Pressemitteilung - Im September hatte der BLLV davor gewarnt, dass es mit der Lehrerversorgung im Laufe des Schuljahres eng werden könnte. Mehr als den regulären Unterricht konnten damals schon die meisten Schulen nicht anbieten, weil Personal fehlte. „Heute, ein paar Monate später, zeigt sich, dass aus der Warnung bittere Realität geworden ist“, erklärte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann bei einer Pressekonferenz in München. Zwar sei die Situation nicht flächendeckend dramatisch, es gebe aber zu viele Schulen, die nicht mehr wüssten, wie sie den Unterrichtsalltag aufrechterhalten sollen. Die Lehrkräfte würden alles unternehmen, um Unterrichtsausfälle zu verhindern. „Die damit verbundene Mehrarbeit, die Zusammenlegungen einzelner Klassen, das Abhalten von verkürztem Unterricht, das nahezu komplette Wegfallen von Förderstunden - das alles zehrt jedoch an ihren Nerven und macht viele krank“, kritisierte sie. Wenn ganze Klassen nach Hause geschickt würden, auch das komme immer wieder vor, hagele es Proteste der Eltern. „Die Adressaten sind dann die Lehrerinnen und Lehrer.“ Bereits im vergangenen Schuljahr mussten sie den drohenden Unterrichtsausfall in 80% abwenden. „Stimmen der Lehrkräfte vor Ort lassen den Schluss zu, dass sich daran nichts geändert hat. Das kann so nicht weitergehen“, sagte Fleischmann. Sie verlangte für alle Schulen in Not sofortige Hilfe. Es gehe auch um die Aufrechterhaltung der Lehrergesundheit, denn nicht zuletzt verursachen kranke Lehrkräfte weitere Ausfälle.
Die BLLV-Präsidentin stellte fest, dass es mittlerweile zu viele Kolleginnen und Kollegen gebe, die ihre persönliche Belastungsgrenze dauerhaft überschritten. Vizepräsident Gerd Nitschke, der sie bei der heutigen Pressekonferenz begleitete, bestätigte: „Sie retten, was zu retten ist.“ Sie machten beinahe alles, um Unterricht nicht ausfallen zu lassen - „manchmal weit über die eigene Schmerzgrenze hinaus.“ Er nannte Beispiele aus Schwaben und Oberfranken: So fehlten an einer Grundschule in Oberfranken in der Woche vom 7. bis 11. März 61 Lehrerstunden und 90 Zeitstunden pädagogisches Personal. Ähnlich die Situation an einer Mittelschule in Schwaben: Vom 9. bis 13. Mai, also die Woche vor den Pfingstferien, fielen dort 76 Stunden wegen Krankheit und sechs Stunden wegen Freistellungen für Fortbildungen aus. 16 Stunden konnten aufgrund von Begleitungen auf Klassenfahrten nicht abgehalten werden, weitere 26 Stunden mussten gestrichen werden, weil Kollegen für die mündliche Prüfung der zehnten Klassen eingesetzt waren. Während dieser Woche stand lediglich für fünf Stunden eine Mobile Reserve zur Verfügung. Die Folge: eine Klasse musste für einen Tag zu Hause bleiben, andere neunte Klassen hatten öfters später Schule oder früher aus. 15 Stunden wurden zusätzlich vertreten, davon sechs Stunden vom Schulleiter. Es gab 12mal eine Doppelführung bzw. Gruppenzusammenlegung. „Solche Beispiele gibt es zu Hauf“, sagte Nitschke.
Zwei Aspekte stellen die Schulen vor besondere Herausforderungen und haben viel zur aktuell so zugespitzten Situation beigetragen: Zum einen die steigende Zahl zu betreuender Flüchtlingskinder und zum anderen die gleichzeitig steigende Zahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Besuchten zu Beginn des aktuellen Schuljahres 46.359 junge Flüchtlinge Grund-, Mittel- und Berufsschulen, sind es inzwischen 62.000. Rund 22.000 gehen in Grund- und Mittelschulen, rund 40.000 in Berufsschulen. Besonders problematisch ist die relativ hohe Zahl unbegleiteter junger Flüchtlinge: An den Grund- und Mittelschulen sind es etwa 3000, an den Berufsschulen 11.000. Viele der Betroffenen sind traumatisiert und benötigen entsprechende Unterstützung. Die wenigsten Lehrerinnen und Lehrer verfügen aber über eine solche Ausbildung. „Die meisten der etwa 860 Schulpsychologen in Bayern haben ohnehin nur sechs Stunden pro Woche Zeit für diese Aufgabe“, bemängelte Fleischmann.
Hinzu kommt, dass bei immer mehr Kindern in Bayern sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert wird: „Während die Anzahl der Kinder in den Förderzentren in den vergangenen Jahren zurückging, stieg die Zahl der inklusiv beschulten Kindern in den Regelschulen stetig: Von etwas mehr als 8000 im Jahr 2005 auf mittlerweile 20.000 aktuell. Gleichzeitig wurde die Zahl der Mobilen Reserven nicht erhöht, was dazu führt, dass sie bereits zu Beginn des Schuljahres aufgebraucht sind. „Um etwaige Lücken aufzufangen, werden Lehrkräfte vielerorts fachfremd eingesetzt oder der Unterricht fällt komplett aus“, schilderte Nitschke. Rückmeldungen aus den Schulen ließen den Schluss zu, dass der Unterrichtausfall in diesem Schuljahr mindestens auf dem Niveau der Vorjahres liegt und das, obwohl es in diesem Jahr keine Grippewelle wie 2014/15 gab. Die Folge: Die Unterrichtssituation an vielen Schulen werde immer prekärer.
Weil zu wenig Personal vorhanden sei, versuchten die Kolleginnen und Kollegen, die Ausfälle zu kompensieren - meistens über viele Monate hinweg. „Auf der Strecke bleibt dabei ihre Gesundheit.“ Eine Zahl sei dabei besonders erschreckend: Nach offiziellen Statistiken ist in 61 Prozent der nicht planmäßig erteilten Lehrerstunden eine Erkrankung der Lehrkraft die Ursache. Das heißt, pro Woche werden in Bayern aufgrund von Erkrankungen der Lehrer/innen rund 126.000 Schulstunden nicht planmäßig unterrichtet. Das macht pro Jahr 4,7 Millionen Stunden.
Fleischmann und Nitschke forderten erneut ein Stopp des Gießkannenprinzips: „Um alle Schulen optimal auszustatten, braucht es eine dezentrale Budgetierung. Auschlaggebend müssen dabei die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort sein.“
Andrea Schwarz, BLLV-Pressereferentin M.A. Tel: 089/ 72 100 129, presse (at) bllv.de