Gymnasium Politik

Beschlüsse der CSU-Fraktion

Stellungnahmen des BLLV zu den Beschlüssen in Kloster Banz 23.-25.9.2014

„Für Bildung begeistern! Fördern - Fordern – Forschen"

 

1. Stellungnahme zum Beschluss: „Die Pädagogik im Zentrum: Weiterentwicklung des  Gymnasiums in Bayern!“

 

Aus Sicht des BLLV sind die im Beschluss der CSU-Fraktion geforderten pädagogischen Reformen von zentraler Bedeutung. Gelingt es, gymnasiales Lernen weiter zu entwickeln, werden die organisatorischen Veränderungen in der „Mittelstufe plus“ nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Der BLLV bedauert, dass in der öffentlichen Diskussion die Frage der individuellen Verlängerung der Lernzeit um ein Jahr derart in den Vordergrund gerückt wird. Aus unserer Sicht spiegelt dies nicht die Ergebnisse des vorangegangenen Dialogprozesses und der dabei durchgeführten Werkstattgespräche wider. Dort wurden zahlreiche Erfolg versprechende, wenn auch sicher nicht leicht zu implementierende Ansätze für eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Gymna­siums, die lern- und entwicklungspsychologischen Erkenntnissen entspricht, benannt.

Als Konsequenz der Beschlüsse der CSU-Fraktion fordert der BLLV daher ein professionelles Projektmanagement zur Weiterentwicklung des Gymnasiums. Dazu gehören ein durchdachter Projektplan und eine realistische Zeitschiene. Einige Stichpunkte für einen solchen Plan hat die CSU-Landtagsfraktion bei ihrer Klausur im Kloster Banz bereits geliefert.

Nicht mittragen wird der BLLV allerdings die aktuell diskutierte Ausgestaltung der Mittelstufe plus, wonach nur leistungsschwache Schüler/innen das Gymnasium in neun Jahren absolvieren können. Wer ein neunjähriges Gymnasium nur diesen Schülern/innen zur Verfügung stellen will, konterkariert die dringend erforderlichen pädagogischen Reformen, die die CSU in den vergangenen Wochen formuliert hat.

Wenn wir Lerninhalte bündeln und in intelligenten Lernarrangements für individuelle Förderung sorgen, können wir auf äußere Differenzierungen in der Mittelstufe verzichten. Dafür gibt es deutschlandweit überzeugende Beispiele.

Für den BLLV sind vier Ansatzpunkte entscheidend für eine nachhaltige Reform des Gymna­siums, die eine organisatorische Zersplitterung der Mittelstufe durch aufwändige Parallelzüge überflüssig machen können:

  1. die nochmalige Überarbeitung des Lehrplanentwurfs hin zu einem echten Lernplan,

  2. die Beschränkung der Fächerzersplitterung vor allem in der Mittelstufe, etwa durch     die Einführung eines Projektfaches, in dem Lerninhalte der Sachfächer gebündelt     und lebensweltorientiert gelernt werden können,

  3. die Änderung der Prüfungskultur (also bspw. der Verzicht auf unangekündigte     Leistungsnachweise oder vermehrte Projektprüfungen)

  4. die Weiterentwicklung der Lehreraus- und -weiterbildung

Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Neukonzeption des gymnasialen Lehrplans („Lehrplan plus“) zu. Sie bietet die große Chance, im Rahmen dieser ohnehin anstehenden Reform modernes und nachhaltiges Lernen zu fördern. Der Lehrplan muss sich zu einem Lernplan entwickeln, der drei Prinzipien berücksichtigt:

 

Die Lehr- und Lerninhalte müssen weiter gekürzt werden

Es geht nicht darum, bestimmte Inhalte als unwichtig abzuwerten. Nachhaltiges Lernen verlangt aber Vertiefung, Wiederholung, Vernetzung und Anwendung. Die Lerninhalte müssen sich daher auf exemplarische Inhalte begrenzen, die kategoriales Wissen und den Aufbau von Kompe­ten­zen ermöglichen.

Die Schüler/innen behalten oftmals erschreckend wenig vom behandelten Stoff. Das Lehrplan­pensum erfordert ein zu hohes Lerntempo, der strikte 45-Minuten-Rhythmus verhindert intensive Verstehens- und Übungsphasen und verleitet zur Reduktion des Unterrichts auf abprüfbares Wissen. Der schnelle Wechsel der Unterrichtsfächer führt zu oberflächlichem Lernen. Im Mittelpunkt stehen zu stark das bloße Faktenwissen und die Erarbeitung der Fachbegriffe. Handlungs- und verstehensbezogene Kompetenzen kommen meistens zu kurz. Insbesondere in den Sachfächern müssen die Lerninhalte - nicht der Umfang des Lehrplans - spürbar reduziert werden.

 

Die Fächer müssen miteinander vernetzt werden

Eine Reihe von Lerninhalten wird in verschiedenen Fächern zu unterschiedlichen Zeitpunkten behandelt. Synergieeffekte kommen in der Lehrplangestaltung und im Unterrichtsalltag zu selten zur Anwendung. Das ist bei dem jetzigen Lerntempo und der Fülle der Lerninhalte auch nicht möglich. Die Querverweise in den Fachlehrplänen sind zwar hilfreich, sorgen aber nicht für eine ausreichende Vernetzung. Fächerverknüpfungen werden im Nachhinein beobachtet und im Lehrplan vermerkt, aber nicht in einem fächerübergreifenden Team erarbeitet.

Schüler/innen lernen häufig verschiedene Facetten eines Themas in unterschiedlichen Fächern, ohne die Zusammenhänge zu erkennen. Die Lehrer/innen der unterschiedlichen Fächer können sich aufgrund der organisatorischen Zwänge nur in Einzelfällen thematisch absprechen und koordinieren. Dies verstärkt die Tendenz, bloßes Faktenwissen statt kategoriales Wissen zu vermitteln. Kategoriales Wissen können sich Schüler/innen am besten aneignen in fächerübergreifenden Projekten mit konkretem Bezug zur Lebenswelt. Dazu brauchen wir im Gymnasium feste, angemessene Zeitfenster für curricular verankerte fächerübergreifende Projekte. Das Curriculum muss fächerübergreifend entwickelt und die hohe Anzahl verschiedener Fächer in der Unter- vor allem aber  in der Mittelstufe reduziert werden. Entscheidend ist nicht eine Fächervielfalt, sondern eine Vielfalt an Inhalten. Der BLLV schlägt daher vor, den Unterricht nicht nur in Einzelfächern (z.B. Fremdsprachen, Mathematik), sondern verstärkt auch in Domänen (z.B. Natur- oder Gesellschaftswissenschaften) zu organisieren.

 

Der Lehrplan muss sich an entwicklungspsychologischen Erkenntnissen ausrichten

Die Lehrpangestaltung orientierte sich bisher zu wenig an der Entwicklungspsychologie. So werden abstrakte Inhalte immer noch in Jahrgangsstufen behandelt, in denen die Schüler/innen sie entwicklungspsychologisch bedingt noch nicht aufnehmen können, und für die sie sich auch aus ihrer Lebenswirklichkeit heraus nicht interessieren. Daher lernen Schüler/innen oftmals nur leere Begriffe oder Namen, ohne sie zu verstehen und zu behalten. Dies beschleunigt das Vergessen und die Gleichgültigkeit gegenüber den Lerninhalten und fördert Desinteresse am schulischen Lernen überhaupt.

Der Lehrplan muss daher zusammen mit Entwicklungspsychologen an Altersgemäßheit orientiert werden. Es müssen Freiräume für nachhaltige Unterrichtsmethoden geschaffen werden. Im Mittelpunkt müssen die Erkenntnisse des verständnisintensiven Lernens stehen.

Es wird Zeit, dass sich nicht nur einzelne Lehrkräfte oder wenige Vorzeigeschulen, sondern das ganze System Gymnasium hin zu einer modernen, am Lernen statt am Lehren und Abprüfen orientierten Schule entwickelt. Der neue Lehrplan bietet erneut die Chance für eine solche dringend notwendige Modernisierung. Viele weitere werden nicht mehr kommen.

 

2.  Stellungnahme zum Beschluss: „Bildungspolitische Ziele der CSU-Fraktion“

 

Zum Vorspann:

Bildung ist das höchste Gut! Wenn die Umsetzung aller Schritte allerdings generationengerecht im Rahmen der jeweiligen haushaltsmäßigen Möglichkeiten erfolgen soll, dann stellt sich die Frage: wo wird was gekürzt, damit woanders was dazu gegeben werden kann? Die schulische Realität kann nicht „kostenneutral“ verbessert werden. Bildung braucht mehr und kostet mehr!

 

Zu 1. Fördern – Bildung für Alle!

Regionale Bildungsprofile: Genau mit diesem Begriff bezeichnet der BLLV auch die Zukunft der Bildungsangebote in den Städten und Gemeinden vor Ort. Die individuelle Entfaltung der eigenen Stärken, Begabungen und Interessen auf dem Weg der beruflichen Orientierung soll im Mittelpunkt stehen: nicht die Zahl der Akademiker/innen. Talente aus allen gesellschaftlichen Bereichen und auf allen Feldern (musisch, sportlich) sollen gefördert werden und die Menschen sollen alle Chancen auf lebenslanges Lernen haben. Das klingt prima, wird aber kostenneutral wohl kaum umzusetzen sein.

Durch ein Fellowship-Programm im Rahmen der engen Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft soll die Praxiserfahrung und das Fachwissen von jungen Fellows in die Wissenschaftswelt integriert werden. Die Berufsfeldbezogenheit des Lehramtsstudiums ist für den BLLV ganz entscheidend für eine modernere Lehrerbildung. Auch hier gilt es Programme zu schaffen, die die Expertise von Kolleginnen und Kollegen aus der Schule in die Lehrerbildung an den Universitäten aufnehmen und eine gegenseitige Bereicherung schaffen: ganz im Sinne des Fellowship-Programms.

 

Zu 2. Fordern- Auf die Qualität kommt es an!

Die Erhaltung der professionellen 2. Phase der Lehrerbildung ist ganz im Sinne des BLLV.  Die stärkere Verzahnung der Phasen ein großes Ziel und unabdingbar ein Garant für die Weiterentwicklung der Lehrerbildung. Die Entwicklung eines Mentoring-Programms kann in der 3. Phase der Lehrerbildung sehr hilfreich sein, denn Kollegiale Beratungsinstrumente erhöhen nachweislich die Qualität der Bildung an der Schule vor Ort. Themen, wie Umgang mit schwierigen Schülern, Zeitmanagement, kompetenzorientiertes und verständnisintensives Lernen, sind richtig gesetzt.

Den Ausbilderpreis begrüßt der BLLV, da es gerade bei schwierigen Jugendlichen ganz entscheidend auf den Übergang zwischen Schule und Ausbildung ankommt und hier die Beziehung der Lehrlinge zu ihren Ausbildern der Garant für Erfolg sind.

„Lernen, was wirklich wichtig ist“, ist der richtige Ansatz. Der Lehrplan PLUS ebenso. Dennoch muss immer noch mehr fokussiert werden, was wirklich wichtig ist. Ob Fächerzersplitterungen nicht zugunsten von Projektarbeiten aufgegeben werden müssen, ob Basiskompetenzen der Vertiefung, Reflexion und des Transfers nicht wichtiger sind als bloßes Faktenwissen und ob der Ko-Konstruktivismus als zu begrüßender und zugrundeliegender Lernbegriff nicht auch heißt, mehr Zeit zu investieren. 

 

Zu 3. Forschen – Die Zukunft der Bildung ist digital!

Die Digitalisierung darf nicht Halt machen vor den Schulen und Bildungseinrichtungen. Dennoch ist es entscheidend, dass die Schülerinnen und Schülern kompetente und kritische Nutzer der neuen Medien werden. Darin sieht der BLLV die Aufgabe der Bildungs- und Erziehungsinstitutionen. Zentral im Bildungsprozess ist die Beziehung zwischen den Schülern/innen und den Lehrern/innen: die Lehrerpersönlichkeit steht im Mittelpunkt.  Diese darf nicht „digitalisiert“ werden!
Ein Medienführerschein im Kindergarten ist wichtig. Soziale, personale und motorische Kernkompetenzen sind es auch!

Der BLLV setzt sich als bildungspolitisches Ziel: Zeit für Bildung! Zeit für nachhaltige Lernprozesse schaffen, das Thema „Umgang mit Zeit“ zum Thema in den Schulen zu machen, die notwenigen Zeitressourcen den Schulen vor Ort zur Verfügung stellen, Zeit für die Leitung von Schulen geben und die Schule als Bildungs- und Erziehungsinstitution so ausstatten, dass sie dem gesellschaftlichen Zeitdruck ein Gegengewicht bieten kann. Die Schule entschleunigen: das ist das bildungspolitische Ziel des BLLV.


3.  Stellungnahme zum Beschluss: „Ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote -      Förderschule und Inklusion“

 

Zum Vorspann:

Die Ganztagsgarantie für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Fokus zu nehmen, begrüßt der BLLV.

 

Zu 1. Eckpunkte für die Umsetzung

Bestehende Formate der Kooperation und der Ganztagsunterbringung aufrecht zu erhalten, versteht sich von selbst. Bewährtes darf nicht abgeschafft werden. Ganz im Gegenteil: bewährte Modelle der Kooperation mit HPTs und Horten brauchen entsprechende finanzielle Ausstattungen, um die Zusammenarbeit zu optimieren. Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf sind umso mehr auf professionelle Unterstützung angewiesen, je länger sie in Bildungseinrichtungen untergebracht sind.

 

Zu 2. Maßnahmen

Die geplante Gleichbehandlung von Grundschulen und den Grundschulstufen an Förderschulen in Bezug auf offene Ganztagsangebote ist für den BLLV ein wichtiger Schritt für die Erweiterung der ganztägigen Bildung und Betreuung in den Förderschulen. Die zukünftige Möglichkeit für Kinder der schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) an der Mittagsbetreuung teilzunehmen hebt – die in der Praxis oft hinderliche – künstliche Trennung zwischen Schülern des SFZ und den Kindern der SVE endlich auf.

Zeitgleich muss sich an Regelschulen ebenso ein inklusives Ganztagsangebot entwickeln können. Hierzu ist die Verschränkung in der Zusammenarbeit von Förder- und Regelschulen bei der ganztägigen Betreuung notwendig. Kommunale und private Träger müssen aus Sicht des BLLV hierfür gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Damit die vorgeschlagenen Maßnahmen ein qualitativ hochwertiges, und aus sonder­päda­gogischer Sicht ein adäquates, fachliches Angebot darstellen, müssen die hierfür notwendigen personellen, räumlichen, zeitlichen und sachlichen Voraussetzungen verlässlich auf- und ausgebaut werden. Allen Beschäftigten müssen Fortbildungsangebote gemacht werden, die u.a. die didaktisch-methodischen Veränderungen in den Bildungs- und Betreuungsangeboten thematisieren. Die zunehmende Belastung, die Inklusion für Beschäftigte mit sich bringt, muss zu einem Umdenken beim Thema Arbeitszeit führen und Lösungen gefunden werden. Eine weitere Aufgabe besteht darin, im Prozess der Ganztagsschulentwicklung mit dem Schwerpunkt Inklusion einen kontinuierlichen Dialog mit allen Beteiligten zu führen, um gemeinsame Ziele und Maßnahmen zu entwickeln.

 

Zu 4. Weiteres Vorgehen

Der BLLV ist jederzeit bereit seine Expertise im Bereich der Förderschulen in die Diskussion zur Umsetzung dieser Pläne einzubringen. Für den BLLV stellt der Ausbau der bereits effektiv und professionell funktionierenden Kooperationen und Ganztagsunterbringungen im Mittelpunkt. Neue Modelle nur dort, wo die vorhandenen nicht gut funktionieren. Eine Vielfalt an Angeboten und Möglichkeiten wird begrüßt.

Der BLLV stellt sich die Frage, inwieweit im Rahmen der Inklusion auch diskutiert werden muss, wie Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztagsbereich der Regelschulen durch Fachpersonal betreut und begleitet werden sollen.