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Lehrermangel: Dem Anspruch hoher Bildungsqualität gerecht werden!

Kultusminister Piazolo kündigt Verbesserung der Bildungsqualität im neuen Schuljahr an. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann stellt klar: Für Schule, die alle gesellschaftlichen Aufgaben erfüllt, reicht es nicht, nur Unterrichtsversorgung zu sichern.

„Zum Schuljahresbeginn wird vor jeder Klasse eine Lehrkraft stehen: Die Unterrichtsversorgung ist gesichert.“ Das verkündete Kultusminister Piazolo am Donnerstag auf einer Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn als Erfolg. Gleichzeitig betonte er: „Mir liegt die hohe Bildungsqualität am Herzen. Es geht darum, das hohe Niveau, das wir an Bayerns Schulen haben, weiter zu verbessern.“

Hier sieht BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann allerdings einen starken Widerspruch, wie sie im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk klarstellt:

„Wir Lehrerinnen und Lehrer freuen uns über einen Kultusminister, der die Bildungsqualität verbessern will. Das wollen wir auch. Dafür reicht es aber nicht, wenn am ersten Schultag eine Lehrkraft vor jeder Klasse steht: Das ist die Grundversorgung, die die Aufgabe eines Staates ist, und – mit Verlaub – ein ziemlich dürftiger Anspruch! Wenn wir Aufgaben wie Digitalisierung, Inklusion, Integration, individuelle Förderung oder, wie auch vom Minister gefordert, Umweltbildung, erfüllen wollen, dann brauchen wir mehr als das. Diese Aufgaben waren früher die Kür, heute sind sie Pflicht, weil die Gesellschaft das alles zurecht von Schulen erwartet. Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen und können das leisten – aber eben nicht mit einer Lehrkraft in großen Gruppen!“

Plan B ist ungenügend

Zudem auch die vom Kultusministerium freudig attestierte eine Lehrkraft pro Klasse eben nicht verlässlich fürs ganze Schuljahr bereit stehen wird. Simone Fleischmann begrüßt zunächst die Ehrlichkeit des Ministers, der die Sicherung der Unterrichtsversorgung lediglich auf den Schuljahresbeginn zusagt, und einen „bundesweit angespannten Lehrermarkt“ einräumt. „Es ist das erste Mal, dass offiziell Lehrermangel zugegeben und nicht von sehr guten oder gar paradiesischen Zuständen in Bayern gesprochen wird“, sagt Simone Fleischmann der Süddeutschen Zeitung.

Der Kultusminister verspricht dabei, der Freistaat könne die Schulen in Bayern trotzdem „gut versorgen“. Die BLLV-Präsidentin weiß aber, dass sich die Lage im Verlauf des Schuljahres deutlich verschärfen wird. „Die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt ins Schuljahr 19/20 starten, die brauchen wir zu 100 Prozent, die dürfen nicht krank werden“, warnt Simone Fleischmann im Bayerischen Rundfunk. Denn der mögliche Ersatz ist unterdimensioniert, stellt  die BLLV-Präsidentin im Gespräch mit SAT1 Bayern klar: „Wir werden nicht gut gerüstet dastehen, sondern sehr schnell aus den mobilen Reserven – das sind die Lehrer, die man hat, wenn jemand krank ist oder schwanger wird – niemanden mehr bekommen. Und dann fällt Unterricht aus!“


Schulen streichen Angebote, Ministerium schmiedet neue Pläne


Von Steigerung der Bildungsqualität, wie vom Kultusministerium angekündigt, kann so keine Rede sein. "Die Lehrerversorgung ist absolut auf Kante genäht", betont Simone Fleischmann in der Süddeutschen Zeitung. Schulleiter seien sogar schon im Vorfeld angehalten worden, Wahlkurse zu streichen und Förderunterricht zu reduzieren. "Das ist bescheiden und armselig – es geht hier um die Bildungsqualität in Bayern!"

Unter solchen Umständen wird es auch mit vom Kultusministerium geplanten neuen Initiativen wie Umweltbildung schwierig: „Wir freuen uns über das Engagement von Schülerinnen und Schülern, die wir ja zu mündigen, politisch interessierten und demokratischen Bürgern erziehen wollen“, sagt die BLLV-Präsidentin im Gespräch mit RTL Bayern live. „Wir holen das Thema jetzt schon in den Unterricht, denn wir verfolgen natürlich das Welt- und Zeitgeschehen. Aber für weitere ‘Projekteritis‘ oder gar neue Fächer ist kein Platz: Wann sollen wir das machen? Wir wollen gerne die Frage stellen, was Schule alles leisten soll. Und dann brauchen wir bitte die Rahmenbedingungen dafür!“

Zusätzliche Experten

Das gilt auch für einen so elementaren pädagogischen Ansatz wie differenzierten Unterricht: „Wenn wir gewährleisten wollen, dass wirklich jedes Kind die individuelle Förderung bekommt, die es braucht, dann brauchen wir eben mehr als nur einen Lehrer pro Klasse“, stellt Simone Fleischmann im Bayerischen Rundfunk klar und bekräftigt die Forderung des BLLV nach multiprofessionellen Teams, um den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern auch im Hinblick auf Integration und Inklusion gerecht werden zu können.

Um nicht nur den Lehrermangel speziell an Grund- und Mittelschulen zu beheben, sondern langfristig tatsächlich die Bildungsqualität zu erhöhen und den gesellschaftlichen Erwartungen an Schule professionell gerecht zu werden, fordert die Simone Fleischmann endlich eine flexiblere Lehrerbildung, wie im Modell des BLLV erarbeitet. Das ist auch mit Blick auf die langfristige Entwicklung des Lehrermangels nötig, wie ihn aktuell auch eine Bertelsmann-Studie prognostiziert.

Achtsamkeit, ja bitte!

Dem schließt sich auch Gründen-Bildungsexperte Thomas Gehring im Gespräch mit SAT1 an und ergänzt: „Wir müssen das Grundschullehramt attraktiver machen, dabei werden wir um eine bessere Bezahlung nicht herumkommen.“ Simone Fleischmann geht im Bayerischen Rundfunk einen Schritt weiter: „Wir müssen über gleichwertige Besoldung von Grund- und Mittelschullehrern nachdenken.“ Hierzu verweist Kultusminister Piazolo auf die Interessen anderer Minister in der Regierung, die er anerkenne, auch wenn er natürlich ebenfalls für bessere Bezahlung von Lehrkräften sei.

Mit Blick auf das neue Schuljahr betonte Piazolo, wie wichtig ihm „Milde und Achtsamkeit in der ganzen Schulgemeinschaft“ sei. „Das finden wir als Lehrerinnen und Lehrer ganz wunderbar, wenn ein Kultusminister das sagt“, freut sich BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Bayerischen Rundfunk. „Denn wir wollen mit Herz, Kopf und Hand unterrichten, wir wollen ganzheitlich und individuell auf jeden Schüler eingehen, wir wollen fördern. Wir wollen in der Tat achtsam mit jedem einzelnen Kind umgehen. Dazu braucht es Zeit: Zeit für Bildung heißt viele Lehrer, mehr als ein Lehrer pro Klasse!“


Wie die Unterrichtsversorgung sich in der Realität und im Verlauf des Schuljahres tatsächlich gestaltet und was das für die Bildungsqualität bedeutet, wird der BLLV in einer Pressekonferenz am 7. Oktober mit aktuellen Zahlen klar stellen. Dabei geht es u.a. um Unterrichtsausfall, den Wegfall ergänzender Angebote, das Problem geschaffener Stellen, für die Köpfe fehlen um sie zu besetzen, sowie um die Differenz zwischen Geburtenprognose und Lehrerbedarfsprognose, wie sie aktuell auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kritisiert. Nötige kurz- und langfristige Maßnahmen werden vorgestellt.

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