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Asylbewerber an Schulen

Positionspapier - Einstimmiger Beschluss des BLLV-Landesvorstands am 22.10.2014

A.  Situationsbeschreibung

Seit Jahren wächst die Anzahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern, die nach Bayern kommen. Insbesondere im Laufe dieses Jahres bereitet es immer größere Schwierigkeiten, die betreffenden Personen menschenwürdig unterzubringen. Dieses Problem schlägt in voller Wucht auf die Pflichtschulen durch. Mitten im Schuljahr müssen diese die Aufnahme einer großen Zahl neuer Schüler mit schwierigsten Voraussetzungen schultern. An manchen Schulen müssen über Nacht 20 Flüchtlingskinder untergebracht und intensiv betreut werden. Zwar wurde die Zahl der Übergangsklassen um ein Vielfaches vergrößert, jedoch reicht diese Maßnahme nicht aus, um der großen Anzahl von ankommenden Flüchtlingskindern gerecht zu werden.
Die Situation stellt sich überall in Bayern anders dar. Manche Orte sind bislang noch gar nicht betroffen, andere dagegen in extrem hohem Maße.

 

 

B.  Herausforderungen

Sprachbarriere

Die Sprachbarriere aufgrund fehlender Deutschkenntnisse erschwert die Kommunikation mit Kindern und Elternhaus.

 

 Fluktuation

Der laufende Zuzug von Kindern führt dazu, dass mitten im Schuljahr Klassen neu gebildet oder laufend Kinder in bereits gebildete Klassen aufgenommen werden müssen.

 

 Heterogenität

Die betroffenen Kinder zeichnen sich durch eine extrem hohe Heterogenität aus, die die Schulen und Lehrkräfte vor große Probleme stellen: 

  • Sie entstammen unterschiedlichen Kulturkreisen mit unterschiedlichen Erziehungsstilen.
  • Sie weisen eine hohe Altersspreizung auf. Zudem lässt sich nicht bei allen Kindern das exakte Alter feststellen.
  • Sie haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft eine völlig unterschiedliche Vorbildung. Diese reicht von Analphabetismus bis hin zur Beherrschung mehrerer Fremdsprachen.
  • Sie verfügen über unterschiedliche Laut- und Schriftsysteme (lateinische, arabische, kyrillische, chinesische Schrift).

 

Soziale Situation

Die betreffenden Schülerinnen und Schüler leben in schwierigen sozialen Verhältnissen (Unterkunft, Finanzen, Privatsphäre). Einige sind als unbegleitete Flüchtlinge ohne die Unterstützung ihrer Eltern ganz auf sich allein gestellt.

 

Psychische Belastungen

Die Schülerinnen und Schüler sind häufig durch traumatische Erfahrungen in ihren Heimatländer, durch die Flucht und ihre momentane Lebenssituation starken psychischen Belastungen ausgesetzt.

 

Fehlendes Material

Häufig fehlen didaktisches Unterrichtmaterial und Arbeitsmaterialien für Schüler.

 

Fehlende Unterstützung der Lehrkräfte

Vielfach müssen Lehrkräfte ohne Qualifikation in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) den Unterricht übernehmen. Auch sonst fehlt es häufig an Vorbereitung und Unterstützung für die Lehrkräfte.

 

 

C.  Konsequenz: Überforderung des Systems

Die Vielzahl der Herausforderungen und die nicht ausreichenden Möglichkeiten, diesen angemessen zu begegnen, haben zur Folge, dass die Schulen vollkommen überfordert sind. Diese Überforderung hat zwei Konsequenzen:

1. Die Schule kann ihrem Bildungsauftrag nicht in vollem Umfang gerecht werden, weder für die ankommenden Flüchtlingskinder, noch für die bereits in der Klasse angestammten Kinder. Die Förderung der einen darf nicht zu Lasten der anderen gehen. Die Umschichtung von Förderstunden reißt schmerzliche Lücken  in das Förderangebot der Schulen.

 

2. Die betroffenen Lehrerinnen und Lehrer sind überfordert und werden über Gebühr belastet. Die Lehrerinnen und Lehrer in Regelklassen stehen zudem vor einem unlösbaren Dilemma: Sie wollen einerseits den Flüchtlingskindern helfen, müssen aber gleichzeitig den Regelunterricht aufrechterhalten. Dies zu bewerkstelligen, ohne entweder die Flüchtlingskinder oder die anderen Schüler zu vernachlässigen, ist nicht möglich.

 

 

D.  Forderungen:

Die Beschulung der betroffenen Kinder erfolgt in zwei Formen. Neben der Zusammenfassung in Übergangsklassen werden vor allem in ländlich strukturierten Gebieten die Kinder in Regelklassen aufgenommen und sollen dort eine besondere Förderung erhalten. Beide Systeme haben ihre jeweils spezifischen Vor- und Nachteile und sind aus Sicht des BLLV gleichrangig. Die Entscheidung für das jeweilige System muss vor Ort nach den regionalen Gegebenheiten getroffen werden. Unabhängig davon bedürfen jedoch beide Systeme einer ausreichenden Ausstattung und Rahmenbedingungen, die es erlauben die notwendige Qualität zu erzeugen und die Lehrerbelastung nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen. Daraus ergeben sich folgende Forderungen:

 

1.             Ausstattung

a)            Allgemein

  • Bereitstellung von Ressourcen, die den erwartungsgemäßen Anstieg im Laufe des Schuljahrs bereits einkalkulieren
  • Benennung von Koordinatoren auf Schulamts- und Bezirksebene, mit entsprechender Ausstattung, die die Schulen vor Ort unterstützen
  • Additive Schulsozialarbeit an Schulen mit Übergangsklassen
  • Zusätzliche Lehrkräfte im MSD (Mobiler sonderpädagogischer Dienst) oder Erhöhung der Stundenzahl für den MSD, um Schülerinnen und Schüler der Übergangsklassen größtmöglich individuell zu unterstützen, falls Förderbedarf besteht
  • Angebot professioneller Kriseninterventionsteams und therapeutischer Hilfen bei schweren posttraumatischen Störungen
  • Vorrangige Aufnahme der Flüchtlingskinder in gebundene Ganztagsklassen
  • Garantie eines Mindeststandards für die Ausstattung der Schulen unabhängig von der Finanzkraft des Sachaufwandsträgers durch einen Fond mit 5 Mio. Euro, um finanzschwache Kommunen zu unterstützen
  • Bereitstellung zusätzlicher Budgets durch den Schulaufwandsträger zur Anschaffung erforderlicher Materialien wie Beamer, Freiarbeitsmaterial oder Bildwörterbücher im Klassensatz sowie die Erhöhung des Kopier-Etats
  • Angebote von attraktiven (z. B. mit Kleinkinderbetreuung) Deutschkursen für Eltern und Elternschule (durch Kooperation mit Bildungsträgern, z. B. vhs)

 

b)            Übergangsklasse

  • Team-Teaching mit 15 zusätzlich auszuweisenden Stunden, gebunden an die Übergangsklassen (zweite Lehrkraft oder Förderlehrkraft)
  • Im Rahmen der eigenverantwortlichen Schule sollen mindestens 10 Stunden für jeden Übergangsklassenstandort zur Differenzierung im erforderlichen Lernbereich (Deutsch, Mathematik oder wahlweise Englisch) bereitgestellt werden. In diesen Kursen können Schüler auch aus verschiedenen Klassen zusammengefasst werden (z. B. Alphabetisierungen)
  • Höchstgrenze der Klassenstärke: 16 Schüler
  • keine Mindeststärke für die Bildung der Klassen zum Schuljahresbeginn festlegen
  • Doppelzählung der Ü-Klassen für Verwaltungsfachangestellte
  • Unterstützung der Kommunen bei mSchülertransport

 

c)             Regelklasse

  • Zuweisung von einer Lehrerwochenstunde zusätzlich je Schüler
  • Für die Berechnung der Verwaltungsangestellten wird jede angefangene Schülergruppe von 10 Schülern wie eine Klasse gezählt

 

2.             Umgang mit den Lehrkräften

d)            Qualifikation

  • Ausweitung der qualifizierten Fortbildungsangebote für DaZ
  • Schaffung eines eigenen Moduls für didaktisches Begleitmaterial auf LIS
  • Steigerung der Attraktivität von DaZ für Studierende (Beibehaltung des Bonus aufs Staatsexamen)
  • Aufnahme von Grundkompetenzen in DaZ in alle Lehramtsstudiengänge

 

e)            Stützungssysteme

  • Angebote von Supervision, Erfahrungsaustausch und Materialbörse auf Schulamtsebene
  • Schaffung von einheitlichen Formulare für die Schülerakten
  • Einstellung von Übersetzern

 

f)              Anerkennung

  • Positive Würdigung des Einsatzes der Lehrkräfte in deren Dienstlicher Beurteilung
  • Ermöglichung von Leistungsprämien
  • Anrechnungsstunden für Lehrer in Ü-Klassen (analog zu Kombiklasse)

 

 



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