(c) SquareOne Entertainment / 20th Century Fox
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Perfekt ist unheimlich

Den Übertrittsdruck an der Grundschule hält kein „normales“ Kind aus, sondern nur ein scheinbar perfektes Spiegelbild – sagt der Kinderfilm „Unheimlich perfekte Freunde“. Ein Plädoyer für ganzheitlich gebildete Kinder und ein modernes Leistungsverständnis.

Aus gutem Grund eröffnete Kultusminister Michael Piazolo Ende März in Bad Tölz die SchulKinoWoche Bayern, die „Qualitätsfilme im Bildungskontext“ zeigt, mit dem neuen Film von Marcus H. Rosenmüller: „Unheimlich perfekte Freunde“ (seit 4. April im Kino). Schließlich treibt der Übertrittsdruck an bayerischen Grundschulen Kinder, Lehrer und Eltern derart um, dass oft von „Grundschulabitur“ die Rede ist. Der neue Film des Regisseurs von „Wer früher stirbt, ist länger tot“, zeigt nun auf höchst unterhaltsame Weise, worauf es für Kinder und Jugendliche statt der berüchtigten Notenschnittgrenze von 2,33 fürs Gymnasium wirklich ankommt – und welche Rolle Lehrerinnen und Lehrer dabei spielen können.

Im Mittelpunkt der Filmhandlung stehen die beiden Freunde Frido (Luis Vorbach) und Emil (Jona Gaensslen), die nach Wunsch ihrer beflissenen Eltern unbedingt aufs Gymnasium sollen. Das ist ein ziemliches Problem, sowohl für den kreativen, handwerklich begabten Freigeist Frido wie auch für den ängstlichen Ordnungsfanatiker Emil, dem seine Mutter mit Geigenunterricht, Chinesischkurs und Ergotherapie auch noch die Freizeit zukleistert.

Doch dann entdeckt Frido auf dem Jahrmarkt einen Zauberspiegel, der einen Doppelgänger von ihm produziert, der alle schulischen Aufgaben gerne und locker meistert. Als Emil das herausfindet, erschafft er sich ebenfalls einen Vertreter, der sich als extrem coole Version seiner selbst präsentiert – allerdings mit wenig Lust auf Schule. Schon bald stellen sich die vermeintlich perfekten Abbilder als größeres Problem heraus als der Notenstress mit den Eltern …


Gemeinsam für ganzheitliche Bildung


Rosenmüllers Film bedient sich zwar bei der Typisierung von Schülern und Lehrern einiger Klischees: So fragt der Direktor des Gymnasiums, auf das Frido und Emil gehen sollen, am Tag der offenen Tür die Eltern: „Wollen Sie, dass Ihr Kind zu den Gewinnern gehört – oder den Verlierern?“ Doch dieses überzogen unpädagogische Verhalten dient vor allem als Kontrapunkt für die zentrale Aussage: Erst die Besonderheiten, die individuellen Veranlagungen und Fähigkeiten machen junge Menschen zu dem, was sie sind. Und am Ende leistet gerade die eingangs als leistungsorientiert und kurzgeduldig dargestellte Grundschullehrerin Klawitter (Margarita Broich) den entscheidenden Beitrag, um die Spiegelbilder, die inzwischen ihre gesamte vierte Klasse von sich erschaffen hat, wieder durch die echten Kinder abzulösen. Dafür braucht sie nicht nur Analytik, sondern eben auch Herz und Hand.

So plädiert „Unheimlich perfekte Freunde“ für ein ganzheitliches Verständnis von Bildung, dass die Entwicklung von Kindern individuell und prozesshaft in den Blick nimmt, damit sie ihre jeweiligen Stärken entdecken und entwickeln können. Sinnbildlich hält Rosenmüller dabei der leistungsorientierten Gesellschafft den Spiegel vor, wenn Frido auf dem Jahrmarkt in einen Zerrspiegel blickt, und dabei frustriert aufsagt, was er alles nicht kann – aus Sicht des Zuschauers spricht ein verzerrtes Gesicht des Kindes die erschütternden Worte.

Einen möglichen Ausweg verengt der Film „Unheimlich perfekte Freunde“ dabei nicht auf die Kinder im Sinne von „Glaubt an euch selbst, dann wird alles gut“, sondern macht auf humorvolle Weise klar, dass menschenzugewandte, ganzheitliche Bildung und ein pädagogisch sinnvoller Umgang mit Leistung Ziele sind, die Schüler, Eltern, Lehrer und Gesellschaft am besten gemeinsam erreichen können.

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