Werken.jpg
PISA-Offensive Startseite Topmeldung
Kreativität Kompetenzorientierung Schülerzentriert Motivation

Fächerzusammenlegung geht zulasten von Zukunftskompetenzen!

Kunst, Musik und Werken werden zusammengelegt, damit zugunsten von Mathematik und Deutsch gekürzt werden kann. Das verringert die Chance, dass Kinder Schlüsselkompetenzen für die Arbeitswelt von morgen erlangen, sagt die Fachgruppe Fachlehrer im BLLV.

Argumente zur PISA-Offensive der Fachgruppe Fachlehrer musisch/technisch

Das Kultusministerium hat den Schulen immerhin einen gewissen Spielraum für eine situative Entscheidung vor Ort eingeräumt in ihrem Plan, an Grundschulen im Rahmen seiner "PISA-Offensive" mehr Deutsch und Mathematik unterrichten zu lassen. Die Fachgruppe Fachlehrer im BLLV begrüßt die Flexibilisierung vor Ort und auch die Stärkung der Kernfächer. Durch die Zusammenlegung von Kunst, Musik und Werken in einen Fächerverbund mit flexiblen Stunden ist aber bei gleichbleibender Gesamtstundenzahl klar, dass dort gekürzt werden wird.

Doch was heißt eigentlich „Kernfächer“? Neurodidaktiker Manfred Spitzer hat provokant formuliert: „Die wichtigsten Schulfächer sind Musik, Sport, Theaterspielen, Kunst und Handarbeiten, da alle anderen Fächer davon profitieren.“ In der Bayerischen Verfassung heißt es in Artikel 131 Schule solle nicht nur Können und Wissen vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden – aus Sicht des BLLV und seinem Credo ganzheitlicher Bildung schon immer ein essenzieller Auftrag.

Was Kinder und Gesellschaft dringend brauchen

Aber auch aus heutiger wissenschaftlicher Sicht ist der Wert der zur Disposition freigegebenen Fächer klar belegt: Lernen mit Musik, Gesang und Tanz, vielfältiger Stimmeinsatz, kreative Gestaltung mit Materialien unterstützen messbar die Gehirnentwicklung: Kinder erlangen phonologische Bewusstheit, werden in ihrer Sprachentwicklung gefördert wie auch im logischen und abstrakten Denken. Zugleich werden durch das – individuelle und gemeinsame – handlungsorientierte Arbeiten und Lernen soziale Kompetenzen wie Teamwork und persönliche Fähigkeiten wie das Lösen von komplexen Problemen, kritisches Denken und selbstbewusstes Auftreten aktiv auf- und ausgebaut. Hört man sich in der Wirtschaft, insbesondere im Bereich des Personal-Recruitings, um, so sind das genau die Kompetenzen, nach denen Unternehmen jetzt schon – und in Zukunft noch mehr – dringend suchen.

Aus Sicht der Kinder ist mindestens ebenso wichtig: Sie erleben in diesen Fächern die größte Selbstwirksamkeit. Das ist sowohl für die persönliche Entwicklung wie auch für die Bildungsbiografie von unschätzbarem Wert. Kreativität als Prozess zu erleben ist eine enorm wertvolle Erfahrung. Hinzu kommt die intensive Schulung der Fein- und Grobmotorik, insgesamt der Senso-Motorik) und die Verfeinerung der Körperkoordination im ganz konkreten Handeln.

Bildung braucht Zuwendung

Es gäbe also gute Gründe sowohl aus Sicht von Kindern, wie auch der Gesellschaft insgesamt, diesen Fächern in der Grundschule eher mehr als weniger Zeit einzuräumen. Mit mehr Ressourcen und dem Ermöglichen zusätzlicher Angebote.

Demgegenüber steht aber ein dramatischer Lehrermangel, der das Aufrechterhalten der Qualität in den genannten Fächern im geplanten Umsetzungsrahmen defacto unmöglich macht. In weniger Zeit die gleiche Unterrichtsqualität und den gleichen Bildungserfolg zu erreichen, ist mit Blick auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte schlicht unmöglich. Denn gerade in diesen Fächern kommt es auch darauf an, dass Lehrkräfte auf einer persönlichen Ebene mit den Kindern arbeiten. Diese aufzubauen benötigt Zuwendung und eben auch Zeit.

Was Schule nicht leistet, können sich nicht alle leisten…

Die Stundenkürzungen wirken sich aber auch systemisch aus: Dem Unterricht fehlt so die Kontinuität und der Stellenwert wird vermindert. Das kann langfristig zu weiteren Reduzierungen, Entwertungen und schlimmstenfalls zu einer Entprofessionalisierung der Fach- und Lehrerbildung führen.

Wenn Kinder also weiter in den so wichtigen Bereichen gefördert werden sollen, dann obliegt dies wohl noch mehr als bisher dem privaten Bereich. Wo der Zugang zu diesen Wirkungsfeldern aber nicht ermöglicht werden kann, bedeutet das für bildungsferne und sozial benachteiligte Familien noch mehr Bildungsungerechtigkeit. Das kann und darf nicht das Ziel sein!

Es wäre daher spannend, wenn die nächste PISA-Untersuchung die persönlichen und musisch-technischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen würde. Die Ergebnisse könnten dann zeigen, ob die PISA-Offensive 2024 der richtige Weg war…

<< Einschätzungen von Dimitri Telent, Leiter der Fachgruppe Fachlehrer musisch/technisch im BLLV
 

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann


Argumente zur PISA-Offensive der Fachgruppe Fachlehrer Ernährung und Gestaltung


Es gibt kaum einen schulischen Lernbereich, der systematisch und fundiert das Wissen über die textilen und nichttextilen Dinge und den Umgang mit ihnen besser grundlegen kann als Werken/Gestalten.

Manfred Spitzer, Hirnforscher, gibt hierzu folgendes Statement: „Wissenschaftlich gesehen wären die wichtigsten Schulfächer Musik, Sport, Theaterspielen, Musik und Handarbeit“.  Und wenn „Lernen mit positiven Gefühlen verknüpft ist, lernt der/diejenige das restliche Leben lang gern weiter!“ Ob dies mit der Pisa Offensive gelingen wird, ist fraglich.

Professor Harald Lesch sagt:“ Die falsche Entscheidung bei den Kreativen Fächern zu kürzen!“  Das hat Herr Lesch im Übrigen auch schon vorhergesagt! BNE!!!

Laut den Ausführungen bleibt vor Ort an den Schulen genügend Handlungsspielraum, um sich den jeweiligen Bedarfen anzupassen.

Für einen Außenstehenden auf den ersten Blick ein guter Lösungsansatz, um das große Loch im, seit Jahren bestehenden und bekannten Fachlehrermangel zu minimieren. Auf der einen Seite ist es beabsichtigt, die Stunden für den Fachunterricht auf ein Minimum zu reduzieren, um auf der anderen Seite Stunden für die wichtigen Fächer Mathematik und Deutsch zu gewinnen! So sollen die Defizite, die unsere Schülerinnen und Schüler, laut Pisa Studie, aufweisen, möglichst schnell ausgeglichen werden. Sicher besteht hier Handlungsbedarf!

Eine einfache Rechnung, die für die Schülerinnen und Schüler auf Dauer nicht aufgehen wird.

Es geht hier um Lernprozesse, die auf Phänomenerfassung zielen. Es muss ein „Hinblicken" und „Sehen" werden. Hinblicken in zweifacher Hinsicht: Zum einen auf etwas hinblicken und darin etwas erfassen und zum anderen anblickend etwas ausdrücken, z. B. Freude zeigen, Neugierde und Interesse bekunden. Auf diesem Wege kann Sinn entdeckt und der Wert des Phänomens, des Wahrgenommenen erkannt werden.

Primärerfahrungen wie Sehen-Lernen, Hantieren und Wahrnehmen sind wichtige Aspekte des WTG-Unterrichts, in dem phänomenologisch gearbeitet werden soll. Hinblicken zum Phänomen, um seine Evidenz aufnehmen zu können. Was z. B. beim Anbau des Rohstoffes erfahren und erlebt wird, führt zu Erkenntnissen, aus denen Verantwortung für textile und nichttextile Handwerkstechniken grundsätzlich erfolgen kann. Was hier andeutungsweise zur Wahrnehmung des Rohstoffs gesagt wurde, gilt in gleicher Weise für Prozesse der Gestaltung der textilen und nichttextilen Rohstoffe.

WG - Unterricht kann mit einer Methodenvielfalt den verschiedenen Lerntypen gerecht werden und muss zu einem aktiven Handlungsfeld, in dem einer einzigartigen Verschränkung künstlerischer, technischer, kultur- und naturwissenschaftlicher Methoden gefragt, hantiert, entdeckt, experimentiert, nachempfunden, konzipiert, improvisiert, gestaltet, konstruiert, produziert, gelesen, interviewt, wahrgenommen, recherchiert, untersucht, dokumentiert, gedacht, gesammelt, verglichen, beurteilt, argumentiert, arrangiert und präsentiert wird.

Experimentieren und Entdecken:
Im Fach Werken und Gestalten haben Kinder die Möglichkeit, Materialien zu erforschen, neue Techniken auszuprobieren und kreative Lösungen für Probleme zu finden. Dies fördert ihr Experimentierfreude und ihre Entdeckungsfreude.

Ganzheitliche Entwicklung:
Das Fach WG trägt zur ganzheitlichen Entwicklung der Schüler bei, da es nicht nur kognitive, sondern auch praktische und kreative Kompetenzen fördert. Dies ist wichtig für eine umfassende Bildung der Schüler.

Selbstständigkeit und Selbstvertrauen:
Kinder können selbstständig arbeiten, eigene Ideen umsetzen und Projekte eigenverantwortlich gestalten. Dies stärkt ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstwirksamkeit.

Vorbereitung auf das spätere Leben:
Praktische Fähigkeiten und kreative Kompetenzen, die in WG erlernt werden, sind auch im späteren Leben von Bedeutung. Sie können den Schülern helfen, sich in verschiedenen Lebensbereichen zurechtzufinden und Herausforderungen zu meistern.

<< Bettina Ondrusek, Stellv. Leiterin der Fachgruppe Fachlehrer E/G im BLLV
 

Warum ästhetische Bildung so wichtig ist


Einschätzungen von Sebastian Waßmann, Leiter AG musisches Schaffen im BLLV:

"Ästhetische Bildung eröffnet dem Menschen neue Erlebniswelten, insbesondere Kinder und Jugendliche profitieren in ihrer Persönlichkeitsentwicklung von einer intensiven und vielfältigen Auseinandersetzung mit „Kunst oder mit Gestaltung“. Solche Erfahrungen rufen bei uns neue Gedankenverknüpfungen hervor."

"Neugier entsteht im Tun und Neugier ist einer der wichtigsten Antriebe beim Lernen. Wir alle wissen das."

"Die Förderung der Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeiten der SchülerInnen sind in den Lernbereichen der musisch-technischen Fächer perfekt widergespiegelt. Gerade die praktischen und kreativen Fächer machen unsere Kinder besonders „lebensfähig“."

"Das sinnstiftende Lernen, das das Individuum stärkt, seine Persönlichkeit durch die Förderung des Verständnisses für die vielfältigen Kommunikations- und Interaktionsprozesse bildet, ist unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung des künftigen Bildungsauftrages."

"Viele Analysen der letzten Jahrzehnte zeigten, dass gute Programme in der Ästhetischen Bildung zur Verbesserung der Leistung in den akademischen und kognitiven Fächern führen… Somit wirkt sich dies insgesamt positiv auf das Lernen aus."

"Musische Bildung steigert Kooperationsfähigkeit, Respekt, Verantwortungsgefühl, Toleranz und Wertschätzung und wirkt sich somit positiv auf die Entwicklung sozialen und kulturellen Verständnisses aus. Hier finden sich alle wich(gen Aufgaben der Zukunft wider."

"Zu ähnlichen Schlüssen kommt eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages: „Zahlreiche wissenschaftliche Forschungen der Neurobiologie, der Psychologie und Pädagogik haben schon vor Jahrzehnten nachgewiesen, dass die passive wie aktive Beschäftigung mit Musik, bildender Kunst, Tanz und weiteren musischen Tätigkeiten zu einer höheren Strukturierung des Gehirns und damit zu einer differenzierteren Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen führt, Kunst hat als kulturelle Fertigkeit zumeist eine so hohe Komplexität, dass sie die Möglichkeiten des Gehirns nach heutigen Erkenntnissen am meisten beansprucht."


<< Sebastian Waßmann, Leiter AG musisches Schaffen im BLLV

Leserbrief der BLLV-Ehrenvorsitzenden und Fachunterrichts-Expertin Waltraud Lucic

<< Zum Artikel des Münchner Merkur: „Der neue Grundschul-Plan: Mehr, Deutsch und Mathe, weniger Englisch, Musik oder Kunst“

Wird die Grundschule verschlimmbessert?

Renommierte Wissenschaftler wie Spitzer, Lesch und Bauer fordern die Ausweitung der musisch praktischen Fächer und das Kultusministerium kürzt exakt in diesem Bereich. Im gleichen Atemzug wird verlautbart, wie wertschöpfend diese Fächer für die ganzheitliche Bildung seien.

Eine sinnvolle und ehrliche Reaktion auf die PISA-Studie wäre die notwendige Lehrkräftezuweisung gewesen, bemessen an der zurzeit umgesetzten Stundentafel.

Ein Fächerverbund nimmt den einzelnen Bereichen Zeit. Individualisierung und Differenzierung als zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts (Andreas Helmke) brauchen Zeit. Diese Forderung kann nicht erfüllt werden, wenn der Unterricht z. B. in der 4. Jgst. Werken/Gestalten einstündig gehalten wird. Die Rhythmisierung und Durchführung von praktischem Unterricht erfordern zwingend entsprechende zeitliche Ressourcen.

Erfolgserlebnisse in diesem Bereich fördern bei den Schülern Lernbereitschaft, Selbstwertgefühl und Verantwortungsbewusstsein. Gerade leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, die in Deutsch und Mathematik gestärkt werden sollen, erleben in den musisch-künstlerischen Fächern eine Stärkung.

Will das Kultusministerium vor diesem Hintergrund allen Ernstes ausgerechnet durch Kürzungen im Bereich der musisch praktischen Fächer den pädagogischen Herausforderungen unserer Gegenwart Rechnung tragen? Sollen so die tatsächlichen Mängel im System Schule verdeckt werden?

» Der Leserbrief von Waltraud Lucic wird online wiedergegeben auf merkur.de