Das gemeinsame Lernen und Leben von Menschen mit und ohne Behinderung ist elementarer Bestandteil von Bildung. Um das zu ermöglichen, braucht es mehr als ein gequältes "Ja" zur Inklusion Es braucht Begeisterung und es braucht die notwendigen Voraussetzungen, um diese Begeisterung umsetzen zu können. Denn Kinder benötigen die Rahmenbedingungen, in denen ihnen eine selbstbestimmte, gerechte Teilhabe an der Gesellschaft und ihren Institutionen ermöglicht wird.
Der Weg zu einem inklusiven und sozial gerechten Bildungssystem beginnt in der frühkindlichen Bildung und muss in der gesamten Bildungsbiographie verankert werden. Je früher Kinder Vielfalt als bereichernd wahrnehmen, desto eher wird Heterogenität zur Normalität. Aber Inklusion ist auch mehr als zehn Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention vielerorts noch Zukunftsmusik. Dabei hat jedes Kind das Recht auf hochwertige Bildung, unabhängig von Herkunft, Wohnort, Geschlecht oder sozialen Voraussetzungen. Alle haben ein Recht, ernst genommen und gefördert zu werden und erfolgreich zu sein. Sie haben ein Recht darauf, Teil unserer Gesellschaft zu sein. Alle diese Kinder wollen ernst genommen und gefördert werden. Sie wollen lernen. Sie wollen anerkannt und wertgeschätzt werden. Sie wollen Teil der Klassen- und Schulgemeinschaft sein. Und sie wollen in ihrem Leben glücklich sein – und nicht scheitern, nicht ausgegrenzt werden.
Insgesamt erhöhter Förderbedarf
Allerdings kommt der Ausbau des inklusiven Unterrichts nur schleppend voran. In einigen Bundesländern ist er sogar rückläufig. Entsprechend ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die an Förderschulen unterrichtet werden, kaum gesunken und in manchen Bundesländern sogar gestiegen. Dies zeigt eine Auswertung der Bertelsmann Stiftung von Daten der Kultusministerkonferenz (KMK). Wurden im Schuljahr 2008/09 4,8 Prozent aller Kinder der Jahrgangsstufen 1 bis 10 in Förderschulen unterrichtet, so galt dies zehn Jahre später immer noch für 4,2 Prozent.
In Bayern gab es im Schuljahr 2018/19 insgesamt 76.907 Schülerinnen und Schüler, die ein Förderzentrum besuchen oder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an den allgemeinen Schulen unterrichtet werden. Das sind 8.148 mehr als 2009, dem Jahr des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention. Dabei gab es unterschiedliche Entwicklungen: Während die absolute Anzahl der Kinder und Jugendlichen an den Förderzentren in diesem Zeitraum um 2.642 abnahm, verdoppelte sich die Zahl der allgemein beschulten Kinder mit Förderbedarf. Auffällig dabei sind drei Dinge: Erstens geht die Verringerung der Zahl der Kinder an den Förderzentren mit einer gesamten Verringerung der Schülerzahlen einher und nicht mit einer Verringerung der Separationsquoten. Zweitens steigt seit einigen Jahren die Anzahl der Schülerinnen und Schüler an Förderzentren in Bayern gegen den bundesweiten Trend wieder leicht an. Drittens hat die Erhöhung der Zahl der inklusiv beschulten Kinder und Jugendlichen an den allgemeinen Schulen insbesondere mit einem insgesamt erhöhten Förderbedarf zu tun und weniger mit einer gelingenden Inklusion.
Grafik: Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den allgemeinen Schulen und Schüler der Förderzentren: