Konfessioneller Religionsunterricht: Klare Prioritäten
Wegen Corona dürfen Klassen nicht durchmischt werden, durch Personalnot fällt Unterricht aus. Doch nach Konfessionen getrennter Religionsunterricht bleibt gemäß Weisung des Kultusministeriums unantastbar. BLLV-Experte Fritz Schäffer wundert sich …
Zu Beginn des vergangenen Schuljahres begleitete ich meine neue sechste Klasse am zweiten Schultag zum Anfangsgottesdienst. Da sich der Beginn etwas hinzog, fragte ich den neben mir sitzenden Paul (der natürlich in Wahrheit anders heißt), ob er denn katholisch oder evangelisch sei. Das wisse er nicht, gab er zurück. Also fragte ich ihn, bei welcher Lehrkraft er denn im Jahr zuvor Religionsunterricht gehabt hätte. Auch das konnte er mir nicht sagen. Schließlich wollte ich von ihm wissen, ob er denn während seiner Grundschulzeit einmal ein größeres kirchliches Fest gefeiert hätte, bei dem er viele Geschenke bekommen habe. Das bejahte er freudig strahlend. „Dann bist du katholisch“, teilte ich ihm mit.
Diese wahre Geschichte fällt mir in diesen Tagen wieder ein, wenn ich sehe, dass durch Corona praktisch alles infrage gestellt wird, was sonst in Schulen gilt. Lehrer und Schüler bewegen sich nur noch mit Maske in der Schule, Pausen müssen entweder in den Klassenzimmern oder in eng abgezirkelten Flecken verbracht werden, damit es ja nicht zu einer Durchmischung von Klassen kommt. Einzelne Schüler oder ganze Klassen werden nach Hause geschickt und müssen fortan online unterrichtet werden, Lehrer stehen unter Quarantäne und sind vom Dienst in der Schule freigestellt, Klassen werden geteilt und sowohl in der Schule als auch online unterrichtet. An vielen Schulen fallen angesichts der eklatanten Personalengpässe Unterrichtsstunden aus, der Sportunterricht findet nicht mehr statt, Förderunterricht wird gestrichen und die Lehrpläne sollen im Zweifelsfall auf die Kerninhalte reduziert werden.
Besonders grundlegendes Grundrecht?
Alles wird durch Corona infrage gestellt? Nein, eines ist unantastbar: die Trennung der Klassen, um konfessionell getrennten Religionsunterricht anbieten zu können! Denn dabei, so teilte das Kultusministerium in einem Schreiben am Ende des letzten Schuljahres mit – wohl wegen der unnachgiebigen Haltung der beiden Kirchen in dieser Frage – handele es sich ja um ein grundgesetzlich abgesichertes Grundrecht.
Gut, andere Grundrechte wie das Versammlungsrecht, das Recht auf Freizügigkeit, sich frei innerhalb der Bundesrepublik bewegen zu können oder das Recht auf Berufsfreiheit wurden dagegen bereits oder werden noch eingeschränkt. Da tröstet es doch, dass uns zumindest das Recht auf konfessionellen Religionsunterricht erhalten bleibt! Soll noch einmal jemand behaupten, die Kirchen hätten keine Antwort auf Corona. Gut zu wissen, dass die Verantwortlichen in Kirche und Ministerium auch in Notzeiten wie diesen stets den geschärften Blick für das Wesentliche behalten und die richtigen Prioritäten setzen.
Der Dank meines Schülers Paul ist den Kirchen sicher, auch wenn er wohl inzwischen wieder vergessen hat, welche eigentlich seine ist …
<< kommentiert von Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV
Der obige Kommentar bezieht sich auf ein Kultusministerielles Schreiben vom 16. Juli 2020, in dem zum Religionsunterricht Folgendes geregelt wird:
„Die Konfessionalität des Religionsunterrichts gehört zum Kern des Art.7 Abs. 3 GG. Damit ist der schulische Religionsunterricht ein Mittel zur Verwirklichung der positiven Religionsfreiheit. Dazu korrespondiert das in Art. 7 Abs. 2 GG verankerte Recht auf Abmeldung vom Religionsunterricht als Pflichtfach, das Ausdruck der negativen Religionsfreiheit ist. Vor diesem Hintergrund sind davon abweichende nicht autorisierte Formen z.B. eines gemeinsamen religions- oder wertekundlichen Unterrichts, der an die Stelle von Religionsunterricht bzw. Ethikunterricht tritt und an dem Schülerinnen und Schülerverschiedener Konfessionen oder konfessionslose Schülerinnen und Schüler teilnehmen, nicht verfassungskonform.“
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Kommentar: "Religionsunterricht hilft, Sorgen und Nöte aufzufangen"
-> "Religionsunterricht ist derzeit besonders wichtig, die Frage der Zusammensetzung steht nicht an erster Stelle!"
BLLV-Referat: Schule, Kirchen, Religionen
Themenseite: Bildungspolitik in Zeiten von Corona
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