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Lehrkräfte am Ende dieses Schuljahrs besonders erschöpft Startseite Topmeldung
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Ruhe bitte!

Viele Lehrkräfte sind im turbulenten Corona-Schuljahr über ihre Belastungsgrenze gegangen und brauchen jetzt dringend Ruhe, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Was sie außerdem brauchen: Einen klaren Fahrplan für das nächste Schuljahr.

Weitblick - das erwartet BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann vom Kultusministerium im Interview mit der Plattform bildung.table. Und zwar eine Planung, die weiter reicht als nur bis zu den Sommerferien.

bildung.table: Frau Fleischmann, Bayern will 100.000 Luftreiniger für die Schulen anschaffen. Haben sich damit ihre Forderungen nach einer guten Vorbereitung des neuen Schuljahres erledigt? 

Simone Fleischmann: Das ist eine richtige und gute Entscheidung. Nur sollten wir nicht vergessen, dass sie im Grunde ein Jahr zu spät kommt. Schüler:innen und Lehrkräfte mussten das Schuljahr 20/21 unter schwierigsten Bedingungen bewältigen. Aber gut, besser die Luft spät professionell filtern als gar nicht. Der Freistaat hat seine Hausaufgaben aber damit noch nicht geschafft.

Was erwarten Sie vom Kultusministerium?

Einen klaren Fahrplan für das neue Schuljahr: ein bildungspolitisches Logbuch. Das bedeutet, weiter zu blicken als nur auf die Sommerferien. Schulen und Lehrer:innen brauchen Planbarkeit, Verlässlichkeit, um Schule professionell machen zu können.

Wie soll das gehen, wenn Corona alles unwägbar macht?

Wen, bitte, soll Corona noch überraschen? Nach Corona ist vor Corona. Das fällt doch nicht mehr vom Himmel. Wir haben diesen Höllenritt jetzt dreimal durchgemacht. Ein viertes Mal möchten wir Lehrkräfte das nicht erleben. Genau deswegen erwarte ich, dass wir ein Logbuch bekommen. Vom Minister. Jeder in der Schule kennt die möglichen Szenarien - aber den Rahmen muss der Kapitän auf der Brücke gestalten, sonst hat er da nichts verloren. Und zwar so, dass die Schulleiter:innen vor Ort die Variante ziehen können, die am sichersten und pädagogischsten ist. Rundmails, die am Freitagnachmittag alles umwerfen, das darf es nicht mehr geben. Keine Überraschungen mehr! 

Ist das wirklich möglich in einer Zeit, in der binnen weniger Wochen Inzidenzen hochschießen können? 

Bei Corona ist die Inzidenz unvorhersehbar. Beim Dienstherrn Bayern ist fast alles unberechenbar: rhetorische Tricks, Schönfärberei und Verschleierung, z.B. bei der Lehrerversorgung. Das Schiff schlingert, Piazolo ist kein Kapitän, der uns in einen sicheren Hafen bringt. Deswegen fordern wir Verlässlichkeit: bei der Lehrerversorgung, beim Digitalunterricht, beim Impfen für Lehrer.

Sie sind die Standesvertreterin der Lehrer. Was brauchen die Lehrerinnen und Lehrer jetzt?

Ihre Ruhe. Die Lehrer sind erschöpft. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich die Haxn ausgerissen, um den vielfältigen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Das hat viel Kraft gekostet. Viele pfeifen aus dem letzten Loch. Das bedeutet, wer die Lehrer:innen jetzt optimal vorbereiten will, der muss sie nicht während der Ferien in Fortbildungen schicken, sondern der muss dafür sorgen, dass sie sich jetzt erholen können. Zudem brauchen die Lehrkräfte Anerkennung, Unterstützung und professionelle Ansprechpartner.

Wie drückt sich diese Erschöpfung aus?

Zum Beispiel so, dass Lehrer:innen sich an ihren BLLV mit einer vermeintlich pädagogischen Frage wenden. Und unsere Psychologin der BLLV-Akademie dann merkt, dass es da eigentlich um was ganz anderes geht: die Lehrkräfte fühlen sich ausgelaugt und überfordert. Die psychischen Belastungen in diesem Beruf sind enorm gestiegen – vor allem auch für die Schulleiterinnen und Schulleiter!

Wegen Corona? 

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte - nur dass es kein Tropfen, sondern ein Platzregen war. Der auf das fiel, was uns eh schon belastet: teils überspannte Erwartungen an Schule, dramatisch veränderte Sozialisation der Kinder, unzureichende Arbeitsbedingungen. Das bringt die Lehrkräfte an den Rand des Machbaren - und dann noch Corona. Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich dem nicht mehr gewachsen. Aber sie trauen sich oft nicht, ihre Nöte auszusprechen. Sie können nicht offen sagen: Hilf mir. Im Laufe dieses professionellen Beratungsgesprächs können wir den Kolleginnen und Kollegen immer helfen, weil wir uns Zeit für sie nehmen.

Was tun Sie, Frau Präsidentin, um ihren Kolleginnen zu helfen? 

Wir haben ein umfassendes Beratungs- und Fortbildungsangebot in der BLLV-Akademie. Das geht von Fortbildungen zu bestimmten pädagogischen Themen bis hin zu Beratungsgesprächen und Supervision. Unsere Beratungsgespräche laufen wie geschnitten Brot. 

Aber haben nicht viele Lehrer zum Beispiel in Bezug auf digitales Lernen erheblichen Beratungsbedarf? Alle Studien zeigen, dass es Lehrer gibt, die sich kreativ auf hybriden Unterrichts eingestellt haben. Andere sind damit aber nicht gut zurechtgekommen. 

Ja, das ist so. Aber ich finde es wirklich falsch und fast zynisch, den Lehrkräften die Schuld zuzuschieben und den Dienstherrn freizusprechen, der in der Lehrerbildung und bei der Fortbildung seines Personals Jahre lang auf diesem Gebiet geschlafen hat. 

Bayern scheint im Vergleich zur Fortbildung zu anderen Bundesländer relativ weit vorne zu sein.

Das mag sein, aber es ändert nichts an der Situation, dass wir Lehrerinnen und Lehrer haben, die in einer angespannten Personallage plötzlich mit einer Pandemie zu tun hatten, die sie quasi im Alleingang stemmen sollten. Sollen wir die Lehrer:innen dafür bestrafen, dass die Landesregierung über viele Jahre ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat? Wir haben Lehrerkräfte, die ausgepumpt und überfordert sind, die das Gefühl haben, ihren Schülern noch weniger gerecht werden zu können, als das ohnehin oft der Fall war. Deswegen möchte ich, dass die Lehrer, die in Not sind, jetzt aktiv professionelle Hilfsangebote bekommen. Die Politik kommt am Thema Gesundheit für Lehrer:innen nicht vorbei. Das ist existenziell! Die Kolleg:innen erwarten, dass man ihnen zuhört und sie wertschätzt.

Frau Fleischmann, wieso hilft da ein Logbuch? 

Politik und auch manche Eltern erwarten, dass die Lehrkräfte sich jetzt bienenfleißig auf das neue Schuljahr vorbereiten. Was ich will ist, dass der Staat endlich seinen Verpflichtungen nachkommt.  Herr Piazolo darf nicht sofort wieder in den Krisenmodus fallen, wenn die Delta-Variante die Inzidenzen hochtreibt. Schulorganisatorisch waren die letzten 16 Monate eine mittlere Katastrophe. Die Pandemie wurde, was Schulen betrifft, auf dem Rücken der Schüler, Lehrer und Eltern ausgetragen. Ich verlange von diesem Land, das so viel auf seine Bildung gibt, dass es diesmal professionell vorbereitet ist. Wir sind in Bayern. Bisher gab es nicht mal einen Plan A, wir wollen aber, dass es einen Plan A, B, C, D, E gibt. Und ich sage Ihnen voraus, dass die Schulleiter:innen und Lehrer:innen, wenn sie diese Ruhe und Hilfe bekommen, dann positiv in die Zukunft schauen und alles für ihre Schüler:innen reißen.

>> Das Interview mit Simone Fleischmann ist zuerst auf bildung.table erschienen.



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