Paukenschlag in Hessen: Im Koalitionsvertrag der Landesregierung steht, das Schulen „Rückmeldungen über den Lernfortschritt und den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler in Form einer schriftlichen Bewertung geben“ dürfen. Nur bei Schulübergang oder Schulwechsel müssen weiterhin Noten in Ziffern vergeben werden. Die Regelung gilt aber nur für Jahrgangsstufen, in denen kein Wechsel auf eine weiterführende Schule folgt. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
„Wir Lehrerinnen und Lehrer sind immer schon der Meinung, dass wir Leistung auf verschiedene Art und Weise rückmelden sollten“, begrüßt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann den Vorstoß. „Der Wert von guter Leistungsrückmeldung ist dann gegeben, wenn sie möglichst viele Kompetenzen berücksichtigt wie beispielsweise Teamfähigkeit, Selbstständigkeit oder Phantasie, und nicht einfach nur eine Zahl ist. Sie soll ein konstruktiver, individueller und kommunikativer Prozess sein. Insofern sind wir sehr aufgeschlossen, was alternative Formen der Leistungsrückmeldung angeht.“
Leistung im 21. Jahrhundert
Fleischmann gibt aber zu bedenken, dass Bayerische Lehrerinnen und Lehrer in der Praxis in einem Schulsystem arbeiten, das eine rechtskonforme Selektionsfunktion zu leisten hat, Lebenschancen verteilt und dazu Schüler in vermeintlich homogene Lerngruppen einteilen muss.
Eine neue Lern- und Leistungskultur sei aber nur mit einem Ansatz möglich, der statt auf Beurteilung auf individuelle Förderung des einzelnen Schülers ziele und damit der Heterogenität verpflichtet ist, die wir in der Praxis an den Schulen erleben. Einen Lernbegriff fürs 21. Jahrhundert hat der BLLV bereits entwickelt, ebenso plädiert er seit Langem für einen neuen Leistungsbegriff.
Individuelle Förderung statt Prüfungsfixierung
Hier sei Bayern bereits auf einem guten Weg: „Ein solcher neuer Lernbegriff und der bereits umgesetzte kompetenzorientierte Lehrplan ist ein Fundament, auf dem man aufbauen kann, um zu überlegen: Wie können wir in Bayern Leistung anders rückmelden“, so Simone Fleischmann. Sie verweist dazu auf die Lernentwicklungsgespräche an den Grundschulen und die vielfältigen Möglichkeiten der Leistungsrückmeldung, vor allem im differenzierten Gespräch, in dem Schülerinnen und Schüler auch selbst nach der Einschätzung der eigenen Leistung gefragt werden können.
Wichtig sei dabei ein individueller, prozessorientierter Blick auf Entwicklung, Lernfortschritt und unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten. So ließe sich prüfungsfixiertes, reproduktives Lernen in tatsächliches Aufnehmen und Verinnerlichen überführen.
Eine professionelle Umstellung auf eine Schule ohne Noten bräuchte aber Zeit, mahnt die BLLV-Präsidentin: „Hier muss man die Lehrer mitnehmen, die Eltern und die Schüler, das wäre ein langfristiger Prozess. Wir im BLLV glauben nicht, dass es von heute auf morgen ganz ohne Noten geht. Man könnte langsam die Note ergänzen durch andere Möglichkeiten der Rückmeldung. Das tun wir schon in Bayern: Die Zeugnisse in der Grundschule sind der beste Beweis dafür.“