Für das Schuljahr 2020/2021 ist bereits jetzt klar, dass auf absehbare Zeit eine zuverlässige Planbarkeit unmöglich ist, da weder die Anzahl der Schülerinnen und Schüler noch die Zahl der zur Verfügung stehenden Lehrkräfte in nächster Zeit definitiv bekannt sein werden. In einer solchen Situation können nur an der Einzelschule selbst sinnvolle und praktikable Antworten gegeben werden. Die Schulleitungen brauchen dafür das unabdingbare Vertrauen der übergeordneten Stellen.
Dies bedeutet, dass es Rückendeckung auch für unpopuläre Entscheidungen vor Ort geben muss. Zudem benötigen Schulleitungen ausreichend Zeit, um diese Kompetenzen wahrnehmen zu können. Deshalb müssen ihnen die hierfür notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden.
Es gilt, dass erfolgreiches Krisenmanagement im Zweifel wichtiger ist als die vollständige Erfüllung der kompletten Stundentafel für alle Schülerinnen und Schüler zu jeder Zeit.
LEHRERMANGEL IN ZEITEN DER KRISE
Positionspapier des BLLV
Auch das kommende Schuljahr wird ganz im Zeichen der Corona-Krise stehen. Der BLLV als größter bayerischer Lehrerverband ist sich dabei seiner Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler und für die gesamte Gesellschaft bewusst. Wir wissen, dass Krisenzeiten keine Zeiten zur Durchsetzung von Partikularinteressen sind. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und deshalb unsere grundsätzlichen Forderungen für die Aufwertung der Attraktivität des Lehrerberufs an Grund-, Mittel- und Förderschulen bis zur Bewältigung der Krise in den Hintergrund zu stellen. Allerdings erwarten wir bereits heute deutliche Signale, dass sich nach der Bewältigung der Krise auch Perspektiven für die Aufwertung des Lehrerberufs eröffnen.
Angesichts der Corona-Krise und dem Lehrermangel insgesamt stellen sich wichtige Fragen hinsichtlich der Unterrichtsversorgung in diesem und besonders im kommenden Schuljahr:
- Wie viele der im Dienst befindlichen Lehrkräfte können überhaupt eingesetzt werden, da sie nicht zu einer der Risikogruppen zählen?
- Wie und bis wann werden die Anträge auf Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit bzw. auf begrenzte Dienstfähigkeit beschieden werden?
- Wie viele der Kinder von Arbeitskräften aus anderen europäischen Ländern müssen im nächsten Schuljahr überhaupt in Deutschland beschult werden?
- Wie sieht die Quote des Übertritts und der Einschulung nach den verschiedenen Schularten aus?
- Wie soll während des nächsten Schuljahres – solange noch kein Impfstoff zur Verfügung steht – der Ausfall der Lehrkräfte kompensiert werden, die aufgrund von Quarantänemaßnahmen oder eigener Erkrankung mit Covid 19 nicht zur Verfügung stehen?
- Wie wird der Unterrichtsbetrieb im kommenden Schuljahr überhaupt aussehen?
Die Antworten auf diese und weitere Fragen sind momentan vollkommen offen. Dies macht eine zuverlässige Planbarkeit des kommenden Schuljahres noch auf längere Zeit unmöglich, da weder die Anzahl der Schülerinnen und Schüler noch die Zahl der zur Verfügung stehenden Lehrkräfte in nächster Zeit definitiv bekannt sein werden. Somit steht auch das kommende Schuljahr im Zeichen der Krise. Es wird nur durch ein erfolgreiches Krisenmanagement zu bewältigen sein.
Der BLLV ist der Überzeugung, dass letztlich nur an der Einzelschule selbst sinnvolle und praktikable Antworten auf die Herausforderungen gegeben werden können. Nur dort ist man in der Lage, die jeweils spezifischen Rahmenbedingungen genau zu kennen und besitzt die nötige Flexibilität, um passgenaue Lösungen zu finden.
Deshalb fordert der BLLV eine weitgehende Verlagerung der Entscheidungskompetenzen auf die einzelnen Schulen vor Ort.
Um diese Kompetenzen sinnvoll ausfüllen zu können, müssen eine Anzahl von Bedingungen erfüllt werden:
- Erfolgreiches Krisenmanagement ist im Zweifel wichtiger als die vollständige Erfüllung der kompletten Stundentafel für alle Schülerinnen und Schüler zu jeder Zeit.
- In einer solchen Krisensituation stehen nun auch Bereiche, die der BLLV noch vor der Krise als nicht verhandelbar bezeichnet hat, zur Disposition. Dazu gehören insbesondere die Kürzung der Stundentafel, das Angebot des gebundenen Ganztags sowie die Klassen- und gruppenbildung. All dies muss in die Entscheidungskompetenz der Schulleitungen vor Ort gestellt werden.
- Die Schulleitungen brauchen dafür das unabdingbare Vertrauen der übergeordneten Schulverwaltung und Schulaufsicht. Dies bedeutet, dass es Rückendeckung für auch unpopuläre Entscheidungen vor Ort geben muss.
- Schulleitungen müssen daher nicht nur in ihrer Kompetenz gestärkt werden, sondern auch die für die sinnvolle Wahrnehmung dieser Kompetenzen notwendigen Ressourcen bereitgestellt bekommen. Die Unterrichtsverpflichtung der Schulleiterinnen und Schulleiter muss spürbar reduziert werden. Außerdem muss deutlich mehr Verwaltungspersonal für die einzelnen Schule zur Verfügung gestellt werden.
- Verwaltungstätigkeiten der Schulleitungen müssen reduziert werden (z.B. Statistiken, Dokumentationspflichten, ASV)
Darüber hinaus erneuern wir unsere Vorschläge für kurzfristige Maßnahmen gegen den generellen Lehrermangel in den Grund-, Mittel und Förderschulen:
Maßnahmen zu unmittelbaren Entlastungen der Lehrkräfte
Keine neuen zusätzlichen Verpflichtungen für die Lehrkräfte und Schulen und Fortbildungspflicht aussetzen: Umfang und Inhalt zur Fortbildung der Lehrkräfte in deren Eigenverantwortung übertragen Leistungsbeurteilung und Zeugnisse können nach dem Vorbild der Regelungen angesichts der Corona-Krise in diesem Schuljahr deutlich komprimiert und vereinfacht werden:
- Erstes schriftliches Zeugnis erst am Ende der Jahrgangsstufe 2, davor ausschließlich Lernentwicklungsgespräche
- Den Umfang der Zeugnisse an Grund- und Mittelschulen generell auf eine Seite beschränken
- Die Form des Übertrittszeugnisses dieses Schuljahres mit der Beschränkung auf die drei Ziffernnoten Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht beibehalten
- Anzahl der Proben im Übertrittsjahr reduzieren
Externe Evaluation vollkommen aussetzen (Entlastung betrifft überwiegend Schulleitung und erweitertes Leitungsteam) Mehrarbeitsvergütung entsprechend des Gymnasiums Mehr und höher eingestufte Verwaltungsangestellte einstellen Verwaltungstätigkeiten der Förderlehrer*innen reduzieren Den Schulen mehr finanzielle Mittel für externe Systembetreuer bereitstellen bei Beibehaltung der Anrechnungsstunden für interne Systembetreuer
Maßnahmen zur Schaffung zusätzlicher Stundenbudgets
- Den Schulen ein Budget zur Verfügung stellen, um bei entsprechendem Bedarf in Eigenverantwortung Lehrkräfte anderer Schularten und/oder externe Expert*innen einzustellen, z.B. für Vertretungen oder den Unterricht von Musik, Kunst, Englisch und Sport
- Einen qualifizierten Seiteneinstieg ermöglichen (vgl. Anlage Positionspapier: „Seiteneinstieg in den Schuldienst“ des VBE vom 22.11.2019)
- Ausbildungskapazitäten an Fach- und Förderlehrerinstituten weiter erhöhen