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Stufenweise Kita Öffnung in Bayern Startseite

Kitas brauchen mehr Personal, Räumlichkeiten und einheitliche Regeln

Seit Mitte März sind Kindertageseinrichtungen wegen der Corona-Pandemie bundesweit geschlossen. Während Schulen seit dem 4. Mai schrittweise wieder öffnen, reagiert man bei Kitas bisher zögerlich.

Ende April verkündeten Bund und Länder ein 4-Stufen-Modell, dessen Ziel der vollständige Regelbetrieb ist und eine Rückkehr dazu im Sommer in Aussicht stellt. Ab dem 25. Mai sollen vorerst Vorschulkinder in die Einrichtungen kommen dürfen und bis Pfingsten 50 Prozent aller Kinder wieder in die Kitas zurückkehren können. Die Notbetreuung für Alleinerziehende, Studierende und Angestellte systemrelevanter Berufe läuft dabei synchron weiter, wird allerdings ausgeweitet.

Wohl der Kinder und Unterstützung der Familien ist ungeheuer wichtig

Natürlich ist es an der Zeit die Kindertagesstätten zu öffnen, wenn das öffentliche Leben in Bayern gelockert wird und die Ausgangsbeschränkungen schrittweise beendet werden. Die bildungspolitischen Lockerungen müssen mit denen der Wirtschaft Schritt halten. Sonst funktioniert das Gesamtsystem nicht. Das Wohl der Kinder und die Unterstützung der Familien ist ungeheuer wichtig und der Bildungsauftrag der Einrichtungen besteht. Damit schaffen die Einrichtungen in dieser turbulenten Zeit eine Perspektive für Eltern und Kinder.

Die Ausweitung der Notbetreuung und der Wiedereinstieg in den Regelbetrieb müssen jedoch sinnvoll funktionieren! Die dynamischen politischen Entwicklungen und der tägliche Wandel von Regeln, Beschränkungen und Erkenntnissen stellen die Akteure der institutionellen Kindertagesbetreuung vor mehr Fragen als je zuvor. Die zuständigen Ministerien von Bund und Ländergeben Empfehlungen, aber kaum verbindlichen Regelungenoder Struktur.Die politischen Vorgaben stellen Leitungen und Träger vor riesige Herausforderungen und verursachen enormen organisatorischen Aufwand!

Schrittweises Hochfahren setzt Verdopplung des Betreuungsschlüssels voraus

In Kitas ist das Prinzip des "Abstandhaltens" nach Einschätzungen von Experten und auch der Familien-und Jugendminister von Bund und Ländern nicht einzuhalten. Kindern, egal welchen Alters, handeln in vielen Situationen impulsgesteuert: Wenn Kinder sich freuen, freuen sie sich. Und der erzieherische Alltag bringt viele pflegerische Situationen (z.B. Essen, Klogänge, ...) mit sich, in denen Nähe fast unvermeidbar ist. Das pädagogische Personal soll mit den Kindern möglichst spielerisch Händewaschen sowie eine Hust-und Niesetikette einüben und den Kleinen nahebringen, sich nicht gegenseitig ins Gesicht zu fassen. Ansonsten ist ein Distanzgebot praktisch nicht umsetzbar. Wer Kleinkinder betreut, kann weder beim Wickeln noch Anziehen anderthalb Meter Abstand halten. Darum muss es ausreichen, wenn die Klein-Gruppen strikt getrennt werden. Das "Hochfahren" der Kinderbetreuungseinrichtungen soll schrittweise in kleinen, festen Gruppen erfolgen - um Infektionswege nachverfolgen und durch Quarantänemaßnahmen unterbrechen zu können.Die damit vorausgesetzte Verdopplung des Betreuungsschlüssel stellt Kitas aber vor ein schier unlösbares Dilemma.

Hohe Flexibilität von Kitas gefordert

Seit Jahren werden bessere Rahmenbedingungen wie mehr Personal und kleinere Gruppengrößen für die Kindertagesbetreuung gefordert. Schon vor der Corona-Pandemie hatte der Bereich einen problematischen Fachkräftemangel. Dieser wird nun durch viele Fachkräfte, die aufgrund ihres Alters oder gesundheitlicher Aspekte zur Risikogruppe gehören, verschärft. ArbeitgeberInnen sollen bei der Personalplanung Rücksicht nehmen, denn sie sind für den Schutz ihrer MitarbeiterInnen verantwortlich. Es gilt jedoch für keine Personengruppe ein generelles Beschäftigungsverbot. Zudem müssen, um den Ansprüchen der Familien gerecht zu werden und den Bedarf zu decken, unter anderem neue Dienstpläne erstellt werden. Dies setzt eine sehr hohe Flexibilität der Kitas voraus.

Mammutaufgabe: Notbetreuungund und Vorschule parallel

Schon ab 11.05. dürfen Hortkinder der 4. Klassen wieder in die Einrichtungen kommen. Das die Vorgaben für die Schule vom Kultusministerium und die für die Kindertagesstätten vom Sozialministerium kommen, macht das Ganze nicht leichter! Dies setzt eine sehr enge Absprache zwischen den einzelnen Institutionen und hohe Kompromissbereitschaft voraus, um beispielsweise die Gruppeneinteilung oder den Schichtbetrieb der Grundschulenübernehmen zu können. Jedes Kind am Übergang zur Schule soll vor dem Ende seiner Kita-Zeit noch einmal die Kita besuchen können. Da davon ausgegangen wird, dass Vorschulkinder die Hygienemaßnahmen ein Stück weit besser verstehen können, dürfen diese ab dem 25.05. vorerst in die Kindergärten zurückkehren. Die Doppelbelastung Notbetreuungund/Vorschule in kleinen Gruppen räumlich getrennt und personell zu planen, wird hingegen zu einer logistischen Mammutaufgabe. Denn in jeder Kita sind die räumlichen Gegebenheiten anders. Viele kleine Einrichtungen haben nicht die baulichen Begebenheiten Kindergruppen räumlich zu separieren.

Objektive, durch das Land beschlossene Aufnahmekriterien für Notbetreuung sind gefordert

Parallel dazu wird sich die Zahl der notbetreuten Kinder in den kommenden Wochen vervielfachen. Das Angebot zur Notbetreuung richtet sich nach wie vor an Eltern in systemrelevanten Berufen. Um die schwierige Situation von Familien mit Kindern zu erleichtern, wird ab dem 11. Mai eine erweiterte Notbetreuung in Bayern eingeführt. Dazu gehören unter anderem Kinder mit besonderem pädagogischen oder Sprachförder-Bedarf und Kinder, die in beengten Wohnverhältnissen leben. Die Voraussetzung, dass das Kind nicht von einer volljährigen Person im Haushalt beaufsichtigt werden könne,wird zwar vom Ministerium betont, von vielen Eltern aber leider ignoriert.Es ist zu beobachten, dass immer mehr Familien sogar ohne Systemrelevanz versuchen die Notbetreuung zu beantragen und auch die ArbeitgeberInnen kreativer in der Begründung einer entsprechenden Systemrelevanz werden. Die Auswahl der in die Notbetreuung aufzunehmenden Kinder erfolgt bisweilen im Rahmen einer Einzelfallprüfung. Ein einheitliches, koordiniertes Vorgehen ist ziemlich schwierig. Die Verantwortung den Kitas zu überlassen zu entscheiden, wer bedürftig und wer nicht ist, ist unverantwortlich. Es sind objektive, durch das Land beschlossene Aufnahmekriterien notwendig, um den Leitungen und Trägern die Last der Entscheidung abzunehmen. Bildungsgerechtigkeit und Kinderschutz müssen selbstverständlich gewährleistet werden, die Betreuung von Kindern mit besonderem erzieherischem Bedarf sichergestellt werden, aber voreiligen "Trittbrettfahren" das Risiko und der eklatante Mehraufwand für die Einrichtungen bewusst gemacht werden.

Für Kinder außerhalb der Notbetreuung ist es besonders wichtig, zu spüren, dass sie noch Teil der Gruppe sind und eine Rückkehr für sie vorgesehen ist. Auch dazu muss das pädagogische Personal Zeit finden, gewisse Konzepte und Wege zu entwickeln und umzusetzen.

Rückschritt in puncto Pädagogikkonzept

Der derzeitige Alltag in Kindertageseinrichtungen stellt teilweise in der Pädagogik einen gewaltigen Rückschritt dar. Viele Einrichtungen haben in den letzten Jahren ihre Konzepte der Öffnung entwickelt, nun wird aber wieder in kleinen, getrennten Gruppen gearbeitet. Damit Kitas auch in dieser Krisensituation gute Bildungs- und Betreuungsangebote anbieten können, ist ein behutsames und vorsichtiges Vorgehen mit Augenmaß im Sinne aller – der Kinder, Eltern und pädagogischen Fachkräfte – angebracht. Die stufenweise Öffnung erfordert mehr Personal, Räumlichkeiten und maximale Flexibilität. Für die einzelnen Einrichtungen bedeutet dies in vielen Aspekten eine mehrfache Doppelbelastung. Kitas dürfen mit den Herausforderungen nicht allein gelassen werden! Es braucht gemeinsame Abstimmungen von Bund und Länder, in die auch ExpertInnen von Trägern, Fachkräften und Eltern eingebunden werden. Dieser Austausch sollte zu einheitlichen Regelungen führen (z.B. Hygienekonzept,...), damit Vertrauen und Akzeptanz in die Vorgehensweisen aufgebaut wird und ihre Umsetzung unterstützt wird. In Zeiten von Corona ist die Flexibilität von Allen, Eltern und Kitas, gefragt, denn die bislang bestehenden Strukturen sind hinfällig.

>> Autorin: Sarah Heße, BLLV, Leiterin der Landesfachgruppe Sozial- und Erziehungsdienste

Weitere Informationen:

>> Die Pressemitteilung des VBE zu den schrittweisen Kita-Öffnungen: "Im Ergebnis zu dünn"



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