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Wirkung des Einschulungskorridors Startseite
Leistungsdruck Einschulungskorridor Leistungsrückmeldung Kompetenzorientierung

Schule nicht zum Schreckgespenst machen, vor dem man schützen muss!

Auf Spiegel online kritisiert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann, dass der von Kultusminister Piazolo eingeführte Einschulungskorridor die Sorge der Eltern vor Überforderung ihrer Kinder verstärkt und konstatiert „Leistungsdrill im Schulsystem“.

In der Frage nach früher oder später Einschulung analysiert Spiegel Online einen Wandel im Zeitgeist: Während zwischen 1998 und 2004 die Zahl der vorzeitigen Einschulungen in Deutschland stark stieg, geht sie seitdem zurück. Auf der Frage nach dem Warum sei eine Abkehr vom Prinzip des schnellen Fitmachens von Kindern für die auf Arbeitskräfte wartende Wirtschaft festzustellen hin zur Sorge der Eltern, ihre Kinder könnten durch eine zu frühe Einschulung benachteiligt werden.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kritisiert im Gespräch mit dem Nachrichtenportal, dass Kultusminister Michael Piazolo in Bayern genau diese Ängste mit der Einführung des flexiblen Einschulungskorridors geschürt habe. Das „fatale Signal“, das aus ihrer Sicht damit vermittelt wird: „Schule ist ein Schreckgespenst, vor dessen Klauen man Kinder, solange es geht, fernhalten muss.“

Leistungsdrill im Schulsystem

Prinzipiell sind flexible Regelungen natürlich zu begrüßen, wie Simone Fleischmann im Gespräch mit SAT.1 Bayern sagt: „Die Eltern sollen selbstverständlich entscheiden – und wir Lehrerinnen und Lehrer würden gerne beraten, in Kooperation mit den Erzieherinnen im Kitabereich.“ Doch die Frage, warum Eltern ihre Kinder lieber später einschulen wollen, zeige den wahren Hintergrund des Wandels im Zeitgeist, den Spiegel online analysiert. „Die Diskussion um den Einschulungstermin ist eine um den Leistungsdrill im bayerischen und deutschen Schulsystem“, stellt Simone Fleischmann klar.

Dem stimmt sogar die Münchner Mutter Dominque Franzen indirekt zu, die vor einem Jahr die Petition „Stoppt die Früheinschulung“ initiiert hatte: Als Grund, warum sie nicht wollte, dass ihr Sohn Leopold schon mit fünf Jahren eingeschult wird, nennt sie: „Natürlich möchte ich nicht riskieren, das seine fehlende Reife in dem Alter später einmal der Grund für schlechte Noten sein könnte. Mir ist wichtig, dass er dieselben Chancen wie seine Mitschüler hat.“

Besser ganzheitlich Lernen

Auch daran wird aus Sicht des BLLV deutlich, dass der Kern des Problems letztlich der notenbedingte Leistungsdruck ist, der in Bayern bereits an Grundschulen herrscht, weil der Notendurchschnitt in drei Kernfächern der vierten Klasse entscheidend ist für den Übertritt auf Gymnasium (2,33) oder Realschule (2,66).

Solange ausschließlich eine Ziffernnote über Lebenschancen entscheidet und eben nicht, wie beispielsweise beim fünfjährigen Leopold, die Leistung jedes einzelnen Kindes mit Blick auf dessen persönliche Entwicklung im Sinne eines individuellen Lernprozesses rückgemeldet wird, solange herrscht auch bei Eltern Angst vor Benachteiligung. Zudem müsste Leistungsrückmeldung, wie das bei Lehrplänen bereits weitgehend der Fall ist, an Kompetenzerwerb und nicht an faktischem Detailwissen orientiert sein. Simone Fleischmann fasst zusammen: „Wir brauchen mehr ganzheitliches Lernen.“

Flexible Eingangsphase statt Korridor

Unruhe um den Einschulungskorridor in Bayern hatten zuletzt auch Meldungen erzeugt, dass in einigen bayerischen Kommunen massive Probleme in Kindergärten und Kitas auftreten, weil zurückgestellte Kinder dort Plätze blockieren. Denn im Vergleich zum Vorjahr werden rund 2.800 Kinder mehr später eingeschult. Bayreuth muss beispielsweise 50 zusätzliche Kitaplätze schaffe und plant mit Containern, in Schwabach fehlen 90 Plätze, die man mit Mehrzweckräumen oder im Souterrain bestehender Kindergärten bereitzustellen versucht.

Bei einer Befragung des BLLV meldeten Kitas „erhebliche Probleme“ und „große Verunsicherung“. Die Einführung des Einschulungskorridors nannte Präsidentin Fleischmann „überstürzt“, sie verhindere eine professionelle Umsetzung. Generell sei das Modell der flexiblen Eingangsphasen der Grundschule viel besser geeignet, um individuell auf das „Entwicklungsalter“ eines Kindes einzugehen, sagt die BLLV-Präsidentin gegenüber SAT.1 Bayern: Dabei können Kinder die ersten beiden Klassen in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen, je nach individueller Entwicklung. Dafür muss dann auch nicht später eingeschult werden.

Denn vor allem Grund für den akuten „Stau“ in Kitas und Kindergärten bleibt aus Sicht von Simone Fleischmann problematisch, wie sie der Deutschen Presseagentur sagt: „Das Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht, das ist schwierig, weil wir dadurch signalisieren: Die Kinder sollen lieber älter sein, lieber fitter sein, um diese schwierige Grundschulzeit durchzustehen und den Übergang zu schaffen.“

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