Nach Wunsch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder soll ein Fach das richten, was die Gesellschaft als Herausforderung an Schülerinnen und Schüler von heute sieht: „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“. Unstrittig ist dabei, dass die Kompetenzorientierung, wie sie bereits den Lehrplan PLUS prägt, zu begrüßen ist und grundsätzlich weiter ausgebaut werden sollte. Denn das Anhäufen von Detailwissen macht Kinder und Jugendliche nicht fit für die Zukunft in einer sich rapide verändernden Welt. Das betont BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Interview mit münchen TV:
„Brauchen wir weiterhin bulimisches Lernen, also Reinfressen, Auskotzen, nichts Zunehmen? Nein! Wir brauchen eine ganz andere Anlage des Lernens. Wir haben Jugendliche und Kinder, die Lust auf Lernen haben, die wollen die Welt verstehen. Sie sind politisch engagiert und sollen tolle Demokraten werden.“
Kinder ticken nicht nach Fächern
Die Welt zu verstehen, das gehe aber nicht über möglichst viele Fächer, stellt Fleischmann klar: „Wir brauchen phänomenologisches Lernen: Kinder ticken nicht nach Fächern, sondern Kinder fragen sich: ‘Hey, da ist ein Regenbogen. Warum ist denn der Regenbogen da? Hey, da fallen die Blätter von den Bäumen, warum ist das so?‘ Den Kindern ist es egal, ob das Physik, Chemie oder Biologie ist. Sie wollen Phänomene verstehen. Und so wollen wir Lehrerinnen und Lehrer Unterricht aufsetzen!“
Das sagen auch die bayerischen Schüler selbst. Joshua Grasmüller, Landesschülersprecher der Gymnasien, stellt gegenüber münchen TV klar: „Wir sind strikt gegen ein neues Pflichtschulfach und eher der Meinung, dass man das Thema Alltagskompetenz und Lebensökonomie mehr in den Regelunterricht mit einbringen muss.“ Im Gespräch mit dem Münchner Merkur verweist er darauf, dass die Thematik bereits an 233 Stellen in den Fachlehrplänen des bayerischen Gymnasiums zu finden sei.
Wie Schule wirklich was fürs Leben bringt
Auch Simone Fleischmann betont, dass in den Schulen bereits viel für die Alltagskompetenzen der Kinder getan werde und bei der Frage nach neuen Inhalten erst geprüft werden sollte, welche Fächer diese bereits bedienen oder in Zukunft bedienen können. „Wenn wir jetzt alle zusätzlichen Kompetenzen, die wir brauchen, in zusätzliche Fächer packen – wie lange haben dann die Kinder Schule?“, gibt sie zu bedenken – auch mit Blick auf den gerade erreichten Konsens zu Stundentafel und Lehrplaninhalten und den Plan, an den Gymnasien auf Nachmittagsunterricht zu verzichten. „Wie soll denn mehr in weniger Zeit reingehen?“, fragt Fleischmann.
Die BLLV-Präsidentin sieht die Diskussion um die Verankerung von Alltagskompetenzen in der Schule als Chance, zu einem neuen Konsens zu gelangen in der Frage, was Schule eigentlich leisten soll: Denn aus Sicht des BLLV ist das Ziel, dass Schülerinnen und Schüler vielfältige Kompetenzen für ihre Zukunft erwerben sollen, dazu emotionale Intelligenz und kulturelle Fähigkeiten entwickeln sowie ein demokratisches Wertebewusstsein, nur zu erreichen, indem an Schulen ganzheitlich unterrichtet wird: mit Herz, Kopf und Hand. Wie das genau gelingen kann, hat der BLLV auf seiner Landesdelegiertenversammlung gerade im Detail erarbeitet. „So bilden wir die Menschen, die wir in Zukunft brauchen, um die Demokratie stabil zu halten, und bieten in Schulen eine Anlage, die den Kindern dann auch etwas für ihr Leben bringt“, betont Simone Fleischmann.
Kultusminister mit eigener Position
Indes äußert sich Kultusminister Michael Piazolo zur Frage nach einem neuen Fach auffallend anders als Ministerpräsident Markus Söder und formuliert gegenüber münchen TV: „Es geht jetzt nicht darum, die Stundetafel auszuweiten, sondern es geht darum, Inhalte – Gesundheit, Umwelt-, Verbraucherschutz und manches mehr – noch stärker in den Fokus zu rücken als bisher.“
Auch Piazolo bekennt sich grundsätzlich zu einem ganzheitlichen Ansatz. Er war auf der Landesdelegiertenversammlung des BLLV zu Gast und würdigte den Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern, „weil sie so viel bewerkstelligen und anstoßen können bei Kindern und Jugendlichen, die unsere Gesellschaft prägen und gestalten“ und versprach: „Ich werde dafür kämpfen, dass wir es mit Herz, Kopf und Hand machen können.“
Die Frage, wie das Vermitteln von Alltagskompetenzen in Schulen umgesetzt werden soll, bietet dafür eine exzellente Gelegenheit.
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Alltagskompetenz: Phänomenologisch unterrichten statt neues Fach
In der Diskussion um „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ als neues Schulfach fordert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann einen neuen Ansatz von verständnisorientiertem, ganzheitlichem Unterricht statt immer mehr Inhalte in weniger Zeit zu pressen.
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münchen TV zum Thema: „Neues Schulfach: Alltagskompetenzen und Lebensökonomie!“
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Hintergrundinformation: BLLV-Dossier Gymnasium