„Die letzten Wochen und Monate haben uns doch gezeigt, dass in diesem Schuljahr nichts normal, nichts vergleichbar und damit auch nichts wirklich fair sein kann“, so Simone Fleischmann. „Die Schulwirklichkeit ist wie ein Flickenteppich: Jedes Kind, jede Klasse und jede Schule ist doch ganz anders. Wechsel- und Distanzunterricht, Quarantäne-Fehlzeiten, unterschiedliche digitale Ausstattung, heterogene soziale und familiäre Verhältnisse und eine noch größere Bildungsungerechtigkeit – auf dieser Basis kann es keine gerechten, fairen und vergleichbaren Bewertungen geben.
Dennoch bekommen Kinder heute Zeugnisse. Wenn darin dann zum Beispiel steht, dass die Leistungen in Mathe „pandemiebedingt leider nur ausreichend waren“ - was heißt das dann eigentlich? Wo ist da die Fairness und was kann der Schüler jetzt daraus lernen? Viele Fragen, aber wenige Antworten. Das ist für diese Kinder in einer ohnehin schwierigen Situation zusätzlich frustrierend und entmutigend. Soll das der Sinn von Zwischenzeugnissen sein?
Individuelle Rückmeldungen statt Noten
„Ein Zeugnis als Zwischenbericht, vielleicht ohne Noten, oder eben die schon oft praktizierten Lernentwicklungsgespräch wären die sinnvolleren Signale gewesen“, so Fleischmann. Aber die Pandemie hat viele Schulen dazu gezwungen, diese – von vielen sonst sehr geschätzten – Lernentwicklungsgespräche gar nicht oder nur per Videokonferenz zu machen. Was wird also deutlich? „Ja, die Pandemie ist eben eine Zeit, die nicht für normalen Zeugnisse gemacht ist“, so Fleischmann. „Das ist die Wahrheit!“
Der BLLV hatte in den letzten Wochen immer wieder betont, dass ein starres Festhalten am traditionellen System keine Lösung geschweige denn eine mutige Perspektive für den weiteren Verlauf dieses alles andere als normalen Schuljahres ist. Es greift zu kurz, die Anzahl der Proben zu reduzieren, die Lehrpläne zu fokussieren und den Zeugnistermin immer wieder um ein paar Wochen zu verschieben.
„Wir brauchen jetzt den Mut und die professionelle Entschlossenheit, in einer völlig neuen Situation auch neue Wege zu gehen. Lehrerinnen und Lehrer sind die Experten für Schule und wissen genau, was ihre Schülerinnen und Schüler jetzt brauchen. Deshalb wäre es doch viel sinnvoller gewesen, den Eltern und Kindern in persönlichen Beratungsgesprächen konkrete Rückmeldungen zu den Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler zu geben und individuelle Fördermöglichkeiten aufzeigen.
Und wie soll es nun weitergehen?
Blicken wir auf den Übertritt, so fordert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann, den Fokus statt auf Noten und Notenschnitt auf das individuelle Kind zu lenken. "Es kann doch nicht sein, dass auch in diesem Ausnahme-Schuljahr immer noch die Zahl hinter dem Komma bestimmt, wie der weitere schulische Weg eines Kindes sein wird. Wir fordern die Freigabe des Elternwillens. Wir wollen, dass Eltern mit der professionellen Beratung durch uns Lehrerinnen und Lehrer entscheiden, was das Beste für ihr Kind ist. Das können wir!“
Wichtig ist jetzt eine Perspektive für das weitere Schuljahr. Denn auch das zweite Halbjahr wird ja nicht ganz plötzlich ganz anders laufen, und wir wissen doch, dass das ganze letzte Jahr nicht normal war. „Deshalb gilt es jetzt, die verbleibende Zeit professionell an den aktuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler auszurichten und nicht auf Biegen und Brechen festzuhalten am Abhaken von Lehrplaninhalten und an der Jagd nach Noten. Es geht darum, welche Leistungskultur gelebt wird, wie wir Defizite aufholen und wie Schülerinnen und Schüler ganzheitlich gebildet werden können, um sie stark zu machen für Unwägbarkeiten im Leben und in ihrer Schulbiografie“, betont Simone Fleischmann. „Das Drehen an kleinen Schräubchen muss ein Ende haben. Was es jetzt braucht, ist ein individuelles freiwilliges Förderjahr, das im professionellen Miteinander von Elternhaus und Schule entschieden und nicht auf die Schullaufbahn angerechnet wird.“