Da hing es, das cremeweiße Hochzeitskleid, an einem froschgrünen Container. Ein Wertstoffhofmitarbeiter hatte Mitleid gehabt, es aus dem Container gefischt und an die Außenwand gehängt, um ihm noch eine Chance zu geben.
Wieso entsorgt jemand so ein besonderes Kleidungsstück?
Das Bustier mit feinen Perlen bestickt, abgesetzte Biesen, mit einem langen Rock aus Edeltaft. Ein edles Stück, geschneidert auf den Leib einer "Frau mit einer Traumfigur", das sah die Poinger Künstlerin Inge Schmidt sofort. Sie kann das beurteilen, schließlich hat Inge Schmidt vor ihrem Leben als Bildhauerin viele Jahre für internationale Kaufhauskonzerne in der Modebranche gearbeitet. „Wie ein Blitz hat es mich getroffen“, so beschreibt Schmidt den Moment, als sie zum ersten Mal das Kleid sah.
Sie verspricht dem Kleid: „Du wirst noch eine tolle Geschichte bekommen“
Das Kleid trägt Gebrauchsspuren der Besitzerin. Mutmaßlich von ihrem Hochzeitstag: verwischtes Make-Up, der Saum des Kleides durchgetanzt. Es fängt an in ihrem Kopf zu rattern: Wieso entsorgt jemand so ein besonderes Kleidungsstück? Was mag wohl die Geschichte des Kleides sein? Wurde die Braut betrogen und das Kleid zum Ballast? Ist die Braut verstorben und das Kleid eine zu schmerzliche Erinnerung? Es gibt viele Möglichkeiten. „Du wirst noch eine tolle Geschichte bekommen“, verspricht sie dem Kleid, als sie es vom Wertstoffhof mitnimmt. Was sie genau damit machen will, weiß sie zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht.
Kleid als Phantasieanreger in Schulen
Mehrere Monate vergehen, bis sich für Schmidt herauskristallisiert, in welche Richtung es mit dem Kleid geht: Es soll als Ferienprojekt in Schulen zum Einsatz kommen, insbesondere interdisziplinär. An Schulen hat Schmidt als Bildhauerin bei Ferienprojekten schon selber Erfahrungen gesammelt und gemerkt, dass besonders da die Kinder glänzten, die sonst eher schwache schulische Leistung erbrachten. Ein großer Selbstbewusstseinsschub für die Kinder.
Ziel des Projektes ist Klassen- und fächerübergreifend arbeiten, zum Beispiel in Deutsch – Kunst – Musik – Sport. Da könnte jede Schülerin und jeder Schüler entsprechend seinen Fähigkeiten sprachlich, künstlerisch, musikalisch oder sportlich aktiv werden. Am Ende der Projektwochen könnte ein Schulevent stehen. Hier könnten all die unterschiedlichen Blicke auf das Thema mit Hilfe der eingesetzten Disziplinen auf großer Bühne vor Schul- und Elternpublikum vorgeführt werden. "Das kreiert Freude, Bestätigung, Stolz, Halt und Wertebewusstsein", so Schmidt.