, klar: „Ehrliche Politik ist weiter gefragt: Wir können nur geben, wie viele wir sind!“
Bildung ist wichtig, Gesundheitsschutz erste Priorität
Grundsätzlich begrüßt die BLLV-Präsidentin, dass den Schulen dieses Mal eine hohe Priorität eingeräumt wird: „Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen und wissen, dass Unterricht, Bildung und Erziehung wichtig sin: Der BLLV schaut kritisch auf die aktuellen politischen Ansagen!“, sagt sie. Denn bei dieser Priorisierung dürfe das Wichtigste nicht aus dem Blick geraten: „Wir brauchen vor allem eins: Wir brauchen den Gesundheitsschutz für alle Kinder, für alle Lehrer und letztendlich für die Gesellschaft.“
» Bericht des Bayerischen Rundfunks: „Piazolo will Hotspot-Strategie für Schulen“
Medienberichte
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung "klare verlässliche Ansagen wie die Corona-Ampel". Die Aussagen des Kultusministers hätten "mehr Unsicherheit als Klarheit" gebracht.
Aussagen von Udo Beckmann:
„Was als Beschlussvorlage für das morgige Gespräch unter dem Fokus Schulbetrieb zusammengetragen wurde, ist enttäuschend. Es bleibt bei unterschiedlichen Regelungen je Bundesland und nicht, wie es vernünftig wäre, Maßnahmen entsprechend klar kommuniziert nach Inzidenzwert zu ergreifen. So wird sich weiter um klare Aussagen herumgedrückt, ab welcher Inzidenz was konkret zu geschehen hat. Es bleiben riesige Interpretationsspielräume, denn nirgends wird definiert, was 'deutlich mehr als 50 Neuinfektionen‘ oder 'besondere Infektionshotspots‘ sind.
„Der Aspekt der Fürsorgepflicht für die Gesundheit der Lehrkräfte spielt anscheinend nunmehr eine völlig untergeordnete Rolle. So kommt es zu absurden Situationen: Wenn eine Lehrkraft erkrankt, muss die erste Reihe in die Isolation. Erkrankt ein Schüler aus der 1. Reihe, muss die Lehrkraft aber nicht in Isolation. Das ist nicht nachvollziehbar – weder mit dem Blick auf den Infektionsschutz noch mit Blick auf die pädagogische Herausforderung als Lehrkraft zu erklären, weshalb man selbst weiter arbeiten gehen kann und die Kinder aber zu Hause bleiben müssen.“
„Manchmal geht eine ganze Klasse in Quarantäne, andernorts nur die Sitznachbarn, wieder woanders niemand, weil ja gelüftet wurde. Das kann man niemandem erklären und führt zu Unmut.“
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