Präsentierten Vorschläge zur Verwendung der Mittel (v.l.): BLLV-Vizepräsident Gerd Nitschke, Harun Lehrer (Lehrkraft für Ü-Klassen), Rektorin Barbara Irle, Schulrat Joachim Schnabel, BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Präsentierten Vorschläge zur Verwendung der Mittel (v.l.): BLLV-Vizepräsident Gerd Nitschke, Harun Lehrer (Lehrkraft für Ü-Klassen), Rektorin Barbara Irle, Schulrat Joachim Schnabel, BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Schulen wünschen sich Mitspracherechte Geflüchtete

Nachtragshaushalt: Mittel für Flüchtlinge zielgerichtet einsetzen

5 Wie können Schulen Flüchtlingskinder integrieren? Mit mehr Ressourcen. Und mit der Erlaubnis, eigene, kreative Wege gehen zu dürfen. Denn die Bedürfnisse sind von Schule zu Schule verschieden. Lehrkräfte berichten, wie man mit passgenauen Angeboten Flüchtlingskinder optimal fördern kann.

160 Millionen Euro stellt der Freistaat ab Januar zur Verfügung, um Flüchtlingskinder an Grund- und Mittelschulen unterrichten zu können. Das ist mehr, als der BLLV erwartet hat, aber auch dringend nötig. Denn der Personal- und Finanzbedarf der Schulen wurden noch auf Grundlage von Schülerzahlen von Juni ermittelt, die schon lange überholt sind.

Damit die Mittel tatsächlich die Not lindern können, kommt es nun darauf an, dass sie zielgerichtet eingesetzt werden. Schulen brauchen Finanz- und Personalbudgets, die sie flexibel einsetzen können.

 

Aufwändiges München-Modell

Wie man das in Flüchtlingskindern schlummernde Potenzial heben kann, zeigt das Beispiel der Übergangsklasse von Harun Lehrer. Aus 14 verschiedenen Nationen stammen die Kinder, die Lehrer an einer Münchner Mittelschule unterrichtet. Anfangs konnte keiner seiner Schüler auch nur ein Wort Deutsch. „Diese Kinder sind buchstäblich sprachlos. Sie können sich nicht verständigen“, erzählt Lehrer. Deshalb müssen sie so schnell wie möglich Deutsch lernen.

Das gelingt vielen von ihnen schneller als gedacht. 13 von 23 Schüler konnten seit Schuljahresbeginn auf eine Realschule oder ein Gymnasium wechseln.

Ein ambitioniertes Unterrichtskonzept ebnet den Schülern den Weg dorthin. Sie lernen im Ganztagsmodell und mit Hilfe von Tablets. „Wir unternehmen mindestens einmal pro Woche einen Unterrichtsgang. Wir gehen zum Beispiel ins Museum, besuchen eine U-Bahn-Station oder einen Supermarkt. Die Schüler machen dort mit den Tablets Fotos von Gegenständen, deren Bedeutung wir später im Unterricht erarbeiten“, erklärt Lehrer.

Ziel sei es, dass sich die Jugendlichen die Begriffe mit Hilfe von Apps, Online-Recherchen und Wörterbüchern so selbstständig wie möglich erschließen. „Durch den Ganztagsunterricht erleben die Schüler ein Sprachbad.“

Die vom Freistaat zur Verfügung gestellten Ressourcen würden dafür aber nicht ausreichen. Die Stadt München schultert das Modell finanziell und hat dafür die Tablets zur Verfügung gestellt. Ehrenamtliche helfen Kindern, Lesen und Schreiben zu erlernen, Lehrkräfte schieben viele extra Schichten.

 

Flexibel einsetzbare Stunden-Pools für Schulen

Das tun sie auch Verantwortungsbereich von Joachim Schnabel. „Derzeit schultern wir den zusätzlichen Aufwand aus dem bestehen Ressourcen. Das geht aber auf Dauer nicht und verschleißt unserer Lehrkräfte“, sagt der Schulrat in Nürnberg-Land und hofft dass sich ab Januar die Lage entspannen wird. Anstelle einer Zuweisung der Mittel von oben wünscht sich Schnabel einen Pool an Stunden mit dem er flexibel und kurzfristig auf Veränderungen reagieren kann.

Denn welche Unterstützungs- und Förderangebote nötig und umsetzbar sind, ist von Ort zu Ort verschieden. „Das hängt davon ab wo die Kinder unterbracht sind, von ihrer Altersstruktur und Bleibeperspektive“, sagt der Schulrat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf kaum planbar ist. „Wo als nächste Aufnahmeeinrichtungen eröffnet werden, entscheidet sich oft sehr kurzfristig.“

Schulen sollten in Absprache mit der Schulverwaltung selbst entscheiden können, wie sie Flüchtlinge fördern wollen, wünscht sich Schnabel. Vier Instrumente stehen dafür zur Verfügung: Übergangsklassen, Deutsch-Förderklassen, Deutsch-Förderkurse und Vorkurse für Vorschulkinder.

In einem Stadtteil mit hohem Migrationsanteil könne es sinnvoll, sein dass eine Schule eine Deutsch-Förderklasse einrichtet, wenn klar ist, dass die Kinder mehrere Jahre bleiben werden, erläutert der Schulrat. Andererseits könnten an einer Dorfschule mit einigen wenigen Flüchtlingskindern, die nur vorübergehend unterrichtet werden, Deutsch-Förderkurse ausreichen.

 

Schulleiter brauchen Handlungsspielräume

Vier Flüchtlingskinder zu betreuen hatte zuletzt Barbara Irle. Sie leitet die Grundschule Rohrdorf bei Rosenheim mit 180 Kindern. Für nur eine Handvoll Schüler kann eine kleine Landschule aber keine umfassenden Angebote maßschneidern. Improvisation ist stattdessen gefragt. Helfer aus dem Sportverein und dem Elternbeirat kümmern sich um die Nachmittagsbetreuung der Rohrdorfer Flüchtlinge und üben mit ihnen Deutsch. Die Unterstützung organisiert Irle selbst und kam im Wesentlichen durch ihre persönlichen Kontakte zustande.

Um die Flüchtlinge besser betreuen zu können, würde sie gerne Personal aufstocken – aber darüber selbst entscheiden, wen sie wie einsetzt. Schulleiter wüssten selbst am besten, was wirklich gebraucht werde. „Hätten wir ein Stundenbudget, könnte ich Teilzeitkräfte selbst ansprechen und fragen, ob sie mehr Stunden unterrichten wollen.“

Irle wünscht sich Handlungsspielräume für Schulleiter, damit diese in Absprache mit der Schulverwaltung kurzfristig auf neue Situationen reagieren können. „Die Flüchtlingskinder kommen unerwartet von heute auf morgen bei uns an.“ Und dann müsse eine Schule schnell handeln.

 

So könnte die Personallücke geschlossen werden

Für die Beschulung der Flüchtlinge werden viele helfende Hände gebraucht, doch es mangelt an Lehr- und Fachkräften. Um die Personallücke zu schließen, schlägt der BLLV vor:

  • Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen Angebote zur Aufstocken mache
  • Junglehrer, die von den Wartelisten gefallen sind, einstellen
  • Arbeitslose Lehrkräfte von Realschulen und Gymnasien für die Arbeit an Grund- und Mittelschulen nachqualifizieren
  • Multiprofessionelle Teams bilden: Hilfskräfte wie Dolmetscher, reaktivierte Pensionisten und Lehramtsstudenten mit 1. Staatsexamen unterstützen Lehrerinnen und Lehrer

 



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