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Kommentar: Zurück in die Vergangenheit? Startseite Topmeldung

Kürzungen des Elterngelds falsches Signal für Familien?

Für die einen ist es am richtigen Ende gespart, wenn in Zukunft die Einkommensgrenze für das Elterngeld weiter herabgesetzt wird, für die anderen ist es ein Rückschritt hin zur Stärkung tradierter Rollenmodelle.

Die Ampel-Koalition plant, mit dem Haushalt 2024 das Elterngeld für Paare mit hohem Einkommen abzuschaffen. Betroffen wären davon nach den letzten Plänen Paare, mit einem zu versteuernden Einkommen von 150.000 EUR, was einem Bruttoverdienst von rund 180.000 EUR entspricht. Über den gesamten Bundeshaushalt entscheidet der Bundestag allerdings erst am 1. Dezember. Dazu, wie viele Familien von der Kürzung potenziell betroffen wären, gehen die Angaben sehr weit auseinander – gesprochen wird von 60.000 bis 435.000 Paaren. Die Ankündigung hat für viele Diskussionen gesorgt. Während die einen argumentieren, es wäre richtig „an den Reichen“ zu sparen, argumentieren die anderen, dass die Kürzung zur Stärkung tradierter Rollenmuster führen wird oder dass die vorgeschlagene neue Einkommensgrenze beispielsweise für Familien in Städten mit mehreren Kindern zu niedrig gesetzt ist, weil diese mit einem solchen Einkommen keineswegs als „reich“ zu bezeichnen wären.

 

Ein Kommentar von Sandra Schäfer, Leiterin des BLLV Referats „Gleichberechtigt“

„Kein Geld für die Kindergrundsicherung im Haushalt? Erstaunlich, dass man hier durch die Hintertür wieder indirekt an die Kinder und direkt an die Familien herangeht. Ein höheres Maß an Gleichstellung bei der unbezahlten Arbeit war ein erklärtes Ziel unserer Gesellschaft. Das Elterngeld, 2007 eingeführt und im Übrigen seither nie erhöht, das Mittel der Wahl oder doch zumindest ein wichtiger Teil des notwendigen Maßnahmenkatalogs.

Dieser sollte dazu dienen, dass beide Eltern sich unabhängig vom jeweils eigenen Verdienst dafür entscheiden könnten, sich um die Kinder, also den unbezahlten Teil der Arbeit, zu kümmern und es sollte damit die Gleichstellung in den Familien fördern.

Die Diskussion entbrannte jetzt rund um den Ansatz, Besserverdienenden, ab 150.000 EUR zu versteuerndem Jahreseinkommen des gemeinsamen Haushalts, das Elterngeld zu streichen.

Spaltung erfolgt, Diskussion um soziale Gerechtigkeit entspinnt sich sofort! Das Signal ist klar.

Doch Familien mit entsprechendem Einkommen werden ohne Elterngeld erneut in die gleiche alte Situation gebracht: Wer weniger erwirtschaftet, bleibt bei den Kindern. Wir wissen, dass es (auch) in diesem Bereich hauptsächlich Frauen sind, die den geringeren Teil erwirtschaften und ergo zu Hause bleiben werden und – natürlich – genauso wie in weniger verdienenden Familien, wieder in starke Abhängigkeit geraten.

Neben dieser erneuten Abhängigkeit werden auch die Ausbildung dieser Frauen, ihre Kompetenz und ihr Wertbeitrag am Markt und in der Gesellschaft fehlen. Deshalb geht es eben ganz und gar nicht „nur“ um das Thema soziale Gerechtigkeit, sondern auch um die Debatte, wie gut ausgebildete Frauen weiterhin die Wahlfreiheit haben und in allen Bereichen des Lebens in Zukunft genau den Anteil einbringen können, den sie für richtig halten! Es geht um einen riesigen Rückschritt allein durch das Signal.

Ein Thema, das damit eng zusammenhängt und das aktuell ebenfalls stark in der Diskussion ist: das Ehegattensplitting. Es ist absolut richtig, das Thema jetzt endlich aus dem Koalitionsvertrag hervorzukramen und zu diskutieren. Dieses Instrument – die EU mahnt dies schon lange an – ist  eine der strukturellen Fallen, in welchen Frauen oft die Verliererinnen sind und oft genug ist es Ursache für eine stetig wachsende Altersarmut bei Frauen. Es wird allerhöchste Zeit, das Ehegattensplitting mindestens weiterzuentwickeln. Ausreichende und bezahlbare Kindertagesplätze wären für viele Paare sicher ein attraktiveres Modell um Familien zu unterstützen, Wahlfreiheit und Gleichstellung zu fördern.

Klasse, dass wir das Thema endlich mal im Zentrum haben!

Klar differenziert in der Abgrenzung zu Diskussionen sozialer Gerechtigkeit, müsste die Antwort eher sein: Erhöhung des Elterngelds und eher mehr Möglichkeiten auch für Väter schaffen. Somit ist es ganz klar: Beibehaltung des Elterngelds, denn Gleichstellung und gerechte Verteilung von Carearbeit betrifft alle Mitglieder unserer Gesellschaft! Mit einer deutlichen Aufklärung sowie einer Diskussion über die Fallstricke des Ehegattensplittings wird es allerhöchste Zeit, mehr Gleichstellung zu gewährleisten und letztlich unsere Gesellschaft zu stärken.

Es muss klar sein, welche Maßnahmen welche Ziele haben und was sie bewirken sollen und diese Klarheit müssen wir in der Diskussion beibehalten! Eine Spaltung der Gesellschaft bei diesem Thema lenkt nur ab vom eigentlichen Ziel des Elterngelds.

Sparen bei Familien – klare Absage!“