Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) ist alarmiert: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass im kommenden Schuljahr an den Grundschulen Lehrkräfte fehlen werden. Die Aufrechterhaltung des Pflichtunterrichts an diesen Schularten ist fraglich - ganz zu schweigen davon, dass zusätzliche Bildungs- und Förderangebote in vielen Fällen voraussichtlich wegfallen müssen. Bekanntlich zieht das Kultusministerium "Lotsen" aus Realschulen und Gymnasien ab, um diese an den Grundschulen einsetzen zu können. "Diese Maßnahme wirft ein bezeichnendes Licht auf die prekäre Situation", erklärte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann heute in München. Aus mehreren Landkreisen hätten sie bereits jetzt schon Hilferufe erreicht. "An vielen Schulen sei die Sorge groß." Problematisch werde die Situation wohl auch an den Mittelschulen. Dort würden teilweise schon jetzt Anzeichen laut, dass Förderangebote, Differenzierungen und das Wahlfach Informatik gestrichen werden sollen. Sie forderte Sofortmaßnahmen und eine langfristige Personalplanung. "Dazu gehört auch eine ehrliche Bestandsaufnahme darüber, wie es an den Schulen in Bayern tatsächlich aussieht. Ich sehe ansonsten den Bildungsauftrag in Gefahr.
"Wir kommen nicht weiter, wenn die Situation schöner geredet wird als sie ist", sagte Fleischmann. Das Schuljahr werde aller Voraussicht nach schon wieder mit der Verwaltung von Mängeln beginnen. "Die Ankündigungen der Staatsregierung, 2.000 neue Stellen zu schaffen, 124 Lehrerstellen für Deutschklassen bereit zu stellen und allgemein mehr Geld für Bildung auszugeben, kommen vor Ort nicht an. "Vor allem aber gibt es die nötigen Lehrkräfte nicht auf dem Arbeitsmarkt, um diese Stellen zu besetzen", sagte Fleischmann.
Auf dem Spiel stehen auch der Förderunterricht, die Vorkurse, die unterschiedlichen AGs, wie die Schulband, die Schulhomepage, aber auch Schulentwick-lungsprozesse und sportlich kreative Angebote. "Es darf auch nicht sein, dass die 'Ausstattungsoffensive Bayern digital II' an den Mittel- und Grundschulen vorbei geht, wenn Informatik an den Mittelschulen erst gar nicht eingeführt wird und die Grundschulen bei der Digitalisierung weitgehend außen vor gelassen werden."
Vielen Lehrkräften würden inzwischen auch die Lobeshymnen auf die in Bayern angeblich so erfolgreiche Individualisierung, Differenzierung und Inklusion als deplatziert erscheinen. "Angesichts des Personalmangels und der wachsenden Erwartungen und Anforderungen an Bildung kann davon schlichtweg nicht die Rede sein", stellte die BLLV-Präsidentin klar.
Der BLLV erkenne an, dass Schulämter, Regierungen und das Kultusministerium ihr Möglichstes tun, um die Schulen mit Stunden zu versorgen. "Angesichts der begrenzten Mittel eine sehr schwierige und oft unlösbare Aufgabe - insbesondere wenn man personellen Spielraum für dringend notwendige Zusatzangebote bereitstellen will."
Viele Fünftklässler hätten profitiert
Der Wegfall der "Lotsen" an den Realschulen und Gymnasien sei eine der jetzt ergriffenen Notmaßnahmen. Viele Fünftklässler hätten von ihrem Einsatz profitiert - "nun sollen diese Aufgabe Honorarkräfte erledigen. Damit wird nicht nur die pro-fessionelle Lehrerbildung unterlaufen, das ist auch für die betroffenen Schülerin-nen und Schülern eine überaus fragwürdige Lösung", kritisierte Fleischmann. Die seit vielen Jahren in den fünften Jahrgangsstufen eingesetzten "Losten" hätten sich bewährt. Die dafür eingesetzten Grundschullehrerinnen hätten viele Kinder an weiterführenden Schulen professionell unterstützt.
Die BLLV-Präsidentin forderte eine solide, langfristige und vor allem realistische Personalplanung. Notwendig seien auch zusätzliche Investitionen. "Bayerns Schulen sind angesichts der Anforderungen und Erwartungen an Bildung unterfinanziert. Da hilft auch der Vergleich mit anderen Bundesländern nichts, in denen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Ich habe erst vor kurzem aufgezeigt, dass wir in Bayern pro Jahr 1,5 Milliarden Euro mehr für unsere Schulen benötigen. Die Steuermehreinnahmen wären vorhanden, was fehlt, ist der echte politische Wille und ein richtiger Masterplan", sagte die BLLV-Präsidentin.
Lehrerbildung reformieren
Ziel eines solchen Masterplans müsse zudem auch sein, die Lehrerbildung grundlegend zu reformieren und die Besoldung der Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen zu verbessern. Es sei kein Zufall, dass an den Schularten, an denen die pädagogischen Herausforderungen besonders groß seien und die Lehrer am schlechtesten bezahlt würden, Lehrermangel herrsche.