Gelbwesten beschimpfen einen jüdischen Intellektuellen, im Elsass schmieren Jugendliche Hakenkreuze auf jüdische Grabsteine und Englands Oppositionsführer Corbyn ermutigt indirekt antisemitische Schmierereien auf Postern in London: Das aktuelle Tagesgeschehen ist voll von antisemitischen Übergriffen, doch der Schulunterricht behandelt lediglich die Vergangenheit, analysiert die Zeitung „Die Welt“ und titelt: „Aktueller Antisemitismus spielt in Lehrplänen keine Rolle“.
Dabei bekämen Lehrer von ihren Schülern täglich höchst bedenkliche Äußerungen zu hören, konstatiert die Welt mit Blick auf eine Studie über Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen. „Du Jude“, sei ein oft gebrauchtes Schimpfwort, Kinder würden Israel aus dem Erdkundeatlas streichen und brüsteten sich, „dem Treiben Israel ein Ende“ zu machen, wenn sie „erst in den richtigen Positionen dafür“ seien. Der Antisemitismus komme dabei aus rechts- wie linksextremen Kreisen und immer mehr von Schülern mit muslimischem Hintergrund.
„Wir gehen im Unterricht darauf ein!“
Auf der Suche nach Gründen kritisieren Wissenschaftler, dass Schüler bei der Lektüre von Unterrichtsmaterial den Eindruck bekommen könnten, Antisemitismus sei als Idee „plötzlich“ mit dem Nationalsozialismus aufgetaucht, und danach wieder verschwunden, sodass die Sensibilität im Umgang mit ähnlichen Vorgängen in der Gegenwart fehle. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagt: „Es wird oftmals der fatale Eindruck erweckt, dass mit dem Ende der NS-Herrschaft der Antisemitismus in Deutschland der Vergangenheit angehört.“ Außerdem fehle ein positives Gegenbild, weil es kaum Berichte über jüdisches Leben in Deutschland gebe.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann sieht ebenfalls Defizite in den Lehrmitteln, stellt aber klar, dass Lehrerinnen und Lehrer darauf nicht angewiesen sind, um aktuelle Vorfälle wie die Demos nach den Vorfällen in Frankreich im Unterricht zu behandeln: „Wenn am Dienstag die Menschen in Frankreich gegen Antisemitismus auf die Straße gehen, wird es am Mittwoch Lehrer geben, die im Unterricht darauf eingehen. Wir Lehrer können nicht warten, bis die Schulbehörden Bücher und Lehrpläne anpassen.“