Bild: Egal ob Blumenbeet bepflanzen, Tortellini formen oder Staudämme bauen: Um in diesen Zeiten zur Ruhe zu kommen, sind Auszeiten vom Weltgeschehen unbedingt erlaubt.
Bild: Egal ob Blumenbeet bepflanzen, Tortellini formen oder Staudämme bauen: Um in diesen Zeiten zur Ruhe zu kommen, sind Auszeiten vom Weltgeschehen unbedingt erlaubt.
Mit (Schul-)Kindern durch die Coronakrise Startseite
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Folge 6: Pandemie und Putins Panzer

Auch wenn wir Erwachsenen uns an das Virus gewöhnt haben: Kindern bricht es immer wieder das Herz. Zum Beispiel, wenn ein Kindergeburtstag in letzter Sekunde abgesagt werden muss. Zur Pandemie kommt jetzt der Ukraine-Krieg. Und dann ist da ja sowieso auch noch der Klimawandel. Warum es trotzdem richtig und wichtig ist, positiv in die Zukunft zu blicken.

Lara Hoffmann kümmert sich beim BLLV um Website und Social Media. Sie hat einen Sohn (6) und eine Tochter (9) und lebt mit ihrer Familie in Schwabing. Für den BLLV beschreibt sie in loser Folge, wie sie den Alltag mit ihrer Familie in Corona-Zeiten erlebt.

Noch nie habe ich meine Tochter so weinen sehen: hemmungslos und aus tiefstem Herzen. Und auch nachdem sie sich ein bisschen beruhigt hat, machen mich ihr leerer Blick und ihre roten Flecken in Gesicht und am Hals ganz hilflos.

Was sie so erschüttert: Sie muss ihre Geburtstagsfeier absagen – weil in ihrer Mittagsbetreuung ein Corona-Fall ist und sie deshalb in Quarantäne muss.

Okay: Sie musste bis jetzt noch keine großen Schicksalsschläge erleiden. Wie es für ein Kind ihres Alters wünschenswert ist. Aus Erwachsenensicht ist es natürlich leicht, eine abgesagte Geburtstagsfeier als Lappalie runterzuspielen. Aus Kindersicht aber ist der Geburtstag DAS Highlight des Jahres. Und für meine Tochter Zeit mit ihren Freundinnen das Schönste, was sie sich vorstellen kann.

Vor zwei Jahren Bilder mit Corona-Viren und Regenbögen, jetzt mit Panzern, ukrainischer Flagge und großen Lettern „Stoppt Putin!“

Nahezu alles, was wir geplant hatten in den vergangenen Monaten, Besuch von Freunden und Familie, Urlaube und Ähnliches, worauf wir uns gefreut hatten, müssen wir in letzter Sekunde streichen aus Corona-Quarantäne-Gründen. „Am besten, wir sagen den Kindern gar nichts mehr, sondern erst in dem Moment, wenn es wirklich stattfindet“, sage ich zu meinem Mann. Aber ist nicht gerade das, was uns manche Durststrecke im Alltag gut durchstehen lässt, die Vorfreude? Umso wichtiger erscheint es mir unbedingt den Moment nutzen, wenn gerade einmal keine Beeinträchtigungen durch Corona sind.

Pandemie und was sie mit sich bringt, das kennen meine Kinder. Wie Krieg funktioniert, ist jetzt das aktuelle Thema beim Abendessen: Pistolen, Panzer, Putin. Und wie das mit dem Öl ist. So wie meine Kinder vor zwei Jahren Bilder mit Corona-Viren und Regenbögen aus Kindergarten und Schule mitgebracht haben, sind es jetzt Bilder mit Panzern, ukrainischer Flagge und großen Lettern „Stoppt Putin!“.

Abschalten erlaubt!

Die Waage zu halten zwischen Mitgefühl einerseits und sorglosen Momenten andererseits ist gar nicht so einfach. Nach einem Overload an deprimierendem Weltgeschehen, erlaube ich mir, zwischendurch auf die Pause-Taste zu drücken. Gucke abends keine Nachrichtensendungen mehr, stattdessen studiere ich im neuen Kochbuch ausführlich die Zubereitung von Tortellini. Ebenso ausführlich jäte ich mit Sohn und Tochter mein saunahandtuchgroßes Blumenbeet und gehe auf Schneckenjagd.  

Pandemie und Krieg nehmen aktuell viel Raum ein. Dass meine Kinder zukünftig immer mehr durch den Klimawandel herausgefordert werden, jagt mir zusätzlich immer wieder Angstschauer über den Rücken. Werden sie ein schönes Leben haben, aus dem Vollen schöpfen können, alle Möglichkeiten haben?

Ist weniger das neue mehr?

Wir werden lernen werden müssen, einfacher zu leben, sagt mir eine Freundin. Weniger Konsum, weniger Mobilität, weniger Eigenheim-bauen-zwei-Autos-und-zwei-Fernreisen-im-Jahr. Dass dies eine gute Sache ist, davon ist sie überzeugt. Weil dieses Weniger ein Besinnen aufs Eigentliche sei und das wiederum dem Menschen, sowohl psychisch als auch physisch, gut tun würde.

Was zählt, darauf hat uns die Pandemie ja schon gute Antworten geliefert: Wie wichtig unsere Gesundheit ist. Wie wichtig es für uns als soziale Wesen ist, mit wohlgesonnenen Menschen unsere Zeit zu teilen. Wie schön es ist, eine Aufgabe zu haben.

Und eigentlich hätte ich gedacht, die Pandemie hätte uns auch gelehrt, wie sinnlos so manche Regeln, egal ob offizielle und inoffizielle, sind. Atemlos berichtet mir eine Mutter, dass ihre Tochter, gerade eingeschult, noch gar nicht schwimmen könne. Und zur Einschulung müssten Kinder das doch eigentlich können. Aber momentan sei es so schwierig einen Platz in einem Schwimmkurs zu ergattern: Wegen der Corona-Pause total überlaufen.

Ich sehe den ängstlichen Blick der Mutter und ich packe mir an meine eigene Nase. Auch ich hatte diesen Gedanken: Vor der Einschulung im Herbst sollte mein Sohn schwimmen können. Für Wasserrattenkinder kein Problem. Für meinen Sohn, der sich an Bach, See oder Meer am Ufer am wohlsten fühlt, Steine wirft und akribisch Staudämme baut, eine ziemliche Herausforderung. Wie wurscht das ist, denke ich mir. Dann lernt er es eben später. Sowas von wurscht.

>> zur ersten Folge der Kolumne: "Folge 1: Die ersten Tage im Wahnsinn "

Weitere Informationen

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Schlagwörter: #Beziehung #Leistungsdruck
Themen:
Corona