Die Verfassung sei wie ein Liebesbrief an das jeweilige Land. So verschieden wie Liebesbriefe seien auch Verfassungen. „Das deutsche Grundgesetz von 1949 ist eher ein Liebeskummerbrief.“ Trotzdem: Sein Buch „Glanz und Elend der Grundrechte“ könne als Liebeserklärung an das Grundgesetz verstanden werden, unterstrich Prof. Dr. Heribert Prantl bei einem Kamingespräch der BLLV-Akademie. Und was das für Lehrer bedeutet, machte er auch gleich deutlich: So gebe es noch kein Grundrecht auf einen guten Lehrer. Lehrer hätten auch kein Recht auf Anerkennung durch die Gesellschaft.
Für die Lehrerschaft forderte er deswegen v.a. strukturelle Voraussetzungen, um gut sein zu können, u.a. mehr Freiheiten, mehr Zeit, weniger Verwaltung und rechtliche Vorschriften. Nur so könnten sie Begeisterung entfachen und selbständige und urteilsfähige Schülerinnen und Schüler heranbilden.
Wo liegt der Wert und wo droht die Gefahr bei den einzelnen Grundrechten? Prantl nannte u.a. die EU und ihr strukturelles Demokratiedefizit. Es sei mitverantwortlich dafür, dass sich die Bürger in der EU nicht heimisch fühlten. Auch in der Aushöhlung der Privatsphäre im Internetzeitalter durch Staat und Wirtschaft sieht Prantl Gefahren. Genauso kritisch sieht Prantl die eigentlich garantierte Versammlungsfreiheit bei gleichzeitiger Geringschätzung von Bürgerbewegungen durch die offizielle Politik (z. B. bei den Protesten gegen die Pershing-Stationierung, Gorleben, Stuttgart 21).
Zum 65-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes wünschte sich Prantl, dass das Grundgesetz Basis für alles sei, was der Staat tue. In einer Art „Apfelbaumdemokratie“ müssten – auch wenn der alte Stamm noch gut und stabil sei – die Zweige gepropft werden, sobald die Früchte nicht mehr gut seien. In diesem Sinn müsse auch das Grundgesetz z.B. um Plebiszite erweitert werden, um die Demokratie attraktiver und lebendiger zu machen.