Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Arbeitsgruppe BNE im BLLV: Herzlichen Glückwunsch! Schon seit über fünf Jahren trägt Ihre Schule den Titel „Fairtrade-School“. Was macht Ihre Schule zur „Fairtrade-School“?
Swantje Rothenhöfer, Fairtrade-Beauftragte: In Fairtrade-Schools wird der Aufbau lokaler Strukturen gefördert, durch die sich ein langfristiger Einsatz für den fairen Handel entwickelt. Die Mittelschule Schrobenhausener Straße hat das Profil „Inklusion“. Unser Fokus liegt deswegen auf dem gerechten und wertschätzenden Umgang zwischen allen Menschen. Chancengleichheit ist bei uns ein großes Thema. In den Projekten zum Thema Fairtrade schaffen wir es die Schüler*innen dafür zu sensibilisieren, dass dies nicht überall auf der Welt gegeben ist und dass ihr individuelles Handeln Einfluss auf die Menschen in den Erzeugerländern hat. Das Bewusstsein für fairen Handel fördert nachweislich das Miteinander in unseren Klassen.
Der „ganz normale“ Alltag an einer Münchener Mittelschule fordert von Kollegium und Schulleitung extrem viel ab, die Ressourcen reichen selten aus. Wie schafft es Ihr Team dennoch, das Thema „Fairtrade“ so nachhaltig präsent zu halten?
Zum einen binden wir das Thema Fairtrade in den unterschiedlichen Klassenstufen direkt in den Lehrplan mit ein. In GSE beispielsweise erfahren die Schüler*innen im Zuge von Globalisierung und Entwicklungsländern auch vom fairen Welthandel. Das ist Teil unseres eigens entwickelten Curriculums.
Zum anderen regen wir immer wieder Projekte an. Diese verlangen natürlich ein erhebliches Engagement von den Lehrer*innen. Allerdings relativiert sich dies nach einer gewissen Anlaufphase und die Begeisterung der Schüler*innen entlohnt für alle Mühen. In den Team-Meetings erlebt man die Klassen noch einmal von einer ganz anderen Seite und staunt oft über die Produktivität, die zum Vorschein kommt. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass Projekte, an denen Schüler aller Klassenstufen zusammenarbeiten, das Schulklima stärken.
Unser wohl erfolgreichstes Projekt ist das Schüler-Café. Die Snacks, die dort verkauft und zubereitet werden, sind aus nachhaltigem Handel. Betrieben wird es von den Jugendlichen selbst. Das Café ist sehr beliebt und wird super angenommen. Ich denke, dass das wirklich der große Pluspunkt unserer Schule ist.
Ihr Team hat ein schulinternes Curriculum erarbeitet, um das Thema „Fairtrade“ systematisch im Unterricht zu verankern. Welche Effekte beobachten Sie?
Die Erstellung des Curriculums war ein wichtiger Schritt um zu erkennen, in welchen Bereichen das Thema Fairtrade bereits präsent ist und wo noch der Bedarf zur Nachbesserung besteht. Dort sind nicht nur Schwerpunkte im Lehrplan festgehalten, sondern auch jahrgangsstufenspezifische Projekte und Angebote. Vor allem neue Lehrkräfte schätzen das Curriculum als wichtige Orientierungshilfe. Aber auch Kolleg*innen, die schon länger Teil der Fairtrade-School sind, nutzen das Curriculum, um ihre eigenen Unterrichtseinheiten zu überprüfen. So konnten wir in den vergangenen Jahren eine gewisse Kontinuität im Bereich Fairtrade erreichen. Durch die Veränderungen des Lehrplans stehen wir aktuell vor der Überarbeitung des Curriculums und sind schon gespannt, welche neuen Themen sich ergeben.
Die Weiterentwicklung Ihrer „Fairtrade School“ wird von einem „Fairtrade Schulteam“ gesteuert, in dem u. a. auch Schüler- und Elternvertreter mitarbeiten. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Die Zusammenarbeit zwischen Schüler*innen, Lehrer*innen und der Schulsozialarbeit macht großen Spaß und ist sehr effektiv. Neue Projekte werden von der Schulleitung gefördert und in den Schulalltag integriert. Die Eltern werden regelmäßig über Projekte und Aktionen informiert.
Bei „Fridays for Future“ engagieren sich vor allem Gymnasiasten. Ich höre häufig die Meinung: „Mittelschüler haben andere Themen, andere Sorgen.“ Welche Rolle spielt das Thema „Fairtrade“ für Ihre Schüler?
Ich denke, dass gerade das junge Alter unserer Schüler eine Beteiligung an „Fridays for Future“ verhindert. Viele der Schüler verlassen bereits mit 15 oder 16 Jahren die Schule und es fehlt ihnen daher noch etwas der Weitblick.
Im Gegensatz zum Klimaschutz ist das Thema Fairtrade für unsere Schüler*innen greifbarer und lebensnäher. Jeder Einkauf stellt sie vor die Entscheidung, für welches Produkt sie sich entscheiden – das herkömmliche oder das aus fairem Handel. Deswegen ist es wichtig, dass die Schüler die Fairtrade-Produkte kennenlernen, um diese in ihren Konsumalltag integrieren zu können – oder zumindest ihr individuelles Einkaufsverhalten reflektieren.
„Globales Lernen“ und „Fairer Handel“ stehen im Lehrplan. Man muss also nicht „Fairtrade School“ werden, um diese Themen umzusetzen. Ihr Team hat sich bewusst dafür entschieden. Warum?
Die Themen stehen zwar im Lehrplan, aber der Alltag zeigt es: Aus Zeitdruck fallen manche vermeintlich unwichtigeren Themengebiete weg. Als Fairtrade-School richtet man sein Augenmerk gerade auf diese Sujets und verhindert so, dass sie ausgespart werden. Hinzu kommen die vielen Projekte, die nicht im Lehrplan stehen. Unser Schüler-Café ist nur ein gelungenes Beispiel für Lernen über den Lehrplan hinaus.
Wir nutzen auch gerne die Unterstützung und die Anregungen von Transfair e.V., dem Verein, der hinter den Fairtrade-Schools-Kampagnen steckt.
Welche Vorteile bietet Ihnen das Netzwerk der „Fairtrade Schools“?
Auf der Website gibt es tolle Unterrichtsmaterialien oder auch schon fertige Unterrichtsstunden zu verschiedenen Themen, der Newsletter ist ebenfalls sehr informativ. Alles, was ich bisher vom Netzwerk verwendet habe, war altersgerecht aufbereitet und vielseitig einsetzbar. Hervorragend eignen sie sich auch für Vertretungsstunden. Gerade in Zeiten von Corona haben wir das Online-Angebot genutzt, um den Schüler*innen Anreize für das Selbststudium zu Hause zu geben.
Was steht als nächstes an?
Durch die Schulschließungen aufgrund der Corona-Pandemie ist die Zusammenarbeit mit den Schüler*innen ins Stocken geraten. Viele Aktionen sind derzeit nicht durchführbar. Wir möchten allerdings baldmöglichst einen Instagram-Account für unser Team eröffnen, um über Neues zu informieren. Gerade jetzt ist es wichtig den fairen Handel nicht aus den Augen zu verlieren. Gerade Organisationen, die hier tätig sind, trifft die Krise hart und sie benötigen Unterstützung. Hier möchten wir uns gezielt eine Organisation aussuchen und unterstützen.
Gibt es Aspekte in Schulalltag und Schulleben, mit denen Sie in Hinblick auf Fairtrade noch nicht zufrieden sind? An welchen Stellen würden Sie sich von der Stadt oder vom Freistaat mehr Unterstützung wünschen?
Zum Schulalltag: Wir haben einen Automaten mit süßen Snacks. Genau dort wäre es schön noch mehr faire Produkte anbieten zu können. Die Schüler nehmen diese schon jetzt im Schüler-Café ohne Probleme an.
Eine engere Kooperation mit der Fairtrade-Stadt München wäre großartig. Ich bin mir sicher, dass daraus tolle Projekte entstehen könnten, die für eine positive Außenwirkung sorgen würden. Natürlich wäre auch die eine oder andere Finanzspritze für unsere Projekte sehr hilfreich.
Ihre Schule ist bisher die einzige Münchener Mittelschule unter den „Fairtrade Schools“. Was raten Sie anderen Mittelschulen, die sich auf den Weg machen wollen?
Wichtig ist, dass das Kollegium mitzieht. Die Lehrer*innen müssen hinter dem Thema Fairtrade stehen und es mit Überzeugung vermitteln. Erklärt sich ein Großteil der Kollegen und die Schulleitung dazu bereit, dann steht einer Bewerbung nichts im Wege.
Die Bildung des Fairtrade-Teams war bei uns kein Problem, da die Schüler*innen aller Jahrgangsstufen daran mit Begeisterung teilnehmen. Sie lieben es gemeinsam mit ihren Freunden an etwas Sinnvollem zu arbeiten. Einfach mal loslegen und schauen, wohin der Weg einen führt. Wir haben es keine Sekunde bereut Fairtrade-School zu werden.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem „Fairtrade Team“ alles Gute und weiterhin viel Erfolg!
// Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Arbeitsgruppe BNE im BLLV.