Eine Tagung zu Beginn des Jahres. Im Saal mit hunderten Gästen sitze ich in der ersten Reihe, gleich ist meine Keynote gefragt. Die Moderatorin will mich auf die Bühne bitten, ihre Blicke wandern, … ah, da! „Jetzt hätte ich Sie, Frau Fleischmann, in der Riege der schwarzen Anzüge beinah nicht gefunden.“
Ein paar Tage später tagt das bayerische Kabinett. Gleich im Anschluss auf allen Kanälen die Bilder dieser Zusammenkunft der Regierenden. Auffällig auch hier: Einheitliches Anzug-Schwarz, kaum Kostüm-Farbe. Das weibliche Element auch hier: die Ausnahme.
Ende Januar ein Arbeitstreffen am Kultusministerium. Heterogene Gremien zerbrechen sich stundenlang den Kopf über mögliche Folgen von PISA für die Realität an den Grundschulen. Eine Stunde später hält ein Mann eine Pressekonferenz, und das Ergebnis ist ganz einfach: eine Stunde mehr Deutsch!
Drei Schlaglichter auf die Welt der Politik aus weiblicher, aus meiner Sicht. Schräge Beispiele? Ausnahmen? Ist die Realität auch im Jahr 2024 nicht ziemlich männlich geprägt? Die Realität an unseren Schulen ist eine komplett andere. Gerade an den Grundschulen ist der Frauenanteil immens hoch. Der Anteil der Frauen im Landtag eher nicht. Und im Kabinett? Vier Ministerinnen. Für uns am sichtbarsten: die Kultusministerin.
Anna Stolz hat Mut zur Farbe. Aber nicht oberflächlich sticht sie heraus aus der männerdominierten Politik in ihrem Amt. Gestartet ist sie mit Dialog, mit intensiven Gesprächen, mit Offenheit für die eigentlichen Experten, für die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, vertreten durch ihre Verbände. Die Frau nimmt sich Zeit, direkt mit den Lehrerinnen und Lehrern, den Schülern, der ganzen Schulfamilie vor Ort zu sprechen.
Aber ist diese, so möchte ich es benennen, weibliche Politik überhaupt gefragt? Was auf X oder Instagram zündet, ist: Polemik, der simple Schnellschuss. Eine Pressekonferenz, ein paar knackige Ansagen, schnell hingeworfene Ideen, so regiert man mal eben bis in die Grundschule hinein. Sollen sie nur zittern, die Lehrerin und der Lehrer, die Verbandsvertreterin, die Kultusministerin, die gesamte Schulfamilie, sollen sie ruhig wieder wissen, wo der Hammer hängt.
Die Politik, die aufs Zittern setzt, die simple Lösungen präsentiert, mag gefragt sein. Sie ist, so möchte ich das benennen, männlich. Das wird beklatscht, das kommt an. Aber eben nicht bei allen. Die vielen Expertinnen und Experten aus der Praxis wissen, dass man nicht mal eben so die Stundentafel in der Grundschule ändert. Verbände aus Musik, Sport, Kunst erheben ihre kritische Stimme. Lehrerinnen und Lehrer protestieren, sie werden sich nicht vorschreiben lassen, ob sie gendern oder nicht. Eine Verfassungsviertelstunde und ein Verbot des Genderns, Englisch raus aus der Stundentafel an den Grundschulen, Religion muss bleiben, Teilzeit kann man doch einschränken – für die Ministerin sind solche Schnellschüsse der Regierung nicht das Signal zu vorauseilendem Gehorsam, sie setzt so etwas nicht in einem Kultusministeriellen Schreiben um. Das ist groß. Selber schuld, wer weibliche Politik mit Nachgiebigkeit oder Zurückhaltung gleichsetzt.
Wie man sich mit einer, sagen wir es noch einmal, weiblichen Politik Respekt verschafft, zeigt auch ein Beispiel aus dem Bildungsausschuss: Nachdem die Kultusministerin ihre Programmatik vorgestellt hat, stellt jemand eine Frage, die des Parlaments nicht würdig ist. „Was wird eigentlich für die deutschen Kinder getan?“ Die Ministerin schnauft hörbar und antwortet gefasst: „Jedes Kind in Bayern ist ein Kind von uns.“ Riesenapplaus.
Wer nur einen Hammer in der Hand hält, behandelt jedes Problem wie einen Nagel, weibliche Politik traut sich, auf die großen Herausforderungen im Bildungswesen nicht die einfachen, polemischen Antworten niedersausen zu lassen, nur weil das bei Laien so schön knallt. Beispiel Lehrkräftemangel: Dem begegnet man, indem man die Attraktivität des Berufs steigert. Da sind sich auch die schwarzen Anzüge einig. Wo sich die Geister scheiden: Dass es das genaue Gegenteil bewirkt, wenn die Kompetenz der Praxis im bildungspolitischen Prozess nicht einbezogen, wenn sie nicht wertgeschätzt wird.
Wie wäre es nun, wenn es am Ende die dialogische Politik der Kultusministerin wäre, die fruchtet? Oder darf eine Frau, noch dazu eine mit einem anderen Parteibuch, gar nicht eine derart offene und integrative Politik betreiben? Für mich ist klar: Nur so lässt sich die Demokratie halten, nur so lässt sich Bildungspolitik machen, nur so werden wir Lehrerinnen und Lehrer ernst genommen. Schauen wir doch mal, ob weibliche Politik, also weitsichtige und dialogische Politik aus dem Kultusministerium, für Bayern nicht eine Chance bedeutet.