Alle Menschen schauen erschrocken, betroffen und voller Sorge auf die Geschehnisse in der Ukraine – und so geht es natürlich auch den Kindern und Jugendlichen, die am Montag nach den Faschingsferien ins zweite Schulhalbjahr starten. „Heute wird in keiner Schule in Deutschland, in Bayern unterrichtet, ohne dass dieser schlimme Krieg, diese schlimme Ereignis mitten in Europa thematisiert wird“, stellt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann daher im Gespräch mit Radio Gong klar. „Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen, dass die Kinder und Jugendlichen den Krieg in der Ukraine mit uns gemeinsam reflektieren dürfen. Wir wollen und müssen das zum Thema machen, das sind wir der Gesellschaft schuldig und vor allem den Kindern und Jugendlichen.“
Es wird also nicht nur wegen Corona kein normaler Schulstart, und das soll er auch nicht sein. „Das Allerwichtigste ist, nicht zu sagen: ‘Jetzt ist eigentlich Mathe laut Stundenplan, also jetzt weiter mit Buch auf Seite 47‘“, betont Fleischmann – ganz im Sinne einer ganzheitlichen Bildung, für die sich der BLLV vehement einsetzt, gehe es stattdessen um einen sehr emotionalen Zugang.
Sicherheit geben
Das gilt aus Sicht von Simone Fleischmann ganz besonders für Kinder, die indirekt vom Krieg betroffen sind: „Wenn Kinder Verwandte in der Ukraine haben, die immer noch in Kiew im Keller sind, und das Kind weiß das, dann hat das Kind Angst!“, stellt die BLLV-Präsidentin klar. Kinder würden sich dann Fragen stellen wie „Muss ich auch in den Keller? Manche Leute kaufen jetzt schon wieder ganz viel ein. Hat das jetzt mit der Corona-Krise zu tun oder haben die Angst vor Krieg? Was wäre denn, wenn mein Papa weg ist? Wie, mein Papa muss gehen, kommt der wieder? Passiert das alles auch bei uns?“
Diesen Fragen, Ängsten und Gedanken emotional zu begegnen, brauche vor allem eins: Viel Zeit! Das Ziel für Simone Fleischmann: „Wir dürfen den Kindern dabei nicht noch mehr Angst machen, wir müssen sie orientieren, ihnen Sicherheit geben.“
Das Herz aufmachen
Dieser Anspruch leitet Lehrerinnen und Lehrer auch mit Blick auf geflüchtete Kinder, die an deutsche Schulen kommen werden. Wichtiger als organisatorische Fragen, die sich auch mit den Erfahrungen aus der Flüchtlingsbeschulung 2015 klären lassen, ist für die BLLV-Präsidentin auch hier das emotionale willkommen heißen und auffangen. „Wir öffnen Kindern, die von jetzt auf gleich geflüchtet sind, die Schultür und dann geht es um die Fragen, die sie unter dem Eindruck dieser Erfahrung mitbringen: ‘Bleibe ich hier? Komme ich nicht mehr heim? Wie soll ich mich hier einleben? Bin ich Teil der Gesellschaft so wie alle anderen Kinder, die hier wohnen? Wo ist meine Heimat? Wenn ich jetzt Deutsch lernen soll, heißt das, dass ich gar nicht mehr zurückkomme? Wo ist eigentlich mein Papa?“
Auf solch drängenden Fragen kann es für Simone Fleischmann nur eine Antwort geben: „Wir müssen ganz sensibel mit den Gefühlen aller Kinder umgehen und wir werden an den Schulen wieder beweisen, dass wir Integration können: Wir alle wollen unser Herz aufmachen und haben eine große Verpflichtung, den Menschen aus der Ukraine hier in Europa zu helfen.“
Maske oder nicht? Bitte Unterschiede erklären!
Zur Wahrheit gehört aber aus Sicht des BLLV als Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer in Bayern auch, dass an Schulen nach wie vor durch die Corona-Pandemie erschwerte Rahmenbedingungen herrschen. Daran ändert der Wegfall der Maskenpflicht im Sportunterricht nur sehr bedingt etwas. "Die Gesellschaft öffnet und in der Schule bleibt alles streng - diesen Eindruck haben dieser Tage vielleicht die ein oder andere Schülerin oder Schüler, Mutter oder Vater eines Schulkindes – dass Kinder im Sportunterricht keine Maske mehr tragen müssen, fällt da nicht sonderlich ins Gewicht“, analysiert Simone Fleischmann.
Die BLLV-Präsidentin fordert die Staatsregierung daher auf, für Sicherheit an den Schulen zu sorgen und vor allem Regelungen, die sich von denen im öffentlichen Raum auffällig unterscheiden, für alle verständlich zu erklären: „Wenn es Diskrepanzen gibt, die man möglicherweise ja nachvollziehen kann, weil sie aus Gesundheitssicht begründbar sind, erwarten wir von der Staatsregierung, dass sie dies erklärt – der Gesellschaft, den Eltern, den Kindern, den Lehrern. Damit wir nicht als Schulleiter diese Widerstände an der Schultür auffangen müssen.“
Schule als solidarischer Lebensraum – unter erschwerten Bedingungen
Simone Fleischmann stellt zudem klar, dass die politischen Entscheider dabei auch die Verantwortung für Lockerungen tragen, die pädagogisch natürlich sehr zu begrüßen seien: „In der Corona-Zeit haben wir erleben müssen, dass für viele leider weiter nur Zeugnisnoten in Mathe, Deutsch & Co. wichtig sind. Wir im BLLV wissen aber: Ganzheitliche Bildung ist eigentlich angesagt! Das heißt, dass Sport, Musik und Kunst nicht wegfallen dürfen: Gemeinsam singen, gemeinsam Theater spielen, die Schule leben, damit sie nicht nur Lernraum, sondern auch Lebensraum wird, das ist wichtiger denn je! Wenn die Staatsregierung sagt, die Maske fällt im Sport, beim Singen und in anderen Situationen, dann freuen wir uns als Lehrerinnen und Lehrer, denn wir wollen ganzheitliche Bildung anbieten, wir wollen mit den Kinder sporteln und singen. Die Maske ist dabei sehr belastend. Wenn das aber dazu führt, dass die Kinder, die Eltern, die Gesellschaft kränker werden, dann muss die Staatsregierung das verantworten.“
Aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer ist für die BLLV-Präsidentin trotz erschwerter Umstände eines klar: „Auch wenn uns hinten und vorne die Lehrer fehlen und wir mitten in einer Pandemie stecken: Wir werden allen Kindern gerecht werden! Denn wir rücken zusammen, wenn es darum geht, Solidarität zu zeigen und Kinder aufzufangen.“
Gesprächspartner waren unter anderem Radio Charivari, Radio Arabella, Radio Schwaben, extra-radio, Euroherz, RSA Radio, Radio Eins, extra-radio, Radio AWN
Guter Schulstart trotz Krieg in Europa, Corona und Lehrermangel
Damit Kinder und Jugendliche am Montag gut ins zweite Halbjahr starten können, sieht BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann auch die Politik in der Pflicht, mit klaren Regelungen und klarer Kommunikation für Ruhe und Sicherheit zu sorgen.
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