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Antwort der BLLV-Präsidentin auf den Samstagsbrief der Mainpost Startseite Topmeldung

Nein! "Ein bisschen weniger Teilzeit" wird den Lehrkräftemangel nicht lösen!

"Müssen in Zeiten des Lehrermangels wirklich so viele Lehrkräfte in Teilzeit arbeiten, Frau Fleischmann?" titelte die Mainpost in ihrem Samstagsbrief. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann antwortet in einem offenen Brief.

"Überall fehlen Lehrerinnen und Lehrer, Personal ist kaum zu finden. Schwer verständlich, warum der BLLV nicht an der hohen Teilzeitquote rütteln will, meint unser Autor.", so die Überschrift über dem letzten Samstagsbrief der Mainpost. Zu Beginn des Briefes steht die Freude des Autors über eine großartige Landesdelegiertenversammlung in Würzburg:

"Liebe Frau Fleischmann,

schön, dass Sie in dieser Woche zum Jahrestreffen des Lehrerverbandes BLLV nach Würzburg gekommen sind! Über Bildung kann man nie genug diskutieren. Und das möchte ich auch in diesem Samstagsbrief gerne machen..."

"Ganz einfache Lösungen" für den Lehrkräftemangel?

Nach der Einleitung kommt das große "ABER", denn der Tenor des Samstagsbrief ist ein anderer: Der BLLV zeichne zu Unrecht, das Bild eines kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Bildungssystems, "in dem die Lehrkräfte von der Politik im Stich gelassen fast schon verzweifelt um die Bildung unserer Kinder ringen müssen." Dieses vom BLLV gezeichnete Horrorbild trage dazu bei "dass sich immer weniger junge Menschen in Bayern für den Lehrerberuf entscheiden". Außerdem verdienten die Lehrkräfte in Bayern sehr gut und sollten Arbeitszeit verlängern.

Samstagsbrief der Mainpost: Müssen wirklich so viele Lehrkräfte in Teilzeit arbeiten, Frau Fleischmann?

Überall fehlen Lehrerinnen und Lehrer, Personal ist kaum zu finden. Schwer verständlich, warum der BLLV nicht an der hohen Teilzeitquote rütteln will, meint unser Autor. [...] Teilweise wird dabei das Bild eines kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Bildungssystems gezeichnet... ...
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Das persönliche Statement der BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann:

Ein offener und kritischer Diskurs über die Situation des bayerischen Bildungssystems ist wichtig. Wer sich also ernsthaft Gedanken macht, beispielsweise über den Lehrermangel, sollte die Attraktivität dieses Berufes immer im Blick haben. Die mediale Berichterstattung über den Lehrerberuf ist dabei entscheidend.

Glauben sie mir, sehr geehrter Herr Stern, wir Lehrerinnen und Lehrer wissen selbst am allerbesten, wie schön unser Beruf ist. Und genau weil wir dies wissen, werde ich als Präsidentin eines Lehrerverbands immer alle Stolpersteine offen benennen!

Die Kolleginnen und Kollegen leiden immens unter den aktuellen Problemen in der Bildungspolitik, insbesondere aufgrund der großen Auswirkungen für die Schülerinnen und Schüler!

Wenn Sie also kritisieren, dass wir Stolpersteine ansprechen, antworte ich Ihnen: Für die Attraktivität des Lehrerberufes muss der Dienstherr, also der Freistaat Bayern, sorgen. Oder sehen Sie dies auch noch als unsere Aufgabe? Sollen Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft selbst die Unternehmen attraktiv gestalten oder vielleicht doch der Arbeitgeber?

Aus meiner Sicht völlig kontraproduktiv sind mediale Berichterstattungen in Richtung „man könnte ja wohl mal mehr arbeiten“ oder „man wird doch wohl diesen Beruf im Kern auch Vollzeit ausüben können“.

Sie wissen sicherlich, dass Sie mit Ihrer wohlfeilen Kritik alle Frauen dieser Gesellschaft ansprechen: Vielleicht schauen Sie sich mal die Teilzeit-Quoten aller weiblichen, abhängig Beschäftigten in der deutschen Wirtschaft an. Dann werden Sie sehen, dass die Quoten ähnlich gelagert sind wie im Lehrerberuf.

Wenn Familie und Beruf also ohne Teilzeit nicht mehr vereinbar sind, insbesondere dann nicht, wenn der Beruf immer herausfordernder wird und wenn die Krippen- und Kitaplätze bei weitem nicht ausreichen und wenn Frauen den Mammut-Anteil von Care-Arbeit leisten, etc. etc. – sind dann aus Ihrer Sicht die Frauen mit der Teilzeit schuld?

Sie werden sicherlich zustimmen, sehr geehrter Herr Stern, dass die politisch Verantwortlichen und die Bayerische Staatsregierung dann in der Pflicht stehen!

Es ist wunderbar, wenn Sie uns Lehrerinnen und Lehrern sagen, wie wichtig und schön unser Beruf doch sei – vielen Dank, das wissen wir selbst sehr genau. Ach übrigens, sehr geehrter Her Stern, Lösungsvorschläge gegen den Lehrermangel haben wir en masse. Wir haben bereits seit Jahrzehnten unzählige Forderungen an die Politik gerichtet, weil wir wussten, was passieren wird.

Ein Grund mehr, nicht leiser zu werden, sondern weiterhin für unsere 67.000 Mitglieder mit noch stärkerer Stimme zu sprechen. Denn Sie, sehr geehrter Herr Stern, tun unseren Kolleginnen und Kollegen mit solchen Artikeln keinen Gefallen.

In Finnland gelten Lehrerinnen und Lehrer als die Kerzen der Gesellschaft. Es wäre schön, wenn wichtige gesellschaftliche Personen wie Sie, sehr geehrter Stern, dies ebenso sehen würden.
 

Die Mainpost hat die Antwort von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann veröffentlicht:
» Antwort auf Samstagsbrief: "Lösungsvorschläge gegen den Lehrermangel haben wir en masse"



Begleitet wurde die Antwort an die Mainpost auch noch mit einem umfassenden offenen Brief, der sich auch an die Leserinnen und Leser richtet:
 

Der ausführliche offene Brief an die Redaktion sowie an die Leserinnen und Leser der Mainpost:

Sehr geehrte Redaktion,
Liebe Leserinnen und Leser der Mainpost,

danke, dass ich und alle Delegierten des BLLV in Ihrer schönen Stadt sein durften und hier unsere 55. Landesdelegiertenversammlung durchführen konnten, zu der auch unsere Kundgebung am Marktplatz gehörte. Für uns war es ein bildungspolitischer Gipfel der besonderen Art. Bestimmt war es unter anderem auch dem schönen Würzburg geschuldet, dass wir bei uns neben dem Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, dem Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus Prof. Dr. Michael Piazolo und dem stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidenten und Bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger auch die bildungspolitischen Expertinnen und Experten der demokratischen Fraktionen des Bayerischen Landtags begrüßen durften. Für uns war es eine große Veranstaltung in jeder Hinsicht.

Da ging es natürlich schon darum, auch ehrlich zu sagen, was an den Schulen los ist und wie es den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort und den Kindern und Jugendlichen heute geht. Und da ist die Frage, ab wann wir von einem „Zusammenbruch des Bildungssystems“ sprechen. Beginnt dieser, wenn Angebote in Sport und Musik oder Arbeitsgruppen in vielen Schulen mangels Lehrkräftemangel gestrichen werden? Oder beginnt dieser, wenn Lehrerinnen und Lehrer gleichzeitig zwei oder drei Klassen unterrichten müssen? Oder beginnt dieser, wenn ich keinen Ersatz mehr bekomme, sobald eine Lehrkraft ausfällt? Ich denke spätestens beginnt dieser aber, wenn die soziale Schere immer weiter auseinandergeht, wenn wir die Schwächsten der Gesellschaft in der Schule abhängen und wenn immer mehr Grundschüler nicht mehr richtig Schreiben, Lesen und Rechnen können. In all diesen Fällen hätte der Zusammenbruch bereits begonnen, denn das ist heute die Realität an den Schulen. Und das, obwohl die Teilzeitmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer bereits eingeschränkt wurden! Wie hier neue Ansätze und Angebote für starke Bildung der Zukunft und für starke Kinder noch ergänzt werden sollen, ist fraglich.

Wir freuen uns sehr, dass Sie dabei die Leistung und Belastung der Lehrkräfte an den Schulen anerkennen. Denn die Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben alles gegeben. Und natürlich ist es auch uns wichtig, dass das gesehen wird. Denn es ist ganz richtig: Wir haben eine Vielzahl von (neuen) Herausforderungen, wie eben Integration und Inklusion. Und hier stehen wir nicht mehr vor der Gesellschaft, wie sie vor 30 Jahren war und auch nicht vor demselben Menschenbild, wie es vor 30 Jahren war. Hier müssen wir alle gemeinsam mehr leisten und vorankommen. Das wird auch nicht gehen, indem mal eben nochmal alle ein bisschen mehr arbeiten. Wie gesagt, wurden die Teilzeitmöglichkeiten schon eingeschränkt. Wir bleiben übrigens dabei: Wenn irgendwo eine Lehrerin oder ein Lehrer fehlt, dann fehlt der auch dann noch, wenn zehn andere dafür zehn Prozent mehr arbeiten. Denn man kann nicht zu einem Zehntel vor einer Klasse stehen und die Mehrarbeit ist jetzt nicht gerade die Parademaßnahme für eine größere Arbeitszufriedenheit. Wir können aber auch bei den klaren Zahlen bleiben: Ein großer Teil der Lehrkräfte in Bayern sind Frauen, die beispielsweise Care-Arbeit in unterschiedlichster Art und Weise leisten. Damit kann die Teilzeitquote kaum verwundern. Was auch klar ist: Wir haben die Zahlen, was passiert, wenn Mehrarbeit verordnet wird, beispielsweise aus Baden-Württemberg. Die Zahl der Lehrkräfte geht zurück, denn wir leben in einem Arbeitnehmermarkt. So einfach ist das.

Und was das Gehalt betrifft: Lehrkräfte in anderen Bundesländern verdienen oft schon deswegen mehr, weil sie beim Einstieg in der Mittelschule zum Beispiel in einer höheren Stufe – diese heißt „A13“ – einsteigen. Da ist dann nichts mit „600,- EUR mehr Gehalt in Bayern“. Das ändert sich zwar gerade, auch durch die langjährige intensive bildungspolitische Arbeit des BLLV, aber das ändert sich eben erst jetzt. Und ein letztes Wort zum Gehalt: Wir müssen uns genau überlegen, mit wem wir um die besten Köpfe konkurrieren. Denn wir suchen ja nicht irgendwen, wenn es um die Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen geht, oder? Und um die besten Köpfe konkurrieren wir nicht in erster Linie mit Finnland oder den Kultusministerien anderer Länder. Wir konkurrieren mit der freien Wirtschaft. Und ich kann Ihnen versprechen, dass die gut ausgebildeten Akademiker dort nach zehn Jahren im Beruf anders verdienen als Lehrkräfte. Und das soll auch so sein, denn eine Lehrerin und ein Lehrer machen es wirklich nicht allein wegen des Geldes. Trotzdem muss stimmen, was wir hier womit vergleichen.

Wir reden übrigens gar nicht so selten darüber, welch enorm erfüllende und wunderschöne Aufgabe der Lehrberuf bieten kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. All unsere 67.000 Mitglieder würden diesen Beruf nicht machen, wenn es anders wäre. Wir müssen aber auch überall die Wahrheit sagen, gerade wenn es heißt, es wäre alles nicht so schlimm. Wer, wenn nicht wir? Denn wir kämpfen für die Bildung der Kinder und Jugendlichen. Ich hatte es schon erwähnt: Wenn Sie sich die Zahlen aus dem letzten IQB Bildungstrend oder aus der letzten IGLU-Studie ansehen, dann gibt es kein „ist doch alles nicht so schlimm“.

Die Lösungsvorschläge des BLLV liegen übrigens auf dem Tisch und werden intensiv diskutiert – auch und besonders mit der Politik. Die Lösung liegt in einer flexiblen Lehrerbildung, für die wir ein umfassendes Konzept erarbeitet haben. Die Lösung liegt in der Ausstattung der Schulen und den Arbeitsbedingungen. Die Lösung liegt in multiprofessionellen Teams, in Wertschätzung und Besoldungsgerechtigkeit. Gerade dafür haben wir in Würzburg diskutiert und gekämpft und das werden wir auch weiterhin tun. All diese Lösungen stellen wir Ihnen auch sehr gerne vor. Ich würde mich freuen, im Gespräch zu bleiben, denn es geht uns doch um genau dasselbe: Gute Bildung!

Vielen Dank und beste Grüße
Simone Fleischmann

BLLV-Präsidentin
Stellv. Vorsitzende BR-Rundfunkrat
Stellv. dbb Bundesvorsitzende