Bayern ist Spitzenreiter bei den Wiederholern laut den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts. Dabei sind die Wiederholungen der 1. und 2. Klasse noch gar nicht eingerechnet. Auffallend sind die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern. Auch schon in den Jahren zuvor lag Bayern weit vorn. Eine Klassenstufe zu wiederholen, ist im bayerischen Schulsystem noch immer gang und gebe, wenn Schülerinnen und Schüler den Anschluss in der Klasse verloren haben. Einen Nutzen haben Wiederholungen offenbar nicht. In diesem Punkt ist sich die Bildungsforschung einig. Die positiven Effekte sind – wenn überhaupt – von sehr kurzer Dauer. Die Bildungsforschung betrachtet die Klassenwiederholung als ineffektiv.
Im dreigliedrigen Schulsystem bringt das Wiederholen besonders wenig
„Sitzenbleiben“ kann ein emotional belastendes Ereignis sein. Die Maßnahme greift stark in das Leben der Kinder und Jugendlichen ein. Das Klassenziel ist nicht erreicht. Betroffene Schülerinnen und Schüler fühlen sich häufig als Versager. Viele von ihnen erleben die Klassenwiederholung nicht als Chance, sondern als Scheitern.
Die Zahlen zeigen, dass wir zu viele Schülerinnen und Schüler in unserem Schulsystem nicht ausreichend auffangen können. Im dreigliedrigen Schulsystem bringt das Wiederholen besonders wenig, zeigt die Studienlage. Wenn Schülerinnen und Schüler die Schule dann auch noch wechseln müssen, fühlen sie sich oft aussortiert.
Die Wahrscheinlichkeit, eine Klasse zu wiederholen, ist bei sozioökonomisch benachteiligten Kindern und Jugendlichen höher. Wo bleibt die Bildungsgerechtigkeit? Kein Kind darf uns verloren gehen. Hätten wir an unseren Schulen ausreichende Ressourcen zur individuellen Förderung sowie genügend Förderlehrkräfte und multiprofessionelle Teams zur Unterstützung in den Klassen, könnten Defizite rechtzeitig aufgefangen werden.
Diagnose ohne Förderung macht keinen Sinn
Schülerinnen und Schüler brauchen die Möglichkeit, ihrem Lernstand entsprechend und im eigenen Lerntempo Kompetenzen zu erwerben, zu wiederholen und zu üben. Das gleiche Programm erneut zu durchlaufen, wenn Lücken zu groß sind, ist nur in Ausnahmefällen das richtige Mittel. Oft betreffen die Defizite auch nur einzelne Bereiche. Eine Diagnose ist wichtig. Dann muss die Förderung folgen. Diagnose ohne Förderung macht keinen Sinn.
Gerade nach der Pandemie brauchen wir nicht weniger Unterricht, sondern mehr. Individuelle Förderung wäre der Schlüssel zum Erfolg. Sie muss früh ansetzen. Wenn Lehrkräfte bei einem Kind Defizite erkennen, brauchen sie mehr Möglichkeiten, intensiv und zielgerichtet zu unterstützen. In Zeiten des Lehrkräftemangels ist dies schwer umsetzbar.