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Aktionsrat Bildung: Veröffentlichung Gutachten 2020 Startseite klein
Politische Bildung Wertebildung

Demokratische Kompetenz muss in allen Bildungsphasen erworben werden

Mit dem kürzlich erschienenen Gutachten setzt der Aktionsrat Bildung ein wichtiges Zeichen. Es räumt dem Demokratielernen seine verdient hohe Priorität ein, weist deutlich auf Defizite hin und beinhaltet klare Positionen. Dennoch bleiben offene Fragen.

Der von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) geförderte AKTIONSRATBILDUNG beschäftigt sich regelmäßig intensiv mit ausgewählten Schwerpunktthemen und veröffentlicht entsprechende wissenschaftliche Gutachten. Das diesjährige Gutachten beschäftigt sich mit dem Thema "Bildung zu demokratischer Kompetenz" und zwar bildungsphasenübergreifend, begonnen mit der frühen Bildung über schulische Bildung bis hin zur Weiterbildung im Erwachsenenbereich. Zentral ist dabei erstens die Erkenntnis, dass die Forschung in Deutschland zur sogenannten "Civic Education" bislang im internationalen Vergleich relativ weit zurückliegt und zweitens, dass demokratische Kompetenz bislang nicht in zufriedenstellendem Maße in den verschiedenen Bildungsphasen erworben wird.

Forderung nach verstärkter Forschung im Bereich der Demokratiebildung

Das Gutachten stellt einen weiteren wichtigen Beitrag im Bereich der Demokratiebildung dar, der deutlich auf Defizite hinweist und klare Positionen beinhaltet, wie die Forderung nach verstärkter Forschung im Bereich der Demokratiebildung, der verstärkten Förderung demokratischer Kompetenzen in allen Bildungsphasen, der Formulierung verbindlicher Bildungsstandards und der Professionalisierung des Bildungspersonals hinsichtlich des Demokratielernens. Ähnliche Forderungen finden sich auch in der Positionsbeschreibung des BLLV zur Demokratiepädagogik.

Leider wird dem Aspekt des Demokratielernens durch tatsächliche demokratische Praxis im Gutachten eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Stattdessen wurde der Fokus auf kognitive Kompetenzen und entsprechende Vorläuferkompetenzen gelegt. Dies verwundert in Anbetracht der zahlreichen bereits vorhandenen Ansätze wie beispielsweise dem Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik (de Haan, Edelstein & Eikel), die seit jeher die Wichtigkeit gelebter demokratischer Praxis für den Erwerb demokratischer Handlungskompetenz betonen.

In der Demokratiebildung geht zu wenig voran

Mit Verweis auf den mangelnden Stand entsprechender wissenschaftlicher Wirksamkeitsforschung bleibt das Gutachten deshalb auch mit Praxisbeispielen oder -empfehlungen eher sparsam, trotz der inzwischen unzähligen und häufig auch wissenschaftlich begleiteten Projekte in diesem Bereich, beispielsweise im Kontext des Bundesprogramms "Demokratie leben!", des Wettbewerbs "Demokratisch Handeln" und des Deutschen Schulpreises. Immerhin werden diese und weitere Programme im Gutachten zumindest positiv hervorgehoben.

Es ist bei näherer Betrachtung zudem interessant und auch etwas skurril, dass bei einer so wichtigen Angelegenheit, wie der Demokratiebildung, seit längerem strukturell so wenig vorangeht und dies unter anderem mit der Begründung, dass die Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen noch nicht ausführlich statistisch untersucht wurde. Damit beißt sich die Katze nämlich in den Schwanz: Einerseits fordert man eine effiziente flächendeckende Verbesserung der Demokratiekompetenz und andererseits muss um jedes Modellprojekt in diesem Bereich, leider häufig ohne Erfolg, um finanzielle Mittel gekämpft werden, sodass dieser wichtige Bildungsauftrag, neben diversen anderen, trotz seiner herausragenden Stellung in den entsprechenden Gesetzestexten zu einer unvergüteten On-Top-Aufgabe "nebenbei" verkommt.

Gute Schulen sind demokratische Schulen

Zudem gibt es bereits unzählige evaluierte Erfolgsmodelle mit sehr vielversprechenden Ergebnissen. Selbst wenn die Wirksamkeit dieser, wie auch immer man diese genau misst, nicht besonders hoch wäre, es hat noch nie den Eindruck gemacht, dass derartige Programme der Demokratiekompetenz von Kindern und Jugendlichen jemals geschadet hätten. Die zahlreichen Erfahrungsberichte von Seiten sowohl der Lehrerinnen und Lehrer als auch der Schülerinnen und Schüler sprechen eine klare Sprache: Gute Schulen sind demokratische Schulen. Etwas mehr Blick in die gelebte Praxis hätte dem Gutachten deshalb nicht geschadet.

Dass der AKTIONSRATBILDUNG in diesem Jahr das Thema der Demokratiekompetenz in den Mittelpunkt seines Gutachtens rückte ist definitiv ein Anlass zur Freude. Es liegt nun bei der Politik, diese Ergebnisse ernst zu nehmen und verstärkt Maßnahmen zur Verbesserung der Demokratiekompetenz umzusetzen. Die erste Reaktion des Kultusministers kann per Video auf der Seite des Online-Kongresses anlässlich der Veröffentlichung des Gutachtens angesehen werden. Auch das Gutachten kann dort als PDF heruntergeladen werden.

<< Autor: Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV

Weitere Informationen:

VBE-Online-Kongress zum Gutachten

Download des VBE-Gutachtens

Der Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik (de Haan, Edelstein & Eikel) zum Download

Wie der BLLV seine Position in Sachen Demokratiepädagogik sieht



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