Sehr geehrte Redaktion,
Liebe Leserinnen und Leser der Mainpost,
danke, dass ich und alle Delegierten des BLLV in Ihrer schönen Stadt sein durften und hier unsere 55. Landesdelegiertenversammlung durchführen konnten, zu der auch unsere Kundgebung am Marktplatz gehörte. Für uns war es ein bildungspolitischer Gipfel der besonderen Art. Bestimmt war es unter anderem auch dem schönen Würzburg geschuldet, dass wir bei uns neben dem Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, dem Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus Prof. Dr. Michael Piazolo und dem stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidenten und Bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger auch die bildungspolitischen Expertinnen und Experten der demokratischen Fraktionen des Bayerischen Landtags begrüßen durften. Für uns war es eine große Veranstaltung in jeder Hinsicht.
Da ging es natürlich schon darum, auch ehrlich zu sagen, was an den Schulen los ist und wie es den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort und den Kindern und Jugendlichen heute geht. Und da ist die Frage, ab wann wir von einem „Zusammenbruch des Bildungssystems“ sprechen. Beginnt dieser, wenn Angebote in Sport und Musik oder Arbeitsgruppen in vielen Schulen mangels Lehrkräftemangel gestrichen werden? Oder beginnt dieser, wenn Lehrerinnen und Lehrer gleichzeitig zwei oder drei Klassen unterrichten müssen? Oder beginnt dieser, wenn ich keinen Ersatz mehr bekomme, sobald eine Lehrkraft ausfällt? Ich denke spätestens beginnt dieser aber, wenn die soziale Schere immer weiter auseinandergeht, wenn wir die Schwächsten der Gesellschaft in der Schule abhängen und wenn immer mehr Grundschüler nicht mehr richtig Schreiben, Lesen und Rechnen können. In all diesen Fällen hätte der Zusammenbruch bereits begonnen, denn das ist heute die Realität an den Schulen. Und das, obwohl die Teilzeitmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer bereits eingeschränkt wurden! Wie hier neue Ansätze und Angebote für starke Bildung der Zukunft und für starke Kinder noch ergänzt werden sollen, ist fraglich.
Wir freuen uns sehr, dass Sie dabei die Leistung und Belastung der Lehrkräfte an den Schulen anerkennen. Denn die Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben alles gegeben. Und natürlich ist es auch uns wichtig, dass das gesehen wird. Denn es ist ganz richtig: Wir haben eine Vielzahl von (neuen) Herausforderungen, wie eben Integration und Inklusion. Und hier stehen wir nicht mehr vor der Gesellschaft, wie sie vor 30 Jahren war und auch nicht vor demselben Menschenbild, wie es vor 30 Jahren war. Hier müssen wir alle gemeinsam mehr leisten und vorankommen. Das wird auch nicht gehen, indem mal eben nochmal alle ein bisschen mehr arbeiten. Wie gesagt, wurden die Teilzeitmöglichkeiten schon eingeschränkt. Wir bleiben übrigens dabei: Wenn irgendwo eine Lehrerin oder ein Lehrer fehlt, dann fehlt der auch dann noch, wenn zehn andere dafür zehn Prozent mehr arbeiten. Denn man kann nicht zu einem Zehntel vor einer Klasse stehen und die Mehrarbeit ist jetzt nicht gerade die Parademaßnahme für eine größere Arbeitszufriedenheit. Wir können aber auch bei den klaren Zahlen bleiben: Ein großer Teil der Lehrkräfte in Bayern sind Frauen, die beispielsweise Care-Arbeit in unterschiedlichster Art und Weise leisten. Damit kann die Teilzeitquote kaum verwundern. Was auch klar ist: Wir haben die Zahlen, was passiert, wenn Mehrarbeit verordnet wird, beispielsweise aus Baden-Württemberg. Die Zahl der Lehrkräfte geht zurück, denn wir leben in einem Arbeitnehmermarkt. So einfach ist das.
Und was das Gehalt betrifft: Lehrkräfte in anderen Bundesländern verdienen oft schon deswegen mehr, weil sie beim Einstieg in der Mittelschule zum Beispiel in einer höheren Stufe – diese heißt „A13“ – einsteigen. Da ist dann nichts mit „600,- EUR mehr Gehalt in Bayern“. Das ändert sich zwar gerade, auch durch die langjährige intensive bildungspolitische Arbeit des BLLV, aber das ändert sich eben erst jetzt. Und ein letztes Wort zum Gehalt: Wir müssen uns genau überlegen, mit wem wir um die besten Köpfe konkurrieren. Denn wir suchen ja nicht irgendwen, wenn es um die Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen geht, oder? Und um die besten Köpfe konkurrieren wir nicht in erster Linie mit Finnland oder den Kultusministerien anderer Länder. Wir konkurrieren mit der freien Wirtschaft. Und ich kann Ihnen versprechen, dass die gut ausgebildeten Akademiker dort nach zehn Jahren im Beruf anders verdienen als Lehrkräfte. Und das soll auch so sein, denn eine Lehrerin und ein Lehrer machen es wirklich nicht allein wegen des Geldes. Trotzdem muss stimmen, was wir hier womit vergleichen.
Wir reden übrigens gar nicht so selten darüber, welch enorm erfüllende und wunderschöne Aufgabe der Lehrberuf bieten kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. All unsere 67.000 Mitglieder würden diesen Beruf nicht machen, wenn es anders wäre. Wir müssen aber auch überall die Wahrheit sagen, gerade wenn es heißt, es wäre alles nicht so schlimm. Wer, wenn nicht wir? Denn wir kämpfen für die Bildung der Kinder und Jugendlichen. Ich hatte es schon erwähnt: Wenn Sie sich die Zahlen aus dem letzten IQB Bildungstrend oder aus der letzten IGLU-Studie ansehen, dann gibt es kein „ist doch alles nicht so schlimm“.
Die Lösungsvorschläge des BLLV liegen übrigens auf dem Tisch und werden intensiv diskutiert – auch und besonders mit der Politik. Die Lösung liegt in einer flexiblen Lehrerbildung, für die wir ein umfassendes Konzept erarbeitet haben. Die Lösung liegt in der Ausstattung der Schulen und den Arbeitsbedingungen. Die Lösung liegt in multiprofessionellen Teams, in Wertschätzung und Besoldungsgerechtigkeit. Gerade dafür haben wir in Würzburg diskutiert und gekämpft und das werden wir auch weiterhin tun. All diese Lösungen stellen wir Ihnen auch sehr gerne vor. Ich würde mich freuen, im Gespräch zu bleiben, denn es geht uns doch um genau dasselbe: Gute Bildung!
Vielen Dank und beste Grüße
Simone Fleischmann
BLLV-Präsidentin
Stellv. Vorsitzende BR-Rundfunkrat
Stellv. dbb Bundesvorsitzende