Welchen Einfluss haben Worte auf das Handeln von Menschen? Einen großen, wie Wissenschaftler der Stanford University 2011 herausfanden. Sie legten zwei Gruppen von Versuchsteilnehmen einen Bericht über die steigende Kriminalität in einer Stadt vor. In der einen Variante des Texts wurde die Kriminalität mit einem Virus verglichen, in der anderen mit einer Bestie. Anschließend sollten die Probanden Lösungsvorschläge für das Problem unterbreiten.
Die Versuchsteilnehmer, die den Virustext gelesen hatten, schlugen vor allem präventive Maßnahmen vor wie Bildungsprogramme und Armutsbekämpfung. Die Gruppe mit dem Bestien-Text machte sich für ein hartes Durchgreifen stark, forderte strengere Gesetze und höhere Strafen.
„Gerade bei schwierigen Themen kommt es auf die sprachliche Disziplin an: Die rhetorische Intonierung in Fragen von Asyl und Flüchtlinge muss behutsam bleiben, um den komplexen Sachverhalten ebenso wie den betroffenen Menschen gerecht zu werden.“ Dr. Ulrich Maly. Oberbürgermeister von Nürnberg (SPD)
Sprache lenkt die Wahrnehmung eines Themas
Wie Menschen über etwas reden, bestimmt also ihre Wahrnehmung und damit ihr Handeln. Dieser Befund lässt sich auch auf die derzeitige Flüchtlings- und Asyldebatte übertragen. Es kursieren Schlagworte wie „Flüchtlingskrise“ oder „Flüchtlingslawine“. Beide Begriffe verstellen den nüchternen Blick auf das Thema.
Handelt es sich nun wirklich um eine von Flüchtlingen ausgelöste Krise oder eher um eine Krise des Staates, weil seine Gesetze und Organisationsstrukturen versagen? Ist der Zuzug von Menschen aus Krisenregionen tatsächlich eine kaum beherrschbare Naturgewalt? Oder erzeugt der Begriff eher unbegründete Ängste?
„Wir müssen uns unserer Verantwortung klar sein. Es klang in meinen Ohren sehr gut als Bundesinnenminister Thomas de Maiziere von der Würde des Menschen gesprochen hat. Jeder der zu uns kommt, hat das Recht, angehört zu werden. Jeder. Das müssen wir betonen. Gewalt beginnt schon in der Sprache.“ Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags (CSU)
Integration ist eine Frage der Wortwahl
In den kommenden Monaten werden weiter Menschen aus Kriegsregionen nach Deutschland kommen. Wie wir über sie und ihre Anliegen sprechen, entscheidet mit darüber, ob Integration gelingt.
Der BLLV-Landesvorstand hat deshalb in einem einstimmig gefasst Beschluss die Politik dazu aufgerufen, sich einer angemessenen Sprache zu bedienen. „Bereits in unserer Sprache signalisieren wir, ob wir eine Willkommenskultur pflegen!“, heißt es in dem Beschluss.
Die besondere Verantwortung von Lehrkräften
Nicht nur Politiker, auch Lehrerinnen und Lehrer haben Vorbildfunktion. Mit unserem Sprechen prägen wir das Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen. Wie wir an unseren Schulen über die Neuankömmlinge und die damit verbunden Herausforderungen sprechen, trägt dazu bei, ob es gelingt, Ängste und Vorbehalte auf beiden Seiten abzubauen und das Schulklima positiv zu beeinflussen.
Manchmal verwenden wir negative besetzte Schlagworte wie die „Flüchtlingswelle“, ohne uns bewusst zu sein, was sie auslösen, weil sie sich im allgemeinen Sprachgebrauch verfestigt haben und akzeptiert sind. Das nun vorliegende Wording soll dazu anregen, solche unbewussten Mechanismen zu hinterfragen und zu reflektieren.