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Akzente - 3/2020 Themen

Bildung in Zeiten von Corona

Durch die Corona-Krise sind viele Gewissheiten verloren gegangen. Eine Chance, unsere Schulbildung neu zu gestalten – anstatt einfach zurückzukehren zur Realität von gestern. Ein politischer Kommentar von Simone Fleischmann.

Diese Akzente schreibe ich am 20. März. Der Ministerpräsident hat gerade die Ausgangsbeschränkungen bekanntgegeben, Geschäfte und Restaurants mussten schon vor zwei Tagen schließen, die Schulen vor einer Woche. Der Alptraum einer Gesellschaft am Limit mag heute, wenn Sie diese bayerische schule in der Hand halten, zu Ende gehen, vielleicht sind wirnoch immer mitten drin. Gewiss ist: Nach dem Erwachen wird vieles anders sein, nichts mehr selbstverständlich.

Welche Folgen hat das alles für Schule, für die Schülerinnen und Schüler und für uns Lehrerinnen und Lehrer? Was bedeutet diese Entwicklung für die Bildungspolitik? Die Katastrophe ist mitten hineingeplatzt in unseren Kampfgegen die Notmaßnahmen des Kultusministeriums zur Siche-rung der Unterrichtsversorgung. Unser mehr als berechtigter Protest ist angesichts dieser existentiellen Krise im öffentlichen Bewusstsein wie weggefegt.

Nun zählt: HALTUNG ZÄHLT.

Kehren wir nun sukzessive zurück zum mehr schlechten als rechten Normalzustand? Oder ist hier nicht eine Chance, sich neu zu besinnen auf die Werte unseres Gemeinwesens und auf die eigentliche Aufgabe von Schule? Wie schon bei der Flüchtlingskrise ist es großartig, wie engagiert und kreativ die Kolleginnen und Kollegen mit der neuen Situation umgehen. Sie haben damals alles gegeben, damit die Flüchtlingskinder integriert werden und ein neues soziales Netz in der Schule finden. Und sie haben diesmal, gleich nach Schließung der Schulen, alles unternommen, dass ihre Schülerinnen und Schüler zuhause weiterlernen konnten und keine größeren Wissenslücken entstehen. Sie halten zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen – ohne Jammern, ohne Murren. Sie stehen ihren Mann und ihre Frau im Alltag wie in Krisensituationen. Haltung zählt – und wird gelebt.

Lehrerinnen und Lehrer, übrigens wie alle Beschäftigtenim Erziehungsdienst, haben – genau wie Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten und viele Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst – einen tragenden Anteil daran, dass diese Gesellschaft stabil, dass das Gemeinwesen erhalten bleibt.Was ein funktionierender Staat bedeutet, konnte verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern wieder einmal bewusst werden, wenn sie die Katastrophenbilder aus Italien, Spanien oder den USA sahen.

Ist "schneller, höher, weiter" der richtige Weg?

Die erzwungene Entschleunigung durch die Corona-Krise hat viele auch ins Grübeln gebracht: Ist es wirklich Lebensqualität, immer mehr haben zu wollen, immer schneller und immer besser zu sein als die anderen? Führt das nicht genau zum Gegenteil: Weniger Lebensqualität, mehr Frustration, mehr Scheitern? Wie gehen wir mit Leere, Langsamkeit und Angst um? Für die Schule müssen wir uns fragen: Ist effizienteres, schnelleres Lernen, mehr Wettbewerb und höherer Leistungsdruck wirklich das Ziel? Oder müssen wir nicht vielmehr den ganzen Menschen in den Blick nehmen: sein emotionales, sein kognitives, sein praktisches Lernen ebenso wie eine klare Werteorientierung? Ist individueller Erfolg vorrangiges Ziel? Erfolg, der in unserem System immer auch Verlierer produziert?

Oder hat Pädagogik auch etwas zu tun mit Glück und Erfüllung, mit Empathie und Werteorientierung, Gemeinschaft und Gemeinsinn? Ich bin der festen Überzeugung: Wir Pädagoginnen und Pädagogen leisten nicht nur einen zentralen Beitrag für die Stabilität unserer Gesellschaft. Wir haben dieser Gesellschaft auch etwas zu sagen, nämlich, dass wir den Menschen als Ganzheit begreifen und fördern müssen:

Herz. Kopf. Hand.

 // Simone Fleischmann

Artikel aus der bayerischen schule #3 2020

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