Handschrift in der Schule: zu wenig Zeit für kulturelle Bildung
Die Handschrift-Studie „STEP 2019“ belegt: An den Schulen kommt das Erlernen von Basiskompetenzen zu kurz. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert, den Trend zu stoppen und kulturelle Bildung allen Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen.
Ist kulturelle Bildung selbstverständlicher Bestandteil im täglichen Schulleben? Betrachtet man die Ergebnisse der aktuellen STEP-Umfrage zur Handschrift, fällt die Antwort eher negativ aus. Die Studie wurde vom BLLV-Dachverband, dem Verband Bildung und Erziehung (VBE), in Kooperation mit dem Schreibmotorik Institut durchgeführt und zeigt Entwicklungen, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben.
Von den über 2000 befragten Lehrkräften, darunter rund 400 aus Bayern, geben deutschlandweit 86% an, dass sich die Handschrift der Schülerinnen und Schüler verschlechtert hat - das sagen auch 87% aller befragten Lehrkräfte aus Bayern. "Eine ungute Entwicklung, die wir dringend stoppen müssen - gerade auch im digitalen Zeitalter", kommentiert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. "Wenn eine Basiskompetenz wie die Handschrift verloren geht, verlieren Schülerinnen und Schüler auch ein Stück Persönlichkeit. Denn mit der Handschrift drücken wir uns aus.“
Wie die Studie zeige, falle es jungen Menschen schwer, eine gut lesbare, flüssige Handschrift zu entwickeln - auch in Bayern“, so Simone Fleischmann. Auch die befragten Lehrerinnen und Lehrer halten es für wichtig, dass Kinder heutzutage das Schreiben mit der Hand lernen. 99% im Primar- und 98% im Sekundarbereich geben das an.
Nur wenige Lehrkräfte sind laut der Studie mit der Handschrift der Kinder und Jugendlichen zufrieden. Für den Primarbereich geben dies immerhin noch insgesamt 18% an, im Sekundarbereich nur noch 4%. Dazu Grafik 1:
"Immerhin ist im Grundschullehrplan der Prozess zum Erwerb der Handschrift noch fest verankert - was der BLLV bei der Einführung des neuen Lehrplans ausdrücklich gefordert hatte", analysiert Simone Fleischmann. "Wir müssen aber dafür Sorge tragen, dass möglichst viele Kinder nach vier Grundschuljahren diese Fähigkeit sicher und gut beherrschen." Für Heranwachsende sei die Schule noch der einzige Ort, an dem sie mit der Hand schreiben müssten und diese Fähigkeit gefragt sei. Doch auch hier gebe es inzwischen zu wenig Zeit, sich in ausreichendem Maß damit beschäftigen.
Dabei ist die große Mehrheit der bayerischen Lehrerinnen und Lehrer von den positiven Auswirkungen des Handschreibens auf die schulischen Leistungen überzeugt. Dies betrifft insbesondere die Rechtschreibung (96%), das Verfassen von Texten (94%), das Leseverständnis (90%) und das Textverständnis (84%). Dass sich das Handschreiben positiv auf die schulischen Leistungen insgesamt auswirkt, geben mehr als neun von zehn Befragten an. Dazu Grafik 2:
Gerade im digitalen Zeitalter erachten die Pädagoginnen und Pädagogen das Handschreiben als sinnvoll und notwendig, so das Ergebnis der Studie. 88% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmt der Aussage zu, dass Bildung das Handschreiben im sinnvollen digitalen Kontext benötigt. Auch 88% geben an, dass sich die Medien ändern, aber die Handschrift erhalten bleiben soll.
Gefragt nach den Gründen warum sich Schülerinnen und Schüler aus Sicht der Lehrkräfte schwer tun, nennen die Befragten insbesondere auch schulpolitische und pädagogische Aspekte. Nur 8% halten die Zeit für individuelle Förderung für ausreichend, nur 9% sind der Meinung, Schule bietet genügend Zeit für das Üben der Handschrift (Grafik 3). Für knapp drei Viertel der Befragten wird im Lehrplan zu wenig Zeit auf das Schreiben-Lernen gelegt, 61% berichten dies für die Lehrerbildung.
Was kann bei Handschreibproblemen von Schülerinnen und Schüler helfen? Hier werden viele Punkte von den Lehrerinnen und Lehrern aufgeführt:
- Mehr feinmotorische Freizeitaktivitäten: 85%
- Spezielles schreibmotorisches Training: 80%
- Mehr Übungszeit in der Schule: 79%
- Interesse am Handschreiben wecken: 74%
- Gezielte Förderung in höheren Klassen: 70%
- Mehr indiv. Förderung im Unterricht: 69%
- Verstärkte Förderung im Kindergarten: 67%
Die Studie zur Handschrift lässt sich in vier Kategorien zusammenfassen:
Hohe Bedeutung und große Probleme: Fast alle Lehrer halten das Erlernen der Handschrift für sehr wichtig. Allerdings sehen die Lehrkräfte deutliche Probleme bei der Handschrift der Kinder und der dafür notwendigen Kompetenzen.
Auswirkungen auf Bildungschancen: Die Mehrheit der Lehrer ist von der positiven Auswirkung des Handschreibens auf schulische Leistungen überzeugt.
Ursachen: Lehrkräfte beklagen zu wenig Zeit für individuelle Förderung in der Schule und zu wenig Zeit für das Üben in der Schule, fehlende Wertschätzung im Lehrplan und in der Lehrerausbildung.
Handlungsmöglichkeiten: Empfohlen wird eine gezielte Förderung, mehr Üben und feinmotorische Freizeitaktivitäten, sowie die Begeisterung der Schüler für Handschrift zu wecken.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann forderte daher mehr Ressourcen für Schulen und Kitas, um junge Menschen entsprechend ganzheitlich fördern zu können. Die Handschrift dürfe trotz Smartphones und Tablets nicht stiefmütterlich behandelt werden. „Weil ausschließlich Faktenwissen zählt, kommen Basiskompetenzen wie die Handschrift zu kurz - obwohl sie Möglichkeiten bietet, eigenes Kreativitätspotential auszuleben und wesentliche Kernkompetenzen zu entwickeln“, beklagt Fleischmann. Kulturelle Bildung müsse daher an allen Schulen gestärkt und besser in den Schulalltag integriert werden.
Allen Schulen müsste ein ganzheitliches Bildungsverständnis zugrunde gelegt werden, so die BLLV-Präsidentin. Es definiere sich nicht ausschließlich über Faktenwissen, sondern umfasse alle Bereiche des Lebens. „Es integriert und stabilisiert, es bietet Orientierung in einer Welt, die immer komplexer wird. Und es erfordert lebenslanges Bemühen.“
Damit auch die Aufwertung des Schreiben-Lernens gelingen könne, müssten für die Lehrerinnen und Lehrer entsprechende Rahmenbedingungen erfüllt sein: „Dazu gehört ausreichend Zeit, genügend Personal und Möglichkeiten, mit den Kindern in Ruhe und ohne Prüfungsdruck zu trainieren. Die jungen Schülerinnen und Schüler sollten Schreiben lernen als Prozess erleben dürfen, an dem sie wachsen und reifen.“