"Erziehung zur Demokratie ist vordringlich", sagte Dr. Hans- Jochen Vogel. Unsere Demokratie sei für die meisten von uns seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit. Jetzt aber sei diese durch Populisten und Rechtsradikale in ihren grundlegenden Werten gefährdet. Diese Sorge äußerte Vogel in einem Gespräch, zu dem er BLLV- Präsidentin Simone Fleischmann und BLLV- Ehrenpräsident Albin Dannhäuser eingeladen hatte.
Schlüsselrolle von Schule und Lehrern für die Demokratiepädagogik
Vogel sieht sich bestätigt, dass Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern von jeder Generation geschätzt, geschützt und weiterentwickelt werden müsse. Deshalb habe er bereits 1993 die Vereinigung "Gegen Vergessen - Für Demokratie" gegründet. In der Demokratie- Pädagogik falle Schule und Lehrerschaft eine Schlüsselrolle zu. Ihre zentrale Aufgabe sei die Entwicklung der Persönlichkeit, nicht die Ausrichtung an Produktionsfaktoren, stellte der 91-Jährige fest. Erziehung zu demokratischem Bewusstsein und Handeln müsse ein durchgehendes Bildungsprinzip sein. Dabei sei der kritische und verantwortungsbewusste Umgang mit "sozialen Medien" eine besondere pädagogische Herausforderung.
Vogel unterzeichnet Manifest: HALTUNG ZÄHLT
Simone Fleischmann dankte dem 91-jährigen Doyen der deutschen Nachkriegsgeschichte für seine ermutigende Unterstützung des BLLV- Manifests. Der BLLV habe mit diesem Apell vor mehr als zwei Jahren ein starkes Signal in weite Kreise der Politik, Medien und Gesellschaft gesetzt. Die Dringlichkeit eines klaren Bekenntnisses zu demokratischen Werten, zu Respekt und Toleranz werde erfreulicherweise von der Mitte der Gesellschaft bestätigt. Allerdings müssten die Schulen dazu Raum finden und die Lehrerschaft dabei auch politisch unterstützt werden.
Dr. Vogel zeigte im Gespräch erneut seine enge Verbundenheit mit dem BLLV. Seit 40 Jahren ist er Ehrenmitglied des MLLV. Seine Zusammenarbeit mit unserem Verband, speziell mit unserem verstorbenen Ehrenpräsidenten Wilhelm Ebert, reicht jedoch zurück in die 50er Jahre. Vogel bezeichnete Ebert als "Geburtshelfer" der legendären Vierer- Koalition von 1954 -57, die - einmalig in der Landesgeschichte - die Frage der Lehrerbildung und Schulpolitik in den Mittelpunkt gestellt hatte.
Sorge um die Demokratie noch immer aktuell
Mit Ebert traf sich Vogel zusammen mit Waldemar von Knoeringen und Hildegard Hamm- Brücher regelmäßig in der BLLV-Geschäftsstelle zum "Montagskreis", in dem vor allem Grundlinien der politischen Bildung und Schulpolitik entwickelt wurden. Das Gespräch mit Hans Jochen Vogel war auch eine Geschichtsstunde der besonderen Art. Er hatte eine Mappe mit vielen Original-Dokumenten aus historischen Begegnungen mit dem BLLV vorbereitet. In den Stationen seines politischen Werdeganges leuchteten große Momente der Landes- und Bundespolitik auf, die er unmittelbar mitgestaltet hatte - als Oberbürgermeister Münchens und Regierender Bürgermeister Berlins, als SPD-Landes- und Bundesvorsitzender, als Bundesminister im Kabinett Brandt und Schmidt und als Kanzlerkandidat 1983.
Mitglied und Verbündeter des BLLV
Einige Ereignisse und Erlebnisse mit Persönlichkeiten garnierte er mit erfrischendem Humor und unverstellter Herzlichkeit. Albin Dannhäuser, der als Bundesgeschäftsführer des Verbandes Bildung und Erziehung Hans Jochen Vogel in dessen Funktion als Bundes-Justizminister in Bonn kennenlernen durfte, erinnerte dankbar daran, dass ihm Vogel bereits bei der ersten Begegnung zusicherte: "Meine Türe steht jederzeit für Sie offen. Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie mich an." Diese Tür stand und steht für den BLLV, wie sich bestätigte, bis heute und auch weiterhin weit offen.
Dr. h.c. Albin Dannhäuser