Die Schere zwischen den Aufgaben der Schule und der Personalversorgung wird immer größer - vor allem an Grund-, Mittel- und Förderschulen. Es besteht die Gefahr, dass die Bildungsqualität an den Schulen in Bayern nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch in diesem Jahr wird es in Kürze zu erheblichen personellen Engpässen kommen. Unterrichtsausfälle sind schon jetzt absehbar. Frustrierte Schülerinnen und Schüler, enttäuschte Eltern und ausgepowerte Lehrerinnen und Lehrer sind die Folge. Diese kritische Analyse zog BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann zum Schuljahresbeginn.
Die Suche nach qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern in Grund-, Mittel- und Förderschulen sei fast schon verzweifelt, weil der Markt leer gefegt ist. Gleichzeitig stünden junge und bestens qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer, die das Studium des Lehramts Gymnasium und Realschule erfolgreich abgeschlossen haben, auf der Straße.
Situation wird schön geredet
„Das ist eine paradoxe Situation“, findet Fleischmann. „Seit vielen Jahren spitzt sich die Situation zu. Diese Entwicklung wurde vom Kultusministerium vielfach schön geredet und sogar geleugnet. Es bedarf endlich einer profunden und nachhaltigen Bildungs- und Personalplanung. Zentral hierfür ist ein leichter und unkomplizierter Wechsel von Lehrerinnen und Lehrern zwischen den Schularten. Die Lehrerbildung muss reformiert werden. Die deutlich schlechtere Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern an Grund- und Mittelschulen muss abgeschafft werden.
Um die Situation kurzfristig zu entschärfen, müsse das Kultusministerium für Gymnasial- und Realschullehrer deutlich mehr Anreize für den Wechsel in eine andere Schulart bieten. Über die möglichen Zweitqualifizierungen müsse offensiv informiert werden. „Andernfalls sind angesichts der hervorragenden Lage auf dem Arbeitsmarkt die jungen Leute weg“, so Fleischmann.
Eine 100%-Versorgung heißt, dass die Schule um 10 % unterbesetzt ist
Zwar würden die Lehrerstunden an vielen Schulen auch in diesem Jahr zum Schulbeginn für den regulären Unterricht vermutlich gerade noch reichen. „Das trügt jedoch. Denn eine 100 % Versorgung am ersten Schultag heißt eigentlich, dass die Schule personell um ca. 10 % unterbesetzt ist“, sagte die BLLV-Präsidentin. Nach ihrer Einschätzung komme es sofort zu Unterrichtsausfällen sobald Krankheiten, Fortbildungen und Schwangerschaften eintreten.
Wichtige zusätzliche Angebote über die Grundversorgung hinaus wie Arbeitsgruppen, Förderstunden oder Differenzierungen seien dann vielfach nicht mehr möglich und müssten eingestellt werden. „Als Schulleitung kann ich dann die Bildungsqualität nicht mehr halten, sondern verwalte den Mangel“, sagte die ehemalige Schulleiterin Fleischmann. Diese Situation ist aus Sicht des BLLV ein Angriff auf die Bildungsqualität. „Auch das in Aussicht gestellte Bildungspaket der CSU wird diese Probleme nicht lösen.“
Multiprofessionelle Teams und Zwei-Lehrer-Prinzip
Voraussetzung für eine hohe Bildungsqualität sei, dass Lehrerinnen und Lehrer gute Rahmenbedingungen vorfinden und die ihnen anvertrauten Aufgaben professionell anpacken könnten. Dazu seien multiprofessionelle Teams, gut ausgestattete Schulleitungen und das Zwei-Lehrer-Prinzip erforderlich. “Die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern, geht ohne diese Maßnahmen in vielen Fällen verloren“, prognostizierte die BLLV-Präsidentin.
„Die Schulen stehen bei Inklusion, Integration, Digitalisierung und individueller Förderung vor enormen Herausforderungen. Von jedem Lehrer wird erwartet, Schritt zu halten und mitzugehen. Gleichzeitig redet die Politik die Situation schön. Das ist eine Zumutung“, kritisierte Fleischmann. Der BLLV erwartet einen kurz- und langfristigen Bildungs- und Personalplan, der die gefährdete Bildungsqualität an den bayerischen Schulen in den Mittelpunkt stellt.
Vertrauen in die Schulfamilie
Simone Fleischmann richtete folgenden Appell an Kultusminister Ludwig Spaenle: „Hören Sie hin. Vertrauen Sie den Mitgliedern der Schulfamilie vor Ort. Ermöglichen Sie auch im kommenden Schuljahr eine flexible Nachsteuerung mit Personal während des Schuljahres. Schöngeredete Statistiken und Sonntagsreden helfen nicht. Professionelle Bildungs- und Personalplanung muss sich an den realen Bedingungen der Schulen vor Ort orientieren.“
Hier geht's zum Presseecho