„Nicht weniger als eine demokratische Revolution in der Schulpolitik“ hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Einführung der allgemeinen Schulpflicht und der Grundschule beim Festakt am historischen Ort in der Frankfurter Paulskirche genannt. Sie stehe für „den Aufbruch in eine gerechtere Gesellschaft“.
Steinmeier stellte die Bedeutung der Grundschule im Kontext aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen heraus: „Hier kommen Kinder unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion, Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Kinder mit und ohne Behinderung, zusammen, um miteinander und voneinander zu lernen. Sechs- bis Zehnjährige mit den unterschiedlichsten Startvoraussetzungen lernen hier Lesen, Schreiben und Rechnen – das ist die Hauptsache und oft schwierig genug. Aber sie lernen hier eben auch, mit kultureller und individueller Vielfalt umzugehen, einander zuzuhören und Konflikte zu lösen. Sie lernen sich zu artikulieren, zu argumentieren, digitale Technik zu beherrschen, Verantwortung für sich und für andere zu übernehmen.“
Gegensteuern
Der Bundespräsident beklagte dabei Lehrermangel aufgrund unzureichender Planung, marode Schulgebäude und fehlende Mittel für Sozialarbeit und Ganztagsbetreuung. Damit werde Lehrkräften ihre wichtige Aufgabe erschwert: „Sie brauchen mehr Zeit, mehr gute Fortbildungen – und sie brauchen vor allem mehr personelle Unterstützung.“ Dies sei deswegen so wichtig, denn „hier werden die Weichen gestellt für die Zukunft unserer Demokratie.“
Beim Festakt beschönigte der Bundespräsident die deutschlandweite Situation nicht, benannte Probleme mit deutlichen Worten: „An manchen Orten in unserem Land ist die Grundschule keine für alle gemeinsame Schule mehr. In manchen Klassen sind heute Kinder in der Mehrheit, die aus bildungsarmen Familien kommen oder zu Hause nie oder nur selten Deutsch sprechen. Und oft fehlt es gerade diesen Schulen an Geld, um ihre Schüler bestmöglich zu fördern; oft haben sie es auch besonders schwer, Lehrerinnen und Lehrer für sich zu gewinnen. Diese Schulen müssen am meisten leisten, und deshalb müssen wir sie auch am meisten unterstützen! Sie brauchen die besten Lehrkräfte, gute Ganztagsangebote und intensive Sprachförderung.“
Verantwortlich sind alle
Grundschullehrerinnen und –lehrern dankte der Bundespräsident ausdrücklich: „Wir wissen: Sie sind es, auf die es vor allem ankommt. Sie machen oft den Unterschied. Überall in unserem Land geben Grundschullehrerinnen und -lehrer unseren Kindern tagtäglich neues Selbstvertrauen, wecken ihre Talente, machen sie stark für ihren Lebensweg. Und oft stecken sie mehr Zeit und Kraft in ihre Arbeit, als in ihrem Dienstplan vorgesehen ist. Ich danke Ihnen für Ihren großen Einsatz, für Ihre Leidenschaft, für Ihre Geduld. Und ich würde mich freuen, wenn dieser Dank in allen Lehrerzimmern unseres Landes ankommt.“
Doch Dank ist nicht genug, stellte Steinmeier klar und nahm „die ganze Gesellschaft“ in die Pflicht: „Gerade weil uns die Grundschullehrerinnen und -lehrer so am Herzen liegen, müssen wir sie schützen. Wir müssen sie unterstützen, wir dürfen sie auch nicht überhäufen mit immer neuen Ansprüchen und Erwartungen, und wir müssen ihnen Hilfe anbieten, wenn sie in den Klassenzimmern mit Kulturkonflikten konfrontiert sind oder wenn auf Schulhöfen schon bei den Jüngsten Ausgrenzung und Gewalt um sich greifen. Hier tragen wir alle Verantwortung: als Eltern, als Nachbarn, als Bürgerinnen und Bürger!“
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Bundespräsident zu 100 Jahre Grundschule: „Lehrer schützen und unterstützen“
Zum Festakt 100 Jahre Grundschule lobt Frank-Walter Steinmeier Grundschulen als entscheidende Orte für Demokratie, Chancengerechtigkeit und Zukunftschancen. Er fordert alle Bürgerinnen und Bürger auf, Lehrkräfte in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Weitere Informationen
Festakt „100 Jahre Grundschule“ in der Frankfurter Paulskirche:
Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier
BLLV-Dossier: Grundschule