Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) untersuchte für seinen Bericht in allen Schulformen und allen Bundesländern die Leistungen der Neuntklässler in den Fächern Deutsch und Englisch. Generell zeigte sich, dass in Deutsch ein starker Abwärtstrend zu verzeichnen ist, im Fach Englisch hingegen waren die Leistungen besser als beim letzten Mal. Bayern und Sachsen schnitten beim Vergleich zwar besser ab als die anderen Bundesländer, gut ist jedoch etwas anderes. Allein die Lesekompetenz im Fach Deutsch nahm in Bayern seit 2015 um 17 Prozentpunkte ab! Das entspricht fast einem ganzen Schuljahr!
Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards im Kompetenzbereich Lesen nicht erreichen, sind nicht in der Lage, Einzelinformationen aus einfachen, kurzen Texten zu entnehmen und grundlegende Aussagen mit vorhandenem Weltwissen zu verknüpfen. Dies sind in Bayern bei den Neuntklässlern, die den Mittleren Bildungsabschluss anstreben, immerhin 26,6 %, das ist fast jeder dritte!
Englisch besser als Deutsch
Das Leseverstehen im Fach Englisch war insgesamt besser als im Fach Deutsch. Hier verfehlen 7,9 % der Neuntklässler die Mindeststandards für den ersten Schulabschluss im Bereich Leseverstehen und 20,4 % die Mindeststandards für den Mittleren Schulabschluss.
Bildungsungerechtigkeit hat sich seit 2015 verstärkt
Wie gut die Neuntklässler beim Ländervergleich abschnitten, hing 2022 signifikant stärker vom sozioökonomischen Status des Elternhauses ab. Es zeigte sich zudem, dass die Neuntklässler in allen Kompetenzbereichen besser abschnitten, je größer die Anzahl der Bücher in ihrem Haushalt war. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund hatten hingegen signifikante Kompetenznachteile.
Ein Grund für den zu verzeichnenden Abwärtstrend sind natürlich die Lernbedingungen während der Corona-Pandemie. Vor allem wenn hier zusätzlich die Unterstützung aus dem Elternhaus fehlte. Der Kompetenzzuwachs im Lese- und Hörverstehen in Englisch könnte laut IQB „zu einem erheblichen Anteil auch auf außerschulische Lerngelegenheiten zurückzuführen“ sein, da vermehrt digitale Medien und diese häufig auch in englischer Sprache genutzt werden.
Die Besten unter den Schlechten
Beim Vergleich der Länder schneidet Bayern zwar vergleichsweise gut ab, allerdings ist das absolut kein Grund zum Feiern. Jeder Jugendliche, der die Mindeststandards im Fach Deutsch nicht erreicht, ist einer zu viel. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus strukturschwachen Familien und/oder mit Migrationshintergrund benötigen viel mehr Unterstützung – in der frühkindlichen Bildung, durch gezielte (Sprach-) Förderung in den Schulen, beispielsweise im Ganztag.
Doch dafür benötigen wir in den Schulen und Kindertagesstätten viel mehr qualifiziertes Personal und mehr Zeit! Zudem braucht es in unserer Gesellschaft wieder eine Lesekultur und Lesevorbilder, um die Kinder und Jugendlichen zum Lesen zu motivieren und ihnen zu zeigen, dass es nicht nur ein mühsames Aneinanderreihen von Buchstaben ist, sondern ganz neue Welten erschließen kann.
Hier sind alle gefordert, um die Abwärtsspirale zu stoppen und zu verhindern, dass sich die Bildungsungerechtigkeit in unserer Gesellschaft noch weiter verstärkt.
<< Antje Radetzky, Leiterin der Abteilung Berufswissenschaft im BLLV